Unterländers Heimweh
Drunten im Unterland, da ist’s halt fein.
Schlehen im Oberland, Trauben im Unterland;
drunten im Unterland möchte’ ich wohl
sein!
2. Drunten im Neckarthal, da ist’s halt gut.
Ist mer’s da oben ’rum manchmal au no
so dumm,
Han i doch alleweil drunten gut’s Blut.
3. Kalt ist’s im Oberland, drunten ists
warm;
Oben sind d’Leut so reich, d’Herzen
sind gar net weich,
B’sehnt min et freundlich an, werdet net
warm.
4. Aber da unten ’rum, da sind d’Leut
arm,
Aber so froh und frei, und in der Liebe treu; -
Drum sind im Unterland d’Herzen so warm.
Geschichte / Kommentar:
Die Melodie schrieb Friedrich Silchers
(1789–1860) nach der Vorlage des Liedes „Draußen im
Schwabenland wächst a schöns Holz“. Frauke
Schmitz-Gropengiesser vermutet, dass Silcher den späteren
Missionar und Sprachforscher Gottfried Hartmann Weigle
(1816–1855) anregte, einen entsprechenden Text zu schreiben.
Silcher war um 1835 Universitätsmusikdirektor und Leiter der
Akademischen Liedertafel, während Weigle noch Student war. 1836
ist das Lied dann im 5. Heft von Silchers „Volksliedern“
für vier Männerstimmen (op. 26, Nr. 3) erstmals
veröffentlicht worden.
Den Titel „Unterländers Heimweh“
hat Böhme von der Erstveröffentlichung übernommen.
„Unterland“ wurde seinerzeit der
von der Alten Weinsteige in Stuttgart Neckar abwärts gelegenen
Teil Württembergs genannt (Schmitz-Gropengießer). Als
„Oberland“ wurde der obere Neckar, auf der
schwäbischen Alb und in Oberschwaben genannt.
Das Lied verbreitete sich sehr schnell über
ganz Deutschland. Dafür verantwortlich war nicht zuletzt Silchers
„Allgemeines Deutsches Kommersbuch“, das ab 1858 in
zahlreichen Auflagen erschienen war (unsere Ausgabe ist aus dem Jahr
1919). Das Lied befindet sich aber auch in den meisten
Liederbüchern des 19. Jahrhundert und auch die Wandervogelbewegung
übernahm es häufig.
Aus der Zeit des Ersten Weltkrieges ist folgende
Version überliefert:
Drunten im Unterland
1. Drunten im Unterland, / Hei, da ist es
wunderschön!
Da ist die Jägerei, / Da ist das
Schießen frei,
Da möchte’ ich Oberjäger sein, /
Schießen, das ist meine Freud’.
2. Schieß’ mir einen Lorbeerzweig. /
Fällt er oder fällt er nicht
Fällt er nicht, so bleibt er steh’n /
Zu meiner Lina muß ich geh’n,
Zu meiner Lina muß ich geh’n, / Alle
Woch’ sechs, sieben Mal.
3. Kam eine schöne Jungfrau daher, / Ei, die
war so wunderschön.
Die hätt’ ein Hütlein auf / Mit
einer schönen Feder drauf.
Die sah so reizend aus, / Und ich ging mit ihr
nach Haus’.
4. Vor ihrer Haustür’ angekommen, / Ei,
da sagte sie zu mir:
Du hast mich heimgebracht, / Hast deine Sache gut
gemacht,
Auf deinen Rosen-Rosenmund, / Einen
wundersüßen Kuß.
5. Lauter fidele Leut’ sein wir, / Lauter
kreuzfidele Leut’.
Wenn wir kreuzfidele Leut’ nicht
wär’n, / Wer sollt’ dann das Geld verzehr’n?
Lauter kreuzfidele Leut sein wir, / Lauter
kreuzfidele Leut’.
(Reinhard Olt nach DVA 492 und ähnlich DVA
446)
Quelle:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895 Nr. 533,
S. 399.
Frauke Schmitz-Gropengiesser: Drunten im Unterland
(2013). In: Populäre und traditionelle Lieder.
Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http:
//www.liederlexikon.de/lieder/drunten_im_unterland/>.
Reinhard Olt, Krieg und Sprache. Untersuchungen zu
deutschen Soldatenliedern des Ersten Weltkriegs, Gießen 1980, Bd.
2, Nr. 75 S. 43f.