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Arbeiterliedarchiv
Lancken
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im e.V.
Musik von unten
„Die Gigerlkönigin“ 

1. Ich kleid’ mich stets nach neuester Facon
beweg’ mich im Salon,
ich erfinde neue Moden,
was ich trage, das ist Schick,
man sieht’s am ersten Blick!
Ich hab’ sogar im Schuh mein Monogramm
als echte Modedam;
von den Strümpfen angefangen
bis hinauf zu der Frisur
trag ich das feinste nur!
 :/: Schaun sie sich nur, ich bitt,
 diesen eleganten Schnitt,
 da sieht doch g’wiß ein jeder gleich,
 ich bin die Gigerlkönigin :/:

2. Wenn ich in dem légèren Tempo
hier am Corso promenier,
schlag’ ich alle Gigerldamen,
mach’ am meisten Sensation
als Löwin der Saison!
Die Hand, die wird aufs feinste stets gantiert
den Blicken präsentiert!
Ich führ’ mein Lorgnett zum Auge
graziös und elegant
und g’wiß recht nonchalant!
 :/: Schaun sie sich nur, ich bitt,
 diesen eleganten Schnitt,
 da sieht doch g’wiß ein jeder gleich,
 ich bin die Gigerlkönigin :/:

3. Ich kenn die Gigerldamen von Berlin
und kenn’ auch die von Wien!
Ich studierte auch mit Eifer
die von London und Paris
im Gigerlparadies!
Ich sah viel Gigerln auch am Newastrand,
sah alle, und ich fand,
daß ich alle übertreffe,
denn bei mir ist das vereint,
was einzeln sonst erscheint!
 :/: Schaun sie sich nur, ich bitt,
 diesen eleganten Schnitt,
 da sieht doch g’wiß ein jeder gleich,
 ich bin die Gigerlkönigin :/:
Gigerlette
(Otto Julius Bierbaum)

1. Fräulein Gigerlette
Lud mich ein zum Tee.
Ihre Toilette
War gestimmt auf Schnee;
Ganz wie Pierrette
War sie angetan.
Selbst ein Mönch, ich wette,
Sähe Gigerlette
Wohlgefällig an.

2. War ein rotes Zimmer
Drin sie mich empfing,
Gelber Kerzenschimmer
In dem Raume hing.
Und sie war wie immer
Leben und Esprit.
Nie vergeß ichs, nimmer:
Weinrot war das Zimmer,
Blütenweiß war sie.

3. Und im Trab mit Vieren
Fuhre wir zu zweit
In das Land spazieren,
Das heißt Heiterkeit.
Daß wir nicht verlieren
Zügel, Ziel und Lauf,
Saß bei dem Kutschieren
Mit den beißen Vieren
Amor hinten auf.

(Aus: Deutsche Chansons. Brettl-Lieder, Leipzig 1911, S. 9f.)





Andere Titel: 
Text: 1. Jürgens,
2. Otto Julius Bierbaum,
Melodie: Paul Lincke,
Noten:
Vorlage:
Kategorie: Vom Kaiserreich zum 1. WK;
Zeit: 1893-95,

Couplet-Heft Titel,
Couplet-Heft 02,
siehe auch:
Gigerl“,
Varianten: 

 
Geschichte / Kommentar: 

Von allen Soubretten und Chansonniers, die um die Wende von 19. zum 20. Jahrhundert in den vielen Varietés Deutschland auftraten wurden Paul Linckes Lieder, Couplets und Chansons - meist mit den Texten von Heinrich Bolten-Baecker - gesungen. Den Text zur 1893/94 aufgeführten „Gigerlkönigin“ schrieb allerdings ein Poet namens Jürgens.

Der Refrain des Liedes fand viele Freunde. In Hamburg macht Ludwig Wolf (Gebrüder Wolf) daraus ein eigenes Couplet mit dem Titel „Das ist ein Geschäft“ („Seht, seht, das ist ein Geschäft, / das bringt noch was ein! / Ein jeder aber kann es nicht, / denn es muß verstanden sein.“)  Die Wolfssche Variante fand später in den Auseinandersetzungen der Weimarer Republik eine politische Nutzung. Die Hamburger kommunistisch Agitproptruppe „Die Nieter“ (Agitprop): „Seit ihr achtzig Jahre Leute ...“

Aus der Hansestadt und Berlin sind weitere Parodien bekannt, deren langlebigste wohl jene von den Äppel klauenden Jungs. In Hamburg wurde Linckes Kehrreim mit anderem neuen Text an ein anderes Couplet der Gebrüder Wolf bearbeitete hatte angehängt („An de Eck steiht’n Jung mit’n Tüdelband“). Die Refrains lautetet nun u.a.:

Variante 1
Klau’n, klau’n Äppel wollen wir klau’n
ruckzuck über’n Zaun
ein jeder aber kann das nicht,
er muß aus Hamburg sein.


Variante 2
Klau’n, klau’n Äppel wollen wir klau’n
man muß sich boß mal traun.
Mutter Ihde seggt, de Äppel sünd slecht
de loot sik gornich verdaun.


Verantwortlich für diese Änderung waren beispielsweise die „Falkenberger“. Eine Jugendgruppe die nahe Hamburg, in der Neugrabener Heide, gern auf einer 68 m hohen Erebung eben diesen Namens herumtollten. Nicht weit entfernt befindet sich ein weiterer Hügel, auf dem sich noch heute ein Hoten namens „Sennhütte“ befindet, das im Volksmund „Alm“ hieß. Hier sangen die „wilden Wandervögel“:
Fiete, Fiete, Fiete von der Alm
hett de Büx vull Qualm
und hett he nich de Büx vull Qualm
is he nich Fiete von der Alm.
In Berlin wurde vermutlich auf den Komponisten gesungen:
Paul, Paul, zuckersüßer Paul,
frisch rasiert ums Maul,
in jedem Strumpf hast du ein Loch,
aber reizend bist du doch.


Siehe auch:
Ist Dir vielleicht der kleine Ort bekannt, (Plötzensee)

Quelle:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein Bd. 3, Leipzig und Berlin 1906, S. 110-113 (3.6.100)
Erkl.: Gedichtet und nach der Melodie „Die Gigerlkönigin“, vorgetragen in der Kaschemme von Dally von Plansch-Näse, Einbrecher und Gelegenheitsdichter



 
 
 
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