Proletarier-Lied.
1. Es tönt ein Ruf von Land zu Land:
Ihr Armen, reichet Euch die Hand!
Und ruft ein „Halt“ der Tyrannei,
Und brecht das Sklavenjoch entzwei!
Es wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth.
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,:
2. Wir haben lang genug geharrt,
Man hat uns lang genug genarrt,
Jetzt greifen wir zu unserm Recht,
Jetzt stellen wir uns zum Gefecht.
Es wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth:
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,:
3. Wir wollen Friede, Freiheit, Recht,
Daß Keiner sei des Andern Knecht,
Daß Arbeit aller Menschen Pflicht,
Daß Keinem es an Brod gebricht.
Es wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth:
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,:
4.Steig’ an die frische Luft heraus,
Aus nied’rer Hütte, dumpfem Haus,
Steig’ auf das Pflaster, blasse Noth!
Und bete um dein täglich Brod.
Es wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth:
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,:
5. Du schaffst für And’re Gut und Geld
Und bist doch stets auf Nichts gestellt,
Man lacht dir höhnend in’s Gesicht
Und fürchtet nicht das Strafgericht.
So wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth:
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,:
6. Heran, heran! Du kühne Schaar,
Es bläst der Sturm, es fliegt das Haar,
Ein Ruf aus tausend Kehlen braust,
Zum Himmel hoch ballt sich die Faust.
Es wirbelt dumpf das Aufgebot,
Es flattert hoch die Fahne roth:
:,: Arbeitend leben oder kämpfend den
Tod! :,.
Geschichte / Kommentar:
Vivre en travaillant ou mourir en comattant!:
Arbeitend leben oder kämpfend sterben! Dies ist der Wahlspruch,
welchen die Lyoner Seidenweber bei ihrem Aufstand im November 1831 auf
ihre schwarze Fahne schrieben.
Das Lied wurde erstmals in der Züricher
„Tagwacht“ vom 1. Januar 1871 abgedruckt. Es ist auch als
„Arbeiter-Feldgeschrei“ verbreitet gewesen. Lammel/Andert
zufolge wurde die dritte Strohe gern auch als eigener Spruch verwendet
uns war als „sozialistischer Haussegen“ an den Wänden
vieler Arbeiterwohnungen zu finden.
Lammel/Andert berichten auch von einem Vorfall.
Als das Lied „auf einem Berliner Arbeiterfest im August
1873“ gesungen worden war, „löste eine hektische
Reaktion der preußsichen Justiz aus. Staatsanwalt Tessendorf
verlangte die strengste Verfolgung der Verfasser und Verbreiter
derartiger ‚Blutlieder’, durch die er sich „nach
Paris zu den Zeiten der Commune“ versetzt fühlte. Wegen
Drucks von 1500 Liedblättern wurde der Schriftstetzer August
Wilhelm Heinsch zu einer Gefängnisstrafe von zunächst 1 Jahr
verurteilt, die nach Einlegung der Berufung auf 3 Monate herabgesetzt
wurde.“
Es ist aber, wie auch die Marseillaise ein Lied
des 19. Jh. Weder die Sozialdemokraten noch die Kommunisten haben das
Lied in ihren Liederbüchern nach 1918 weiter verbreitet. Einzige
Ausnahme scheinen die beiden Liederbücher der KAPD darzustellen.
Quellen:
19. Jh.
Johann Most (erste Auflage vor 1873), S. 11;
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872, S. 23; Sozialdemokr.
Ldb. 8. Aufl., Zürich, 1885, S. 5; Sozialdemokr. Ldb. 12. Aufl.
London 1889, S. 5; Arbeiter-Liederbuch. 21. Auflage. New-York 1894, S.
16; Beißwanger, Freie Klänge, Nürnberg, ca. 1900, S.
17; Schlüter, Arb-Ldb, Chicago 1906, S. 5.
SPD
nicht vorhanden.
KAPD
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1920, S. 10;
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1921, S. 13.
Spätere Sammlungen:
Lammel / Andert Nr. 52, S. 82:
Arbeiter-Feldgeschrei