Brüder, zur Sonne, zur Freiheit
Russischer Rotgardistenmarsch / Hymnus.
(Russisches revolutionäres Lied.)
Eigene Melodie
1. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder, zum Lichte empor.
Hell aus dem dunklen Vergangenen leuchtet uns
Zukunft hervor!
2. Seht wie der Zug von Millionen endlos aus
Nächtigem quillt,
bis euer Sehnsucht Verlangen Himmel und Nacht
überschwillt.
3. Brüder, in eines nun die Hände,
Brüder, das Sterben verlacht:
Ewig der Sklaverei Ende, heilig die letzte
Schlacht!
Die Version von Max Barthel
Russischer Rotgardistenmarsch
1. Brüder, ergreift die Gewehre,
auf zur entscheidenden Schlacht!
Sollten denn unsere Heere
fürchten das Trugbild der Macht?
2. Die wir dem Elend entstammen,
Brüder aus Armut und Qual,
Brennen im Kampfe zusammen,
Werden geschliffener Stahl.
3. Uns aus dem Elend zu lösen,
Ballt die bewaffnete Faust,
die auf die zitternden Größen,
Wie ein Blitz niedersaust.
4. Ihnen ward Macht und ward Ehre
Wir sind vor Hunger verreckt,
Ladet die blanken Gewehre,
Das Bajonett aufgesteckt.
5. Auf, und verjagt die Tyrannen,
Daß ihre Herrschaft zerfällt.
Schmückt mit dem blutroten Fahnen
Unsere Arbeiterwelt.
Geschichte / Kommentar:
Der Text des Liedes wird auf den Russen Leonid Petrowitsch Radin
(1860-1900) zurückgeführt, der 1895/96 (in anderen Quellen
auch 1897) im Moskauer Tagansker oder (Tanganker-) Gefängnis kurz
vor seiner Verbannung nach Sibirien auf die Melodie des russischen
Studentenliedes Langsam bewegt sich die
Zeit seine Verse „Vorwärts
Genossen im Gleichschritt“ (auch: „tapfer,
Genossen…“) verfaßte. Das wiederum auf den Text von
Iwan Sawwitsch Nikitin vom September 1857 (veröffentlicht 1858 mit
dem Titel „Lied“ in der russischen Zeitschrift
„Russisches Gespräch“ geschrieben worden war. Radin
veränderte noch den Walzer-Rhythmus zum Marsch, damit es
kämpferischen wurde und schafte ein siebenstrophiges Lied. So
wurde das Lied erstmals 1898 gesungen, als politische Gefangene in die
sibirische Verbannung marschierten. In dem Revolutionsversuch von 1905
bekam es Hymnencharakter.
Als zum Ende des Ersten Weltkrieges der Dirigent
Hermann Scherchen in russischer Kriegsgefangenschaft Bekanntschaft mit
dem Lied machte, verfaßte er eine dreistrophige deutsche
Nachdichtung. Seine vierstimmige Bearbeitung für Männerchor,
auf die die Rote Fahne vom 21. Mai 1920 in einer Anzeige aufmerksam machte, trug er
vom 4.-21. August 1920 mit dem Berliner Schubert-Chor in Oberschlesien
als getragenen Hymnus mit dem Titel Russischer
Rotgardistenmarsch vor. Später folgte
die Bearbeitung für den Gemischten
Chor von Groß-Berlin. Unter dem Titel
„Brüder, zur Sonne, zur
Freiheit“ wurde es am 21.
September 1920 in Berlin vom „Schubert-Chor“
öffentlich gesungen.
Bis zur zweiten Auflage des Liederbuchs Kampfgesang am 1.
September 1920 blieb die Betitelung des dreistrophigen Werkes in
sozialdemokratischen und kommunistischen Liederbüchern
einheitlich. Dann wurde von Max Barthel ein
„Rotgardistenmarsch“ mit fünf Strophen aufgenommen,
der vom Autor als der „wahre“ gepriesen wurde und mit den
Worten „Brüder ergreift die Gewehre“ begann. Seitdem
erschienen die folgenden beiden Versionen in den kommunistischen
Liederbüchern (in eckigen Klammern später angehängte
Strophen, s.u.):
Die Praxis in SPD-Liederbüchern
Untersucht wurden folgende Liederbücher
Vier Auflagen von August Albrecht,
Jugend-Liederbuch, Berlin, alle Hrsg. Verband der Arbeiterjugend-Verein
Deutschlands, die Ausgaben(leider erst ab) 1924/25 (jeweils Nr. 1c),
1929 (Nr. 11), und 1930 Nr. 8). Vier Auflagen der „Hamburger
Jugendlieder“ von Hermann Volkhausen (Verlagg der Buch-Ein- und
Verkaufgenossenschaft Hammerbrook e.G.m.b.H. Hamburg.
Vier verschiedene, von dem von der SPD dominierten
Reichsbanner „Schwarz-Rot-Gold“ Liederbücher von Ewald
Reincke. Dortmund-Löttrinhausen, Oktober 1924. Nr. 3; vom
Gauvorstand des Reichsbanners Berlin-Brandenburg – 1925, 2.
Auflage (Verlag: Reichsbanner - Warenvertrieb Berlin S 14) Nr. 23; vom
Bundesvorstand Verlegt durch j. H. W. Dietz Nachfolger, Berlin, ca.
1926, Nr. 29; und das im Verlag: Paul Schmidt, Berlin herausgegebene Verfassungs-Lieder.
Liederbuch Schwarz-Rot-Gold, Nr. 8.. Das
„Arbeiter-Kampfliederbuch vom gleichen Verlag herausgegeben, das
sich allerdings mit einer Mischung aus traditionellen SPD-Liedern und
den Kampflieder der KPD eher in die Richtung letzterer begab. Besonders
deutlich wird das, durch die Übernahme des Liedes „Drum
sag’ der SPD ade…“. Ähnlich
zwiespältig verhält es sich mit dem Liederbuch „Das
Volkalied“ von Hermann Böse, der sich selber zur KPD
bekannte aber dessen Bücher die SPD als Sozialdemokratisch
einordneten. Außerdem liegt uns eiin frühes Liederbuch der
SPD Jugendorganisation „die Falken“ von 1931 vor.
Alle Publikationen bringen die üblichen drei
Strophen von Scherchen. Unterschiede befinden sich lediglich in der
Betitelung. Albrecht verzichtet in den Ausgaben von 1924 und 1925 (6.
und 7. Aufl.) auf einen Titel, macht dafür zwei Bemerkungen. Zur
Melodie: „Russischer Rotgardistenmarsch“ und
„’Hymnus’ aus dem Russischen“. 1929 Nr. 11, S.
14 übernahm er diese Fußnote als Titel und schloss somit zu
den KPD-Liederbüchern auf („Hymnus“ mit dem Zusatz
„aus dem Russischen“). Genauso verfährt Albrecht in
seinem Liederbuch „Arbeiter- und Freieheits-Liederbuch, Berlin
1928 (Arbeiterjugend-Verlag), Nr. 9, S. 13.
Die Reichsbanner Liederbücher betiteln das
Lied mit „Freiheitsschwur“ und die Falken nehmen die erste
Zeile als Titel und ergänzen „Weise: Russischer
Rotgardistenmarsch“.