Lumpensammlerlied
1. Hat mich Gott verdammt auf Erden,
Just ein Lumpenkerl zu werden;
Darum ruf’ ich ungescheut:
Lumpen, Lumpen! weit und breit.
2. Lumpen, Lumpen! bringt mir Lumpen!
Ungewaschen, ungekrumpen;
Königskleider, goldgestickt,
Bettlerkittel, buntgeflickt.
3. Ordensbänder, Bischofsmützen,
Bunte Lappen, blanke Litzen;
Alles muß in meinem Sack,
Alles muß ins Lumpenpack!
4. Tuch von zahm’ und wilden Böcken,
Schwarz’ und weißen
Pfaffenröcken,
Jüngst von Weihrauch noch umdampft,
Morgen wird es eingestampft!
5. Eure großen Weltenwunder
Sind nur wohlgeborner Plunder!
Hadern, Lappen, Fetzen, Fleck,
‘s ist doch alles Lumpendreck!
6. Fort mit Samt und Seidenlappen,
Fort mit Prunk und Narrenkappen!
Fort mit Weihrauch, Wust und Dampf,
Vorwärts in den Lumpenstampf!
7. Eure faulen Staatspapiere,
Wechsel und Prozeßgeschmiere,
Eure Wische, alt und neu,
Vorwärts in den Lumpenbrei!
8. Eure Rechte von Halunken
Eingestampft mit Stiel und Strunken!
Eingestampft mit Lump und Laus,
Wird ja doch nichts Bessres draus!
Geschichte / Kommentar:
In diesem Lied, das Bruno Kaiser (Die
Achtundvierziger) 1952 in Weimar dokumentierte, wird das Bild des
Lumpensammlers benutzt, der mit seinem Handwagen durch die
Straßen zieht und ruft: „Lumpen, Lumpen! gebt mir
Lumpen!“. Gemeint waren die politischen Zustände im
Revolutionsjahr 1848, doch ist es ohne große Veränderungen
jederzeit anwendbar. 1878 befanden sich beispielsweise Strophen des
Liedes in „Sozialdemokratische Lieder und Deklamationen“.
Quellen:
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) Bd. 2, 1962, S. 264f.,
Nr. 234b.
Disco:
Liederjan, Volksmusik aus der heilen Welt
(Polydor 2371928 / LC 0309), Hamburg 1979: