1. Brüder, seht ihr nicht die Sonne!
Laßt uns reisen, welche Wonne!
Jetzung ist die schönste Zeit!
Wer sich will die Zeit vertreiben,
Der muß nicht zu Hause bleiben,
Daß es ihn hernach nicht reut.
2. Ist das Bündel fest geschnüret,
Und das Wanderbuch visiert,
Nehmt den Wanderstab zur Hand!
Wer will fremde Städte sehen,
Der muß in die Fremde gehen,
Muß zu Wasser und zu Land.
3. Darum, Brüder, seid nur munter!
Geht die Sonne abends unter,
Morgens geht sie wieder auf.
Denn in unsern Wanderjahren
Müssen wir oft viel erfahren,
Geld und Uhr geh’n oft darauf.
4. Wollt ihr wahre Freude fühlen,
Müßt ihr nicht mit Karten spielen,
Denn das Glück geht auf und ab.
Mancher ist oft reich geboren,
Und hat Geld und Gut verloren,
Kam dabei an’n Bettelstab.
5. Wollt ihr froh die Zeit hinbringen,
Müßt ihr auch ein Liedchen singen;
Denn bei Liedern schmeckt der Wein.
Wer noch will ein Gläschen trinken,
Muß dem Herbergsvater winken:
„Vater, schenke noch mal ein!“
6. Müßt ihr auch beim Vater borgen,
Macht euch darum keine Sorgen,
Der bleibt immer noch ein Mann!
Wenn er schreibt die Nummer eine,
Hat die Kreide oft zwei Beine –
Jeder hilft sich, wie er kann.
7. Sind in Arbeit wir gekommen,
Wirt die Reise unternommen,
Wo es hübsche Mädchen gibt.
Ach, wie viele süße Stunden
Hat so mancher schon empfunden,
Wenn er findet, was er liebt!
8. Wer in Unschuld Mädchen liebet
Und sie niemals hat betrübet,
Der empfängt den schönsten Lohn.
Muß er wieder von ihr scheiden,
Wird die Liebe bei ihm bleiben,
Denn im Herzen ist ihr Thron.
9. Darum nützt die Wanderjahre!
Wenn wir liegen auf der Bahre,
Reisen wir aus dieser Welt.
Jeder muß am besten wissen,
Wann er will sein Mädchen küssen –
Pflückt die Rose, eh’ sie fällt!
10. Alle Maurer sollen leben,
Zimmerleute auch daneben,
Die da bauen Kirch’ und Haus!
Steckt der Kranz erst auf der Spitze,
Schwenken wir den Hut, die Mütze.
11. Halten einen frohen Schmaus.
Unter diesem grünen Kranze
Führen Mädchen wir zum Tanze,
Jubeln, bis die Sonne scheint.
Und ein’n Kuß in allen Ehren
Kann ein Mädchen niemals wehren,
Wird von ihm auch nicht beweint!
Geschichte / Kommentar:
3. Der die Vöglein thut ernähren,
Wird Gesellen auch nicht wehren,
Wenn sie suchen Trank und Speis'.
Wir Gesellen müssen leben
Und der Bauer, der thut geben,
Wenn wir gehen auf die Reis'.
8. Unter diesem grünen Kranze,
Führen Mädchen wir zum Tanze,
Jubeln bis die Sonne scheint.
Und ein Kuß in allen Ehren
Kann ein Mädchen niemals wehren
Wird von ihr auch nicht beweint!
Quelle:
Fritz Ulrich, Der Wanderfreund. Hoch lebe das
ehrbare Handwerk, Altona, Oktober 1929, Nr. 193, S. 172, Dritte
verbesserte Auflage – Oktober 1929
Liederbuch des Nienburger Techniker-Vereins
"Hochbau". Nienburg 1896, Nr. 21, S. 27f