Trinklied der Studenten
1. Brüder, lagert euch im Kreise, trinkt nach
alter Väter Weise,
leert die Gläser, schwenkt die Hüte auf
der goldnen Freiheit Wohl!
2. Flur, wo wir als Knaben spielten, Ahnung
künft’ger Thaten fühlten,
Süßer Traum der Kinderjahre,
kehr’ noch einmal uns zurück!
3. Mädchen, die mit keuschen Trieben nur den
braven Burschen lieben,
Nie der Tugend Reiz entstellen, sei ein
schäumend Glas gebracht!
4. Deutschlands Jünglingen zu Ehren will ich
auch mein Gläschen leeren,
Die für Ehr’ und Freiheit fechten,
selbst ihr Fall sei heilig mir!
5. Männern, die das Herz uns rühren, uns
den Pfad der Weisheit führen,
Deren Beispiel wir verehren, sei ein dreifach Hoch
gebracht!
6. Brüdern, die vor vielen Jahren
uns’res Bundes Glieder waren,
die der Bund stets ehrt und liebet, sei ein
schäumend Glas geweiht!
7. Brüdern, die, befreit von Kummer, ruhn den
langen Grabesschlummer,
Weihn wir, der Erinn’rung heilig, diese
frohe Libation!
[8. Unterm Schatten heil’ger Linden werden
wir uns wiederfinden,
Wo sich Brüder froh umarmen in dem Hain
Elysiums.]
[9. Wenn ich deinen Kahn besteige, trauter Charon,
o so reiche
Mit nochmals den Labebecher für den letzten
Obolus!]
10. Weil uns noch die Gläser blinken,
laßt sie nicht vergebens winken,
Leert sie, Freunde! Schwenkt die Hüte auf der
goldnen Freiheit Wohl!
Geschichte / Kommentar:
Zu dem Trinklied der Studenten“ vermerkt
Franz Magnus Böhme:
Studentenlied. Zuerst gedruckt in „Ausbund
lieblicher Burschenlieder“. Altdorf 1794 Nr. 8. Dort aber hat das
Lied nur 5 Strophen mit dem Eingange: „Brüder, lagert euch
hernieder“. Später erst in G. W. Schneider’s
„Commerlieder“ Halle 1801 Nr. 1 hat es wie hier und im
Allgemeinen deutschen Commersbuch 10 Strophen, davon die 8. und 9.
schon längst nicht mehr gesungen werden. Jetzt in allen
Taschenlieder- und Commersbüchern.
Karl Hermann Prahl
schreibt bei der Aufarbeitung über Hoffmann
von Fallerslebens „volkstümlichen
Liedern“:
132. Brüder, lagert euch im Kreise. Vor 1794.
Studentenlied aus der zweiten Hälfte des 18.
Jahrh. Vf. unbekannt, obgleich im Deutschen
Liederkranz von G. Zanger, Neuwied u.
Leipzig o. J., irrtümlich C Haug als solcher genannt wird. Schon in Herkules
Raufseisens Akadem. Lustwäldlein , das ist Ausbund lieblicher
Burschenlieder. Altdorf 1794 Nr. 8 mit dem Anfange: Brüder, lagert
euch hernieder, zu 5 Str., später bis zu 12, so im Allgem.
Leipziger Commers- Liederb., Helmstedt u. Leipzig 1822 Nr. 3, im
Teutschen Liederbuch, Stuttgart 1823 Nr. 172 zehn, ebenso schon
in: Burschenlieder von Ernst Theodor Heinrich Melker, stud. juris
utriusque gesammelt zu Wittenberg 1808 Nr. 12. Melodie in: Mel. der
besten Commerslieder von J. G. W. Schneider. Halle 1801 Nr. 1.
Quelle:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895 Nr. 551,
S. 415.
Karl Hermann Prahl (Hrsg), Unsere
Volkstümlichen Lieder von Hoffmann von Fallersleben (4. Aufl.)
Leipzig 1900, Nr. 130, S. 31.
Liederbuch für die ehemaligen Mitglieder des
Feuerwerks-Personals, Berlin 1901. Nr. 30, S. 46 (10 Str.)
Dr. Karl Reisert, Deutsches Kommersbuch, Freiburg
1896, S. 99f. (8 Str.)