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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Die Wanderratten

Es giebt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.

2, Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.

3. Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl über die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick.
Die lebenden lassen die todten zurück.

4. Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.

5. Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen die Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.

6. Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frisst,
Das unsre Seele unsterblich ist.

7. So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs Neue zu theilen die Welt.

8. Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen, die Zahlt ist Legion.

9. O wehe! Wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Thoren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und Keiner weiß Rath.

10. Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigenthum.

11. Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Staatsdekrete,
Auch nicht Kanonen, viel’ Hundertpfünder,
Sie helfen auch heute, ihr lieben Kinder!

12. Heut helfen euch nicht die Wortgespinnste
Der abgelebten Redekünste,
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.

13. Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
Begleitet mit Göttinger Wurst-Citaten.

14. Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Ratten
Viel besser, als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero.



Andere Titel: 
Text: Heinirch Heine,
Melodie: Josef Scheu. (Walzer für Männerchor mit Orchesterbegleitung)
Noten:
Vorlage:
Kategorie:
Zeit: um 1900,
Varianten: 
 
Geschichte / Kommentar: 

Das Gedicht von Heinirch Heine vertonte um 1900 Josef Scheu („Walzer für Männerchor mit Orchesterbegleitung“).


Quelle:
Konrad Beißwanger, Stimmen der Freiheit, Nürnberg 1901, S. 615ff.
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier Liederbuch, 6. umgearb. Aufl. (100.-115. Tsd.) Jubiläumsausg., Wien 1914 (Lammel BIbl. Nr. 235), S. 56ff.

 
 
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