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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Arbeiter Bundeslied

1. Bet' und arbeit' ruft die Welt,
Bete kurz! denn Zeit ist Geld,
An die Thüre pocht die Noth -
Bete kurz! denn Zeit ist Brod.

2. Und du ackerst und du säst,
Und du nietest und du nähst,
Und du hämmerst und du spinnst -
Sag', o Volk, was du gewinnst!

3 Wirkst am Webstuhl Tag und Nacht,
Schürfst im Erz- und Kohlenschacht,
Füllst das Überflusses Horn,
Füllst es hoch mit Wein und Korn.

4 Doch wo ist dein Mahl bereit?
Doch wo ist dein Feierkleid?
Doch wo ist dein warmer Heerd?
Doch wo ist dein scharfes Schwert?

5 Alles ist dein Werk! o sprich,
Alles, aber nichts für dich!
Und von allem nur allein,
Die du schmied'st, die Kette dein!

6 Kette, die den Leib umstrickt,
Die dem Geist die Flügel knickt,
Die am Fuß des Kindes schon
Klirrt - o Volk, das ist dein Lohn.



7. Was ihr hebt an's Sonnenlicht,
Schätze sind es für den Wicht;
Was ihr webt, es ist der Fluch
Für euch selbst - in's bunte Tuch.

8. Was ihr baut, kein schützend Dach
Hat's für Euch und kein Gemach;
Was ihr kleidet und beschuht,
tritt auf euch voll Übermuth.

9 Menschenbienen, die Natur,
Gab sie euch den Honig nur?
Seht, die Drohnen um euch her!
Habt ihr keinen Stachel mehr?

10. Mann der Arbeit aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.

11. Deiner Dränger Schaar erblaßt,
Wenn du, müde deiner Last,
In die Ecke lehnst den Pflug,
Wenn du rufst: "Es ist genug!"

12. Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Noth der Sclaverei!
Brecht die Sclaverei der Noth!
Brod ist Freiheit, Freiheit Brod!
Andere Titel:  Arbeiterlied,
Text: Georg Gerwegh.,
Melodie: 1. Schleswig-Holstein meerumschlungen etc.
2. Peter Heinz
Noten:
Vorlage: P. B. Shelley „Men of England" (1819)
Kategorie:
Zeit: 1864, 19. Jh.,
Geschichte / Kommentar: 

In Mai 1863 fand die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins unter Führung von Ferdinand Lassalle statt. Um ein wirkungsvolles Werbemittel zu bekommen beauftragte Lassalle Georg Gerwegh ein „kämpferisches und zugkräftiges" Bundeslied zu schreiben. Es entstand das Lied: Bet' und arbeit', in dem Herwegh in Anlehnung an das Gedicht „Men of England" (1819), des englischen Dichters P.B. Shelley, in 12 Strophen die Situation der Arbeiter schildert.

Der Liedaufbau ist typisch für viele Lieder aus dem Umfeld der organisierten Arbeiterbewegung des 19.Jh.:

1. Die Schilderung der (meist negativen) Situation
2. Die Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben und die Nutznießer.
3. Die Lösung bzw. das Ziel.

Georg Herwegh mahnt in seinem Lied die Arbeiter aufzuwachen und ihre Macht zu erkennen mit dem inzwischen zum Symbol gewordenen Satz:
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will

Mit der kämpferischen letzten Strophe schlägt Herwegh neue Töne im Bereich des oppositionellen Liedes an:

Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!

Die früheste der zahlreichen Vertonungen schrieb Hans von Bülow 1863 unter dem Pseudonym „W. Solinger". Sie war aber wohl für die Chöre zu schwer und auch nicht zugkräftig genug. Bei Most und anderen Liederbuchherausgebern in den 1860er bis 1880er Jahre wurde die Melodie von Schleswig Holstein meerumschlungen unterlegt. Herweghs Dichtung ist im Verlaufe der Zeit von mehreren Komponisten neu vertont worden. Durchgesetzt hat sich jene Melodie, die Peter Heinz um die Jahrhundertwende dem Arbeiter-Turnerbund widmete.

Das Lied Bet` und arbeit` wurde von einem Mann geschrieben, dessen Name eng mit den revolutionären Ereignissen von 1848 in Baden in Verbindung steht. Die Ausstrahlung der hier aktiven Personen und ihrer Ideale wirkte noch bis in die späte Kaiserzeit hinein. Lieder und Gedichte aus dieser Zeit bilden einen wichtigen Bestandteil des Re-pertoires aus dem Umfeld der organisierten Arbeiterbewegung.


Quellen: 
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872, Nr. 6.
J. Franz, Sozialdemokratische Arbeiterlieder, Zürich, Leipzig und Wien  [um 1872], Nr. 6
J. Franz, Gedichte und Lieder freisinniger und besonders sozial-demokratischer Tendenz. Zürich, Mai 1872, Nr. 15.
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von verschiedenen Arbeiterdichtern. Gesammelt von Joh. Most, 3. verbesserte Aufl., Chemnitz 1873, Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei Lin-denstraße Nr. 1.  
Most's Proletarier-Liederbuch. In fünfter Auflage zusammengestellt und herausgegeben von Gustav Geilhof in Chemnitz, 1875, Nr. 1.
Sozialdemokratische Lieder und Deklamationen, Verlag der Volksbuchhandlung, 6. bedeutend vermehrte Aufl, Zürich, 1881, Nr. 13.
Sozialdemokratisches Liederbuch. 8. veränderte Aufl., Zürich, Verlag der Volks-Buchhandlung, 1885. Nr. 10.
Sozialdemokratisches Liederbuch. 10. Aufl., Verlag der Volksbuchhandlung, Hottingen-Zürich, 1887, Nr. 10.
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung revolutionärer Gesänge, 11. Auflage, German Printing and Publishing Co., London 1889. Nr. 10.
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung revolutionärer Gesänge, 12. Auflage, German Printing and Publishing Co., London 1889. Nr. 10.
Max Kegel's Sozialdemokratisches  Liederbuch 3. Auflage, (Verlag von J. K. W. Dietz) Stuttgart 1891, Nr. 3.
Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen, 21. Auflage. New-York 1894, Nr. 3.
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung revolutionärer Gesänge. Buchdruckerei des Schweiz. Grütlivereins, Zürich 1895, Nr. 13

Liederbücher nach 1900
Hermann Schlüter, Sozialistisches Arbeiter-Liederbuch Chicago, o. J. (ca. 1906),  Nr. 22.
Österreichisches Proletarier Liederbuch (110. bis 155. Tausend, 7. umgearbeitete Aufl.), Jubiläumsausgabe, bearbeitet von Heinrich Schoof, Wien 1914, S. 33.

Liederbücher nach 1918
Österreichisches Proletarier Liederbuch (116. bis 125. Tausend, 7. umgearbeitete Aufl.), Jubiläumsausgabe, Wien 1923 (62 Seiten), S. 20.
Arbeiter-Liederbuch für Massen-Gesang (501. bis 550. Tausend), Dortmund, 1921, S. 5
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, (451.-500. Tsd.), Berlin 1929, Nr. 7, S. 11
Josef Scheu, Arbeiter-Liederbuch für vierstimmigen Männerchor, 2. Heft, Dresden um 1900, Nr. 26, S. 1
Kampfgesang 1921 Nr. 25 S. 26 (12 Str.; Str. 4,1: "wo ist"


Spätere Einordnungen:
Inge Lammel, Peter Andert, Und weil der Mensch ein Mensch ist, Dortmund 1986, Nr. 34, S. 63 + 248
Inge Lammel, Das Arbeiterlied, Frankfurt am Main 1980, Arbeiterlied, S. 213:
Reinhard Dithmar, Arbeiterlieder 1844 bis 1945, Berlin 1993, S. (62 +) 228:


Tonbeispiele:
Augsburger Vokal-Ensemble (Leitung Christian Ridil), 1985
Herbert Fuchs (Die Falken), Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet …, Hamburg 2006, DIN A4, 64 S.


 
 
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