Männer und Buben
Das Volk steht auf, der Sturm bricht los
wer legt noch die Hände feig in den
Schoß?
Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,
unter den Schranzen und unter den Zofen!
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht,
ein erbärmlicher Wicht!
Ein deutsches Mädchen küßt dich
nicht,
ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
und deutscher Wein erquickt dich nicht!
Stoßt mit an, Mann für Mann,
wer den Flamberg schwingen kann!
2. Wenn wir die Schauer der Regennacht
unter Sturmespfeifen wachend vollbracht,
magst du immer auf üppigen Pfühlen
wollüstig träumend die Glieder
fühlen.
Bist doch ein ehrlos …
3. Wenn uns der Trompeten rauher Klang
wie Donner Gottes zum Herzen drang,
magst du im Theater die Nase wetzen
und dich an Trillern und Läufern
ergötzen.
Bist doch ein ehrlos …
4. Wenn die Glut des Tags versengend drückt
und uns kaum ein Tropfen Wasser erquickt,
kannst du Champagner springen lassen,
kannst du an brechenden Tafeln prassen!
Bist doch ein ehrlos …
5. Wenn wir vorm Donner der würgenden
Schlacht
zum Abschied ans ferne Treuliebchen gedacht,
magst du zu deinen Mätressen laufen
und dir mit Golde die Luft erkaufen.
Bist doch ein ehrlos …
6. Wenn die Kugel pfeift, wenn die Lanze saust,
wenn der Tod uns in tausend Gestalten umbraust,
kannst du am Spieltisch dein Septieva brechen
und mit der Spadille die Könige stechen.
Bist doch ein ehrlos …
7. Und schlägt unser Stündlein im
Schlachtenrot,
willkommen dann, sel’ger Soldatentod!
Du mußt dann unter seidnen Decken,
unter Merkur und Latwergen verrecken; *
stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht!
Ein deutsches Mädchen beweint dich nicht,
ein deutsches Lied besingt dich nicht
und deutsche Becher klingen dir nicht.
Stoßt mit an, Mann für Mann,
wer den Flamberg schwingen kann!
Geschichte / Kommentar:
Das Gedicht schrieb Theodor Körner am 17.
August 1813 nach Ablauf des Waffenstillstandes an diesem Tage.
Die Melodie ist eine Umbildung der alten
Volksweise: „Lille, du allerschönste Stadt“ (s.
Liederhort II, Nr. 323 und Fahnenlieder aus alter Zeit Nr. 24). Um 1813
sang man darauf auch das Landsturmlied: „Brüder, uns ist
Alles gleich (s. Ditfurth, fränk VL. II, Nr. 237).
Theodor Körner, 1813.
Quellen:
Silcher, Erk, Allgemeines Deutsches Kommersbuch,
Lahr 1919, Nr. 13, S. 11f.: Männer und Buben; Volksweise des 18.
Jhs
Franz Magnus Böhme, Volkstümliche Lieder
der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig, 1895 Nr. 62, S. 51f.
Alte Volksweise: „Lille, du
allerschönste Stadt“.
Flamberg, großer Degen. Heldenschwert
(Grimm, Wtb.); in der Studentensprache ein wie Flammen glänzendes
(berg = hellstrahlend) Schwert.
* Diese derben Worte hat Körners Vater in der
Ausgabe 1814 so gemildert:
„Du verkriechst dich in seidene Decken,
Winselnd vor der Vernichtung Schrecken“.