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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Der sterbende Reiter

1. Bei Sedan auf den Höhen
Da stand nach blutger Schlacht
Bei stillem Abendwehen
Ein Bayer auf der Wacht.

2. Die Wolken ziehn nach Osten,
Die Dörfer steh’n in Brand.
Sie leuchten durch die Fluren
Weithin ins ganze Land.

3. Er ging wohl auf und nieder
Schaut auf die todte Schaar,
Die gestern um die Stunde
Noch frisch und rüstig war.

4. Was jammert dort im Busche?
Was klagt in bittrer Noth?
„Gieb mir, Gott, zur letzten Stunde
Einen ruhig sanften Tod!“

5. Der Schütze schlich sich näher,
Da lag ein Reitersmann
Mit tiefer Todeswunde
Im Busche bei Sedan.

6. „Gieb Wasser, deutscher Kamerad,
Diese Kugel traf mich so gut.
Hier an dem Wiesenrande,
Da floß zuerst mein Blut.




7. Gewähre mir die Bitte,
Und grüß mir Weib und Kind:
Ich heiß’ Andreas Förster
Und bin aus Saargemünd.

8. Ich ließ mein Weib und Kinder
Daheim beim trauten Heerd,
Sie harren ihres Vaters,
Der niemals wiederkehrt.

9. Grab mich am Wiesenrande
Dort ein beim Morgenroth!“
Er sprachs und schloß ein Auge,
Der Reitersmann war todt.

10. Am hellen frühen Morgen
Grub ihm der Schütz das Grab,
Gab ihm viel Wiesenblumen
Und Zweige mit hinab.

11. Er machte auch ein Kreuzlein
Und schrieb die Wort drauf:
„Hier ruht ein tapfrer Reiter,
bis ihn der Herr weckt auf.“


Erk/Böhme III, Nr. 1386, S. 254f.

Andere Titel: 
„Der sterbende Reiter“, „Andreas Förster“
„Bei Sedan“
Text: unbekannt,
Melodie: unbekannt,
Noten:
[18-Reichswacht-096],
Vorlage:
Kategorie: Soldatenlied,
Vom Kaiserreich zum 1. WK, Deutsch-Französischer Krieg 1870-71,  Soldatenlied im 1WK,
Zeit: 1870/71, 1893, 1914-18,

Siehe auch: Johann Most: „Eine gestörte Sedanfeier
Geschichte / Kommentar: 

Das „Sedan-Lied“, schrieb der Gefreite Kurt Moser des Dresdner Schützen Regts. 108 am 29. Okt. 1870, als er auf einem Strohlager in der Kirche zu Villepinte keinen Schlaf finden konnte. Eine brennende Kerze „vor dem Muttergottesbild“ erinnerte ihn an diese Situation bei Sedan. (Künzig) Dort hatte „ein sterbender französischer Reitersmann die „heilige Gottesmutter“ angerufen“ und Moser um den im Lied geschilderte „Liebesdienst geben“. Der Dresdner Schütze schickte das Gedicht am folgenden Tag seinem Vater, dem Schriftleiter Otto Moser in Leipzig. Erstmals gedruckt wurde es in der Militärzeitschrift „Der Kamerad“, Nr. 46 vom Jahr 1870.

Dass das Lied anfänglich auf Sachsen beschränkt geblieben war, wie Künzig mutmaßt, können wir so nicht bestätigen. Dafür gibt es nicht aufreichend Quellen, um dieses These zu legitimieren. 1893 hatte Erk in der ersten Ausgabe des Deutschen Liederhorts fünf Versionen vorliegen, die auch in anderen Regionen nachgewiesen worden waren. Er erwähnt:

„a) aus dem sächs. Erzgebirge (Alfr. Müller Nr. 24); dieser Text hier, mit Ausnahme der Schlußstrophe.
b) aus dem Nassauischen 1880 durch Wolfram in Dillenburg.
c) aus der Wetterau 1892 durch Köhler Lugge.
d) aus dem Rheinlande, K. Becker Nr. 129.
Die Melodie bei den 3 Letztgenannten bis auf einzelne Noten gleichlautend.
e) Mit dem Anfange: „An der Weichsel, gegen Osten, da stand nach blutger Schlacht“ etx (Lewalter III, 43).“

Seine größte Verbreitung erfuhr das 7 und 11 strophige Lied aber während des Ersten Weltkriegs. Nehmen wir die älteste uns vorliegende Version von Erk-Böhme als Ausgangspunkt, ergibt sich folgendes Bild von den uns vorliegenden Versionen:

A. Erk-Böhme (1893) – 11 Stro.
B. K. Mühlmeister (ca. 1914) – 7 Str.
C. Lienau, Schwert und Leier (1914) – 11 Str.
D. Scherrer (1914) – 11 Str.
E. Kutscher (1916) – 11 Str.
F., Klabund (1916) – 10 Str.
G. Lewalter (1918) – 10. Str.
H. Weltkriegliedersammlung (1924) – 8 Str.
I. Künzig (1927) – 9 Str.
K Olt (1982) – Drei Versionen des DVA

Ausnahme:. K Olt (1982) – Version aus dem DVA 182

Die erste Strophe ist im Wesentlichen bei allen (eine Ausnahme: K2) identisch. Sie unterscheidet sich hauptsächlich in Form der handelnden Person. So ist es relativ neutral zweimal „ein Schütze“ ((D, E)
viermal ein Bayer (A, B, C, F), viermal ein Sachse (G, H, K1+3) und einmal ein Badner (I)

Die zweite Strophe ist ebenfalls im Wesentlichen bei allen identisch.

Von besonderer Bedeutung ist die dritte Strophe. Hier sieht die handelnde Person eine „Totenschar“ (mit leichten Abweichungen A, B, C, D, E, F) oder „Leichenschar (G) lediglich in den beiden Versionen des DVA, der Weltkriegssammlung und Künzig ist diese Strophe nicht vorhanden. Da sollte man sich schon die Frage stellen, wieso gerade dort, bestimmt doch die Darstellung eines massenhaften Tötens den Charakter des Liedes entscheidend und könnte Bestandteil eines Anti-Kriegsliedes sein.

In der vierten Strophe wird die handelnde Person aufmerksam, da es „rauscht dort im Gebüsche“ (G), meistens aber hört er etwas „wimmern“ (E, F, K1+3) oder „jammern“ (A, B, C, D, H, I). Der tödlich verwundete Soldat bittet „Gott“ (A, B, D, F), die „heil’ge Gottesmutter“ (C) oder einen „Todesengel“ (E, K1+3) um einen sanften Tod. Der Schütze, Bayer usw. (Strophe 5) nähert sich dem verwundeten (alle, außer G, H). Dieser bittet um etwas Wasser (Strophe 6) Für die Beachtung der politischen Aussage des Liedes dürfte hier die Benennung der handelnden und der verwundeten Person sein, handelt es sich ja um eine Szene des Krieges zwischen u. a. Deutschland und Frankreich. Der Verwundete spricht ihn mit „Kamerad“ (K1+3), „Deutscher Kamerad“ (A, B, D, E, F, H) oder „Deutscher Bruder“ (C) an.

In der siebten, teilweise bereits in der sechsten oder erst in der achten Strophe erfahren wir dann, nachdem er um Wasser bat, um wen es sich bei dem tödlich verwundeten handelt. Es ist Andreas Förster aus Saargemünd. (A, B, C, E, F, I, K1), Saargemünd gehörte zwischen 1871 und 1918 als Teil von „Elsass-Lothringen“ zum deutschen Reich.

In der achten Strophe, in der der verwundete Soldat noch Frau und Kind gedenkt, die zu hause auf ihren Vater waren „der niemals wiederkehrt“ (A, C, D, H, F, G, K3), wird die ganze Menschenverachtung des Krieges deutlich. In der Version B (Mühlmeister) fehlt diese Strophe, ebenso bei Künzig (I), die dafür aber eine letzte (9.) Strophe angehängt haben, in der es in beiden Fällen identisch heißt:

10. Eines Abends sprach sein Söhnlein: / „Kommt mein Vater noch nicht bald?“
„Ja, dein Vater liegt begraben / Bei Sedan wohl auf der Höh.“1

In allen Fällen wird pflanzt der Soldat ein Kreuz und Blumen auf das Grab.


Zur Melodie
Eine überwiegend ähnliche Melodie ist bei den Quellen A, D, E, G, I aufgezeichnet. Die Angaben zur Herkunft sind unterschiedlich. So gibt EB an „Nassauich, Oberhesse, Rheinland“ (A), Scherrer gibt Hessen und Rheiland (D) an, Kutscher gibt keine Herkunft an (E), Lewalter „Soldatenlied aus 1870“ und Künzig vermutet, dass die Melodie dem Tiroler Lied  „Horch, Marthe, draußen pocht es“ entlehnt worden sei.


Die Melodie wurde übernommen
Erk-Böhme meinen, dass es „zwischenzeitlich auch der Übernahme der Melodie auf andere Lieder (z. B. zu Prießnitz an der Elbe / Da steht ein Pulverhaus…) kam.


Titel:
Erk-Böhme haben dem Lied den Titel „Der sterbende Reiter“ gegeben. Die häufigste Form der Betitelung besteht aus der Übernahme der Anfangszeile, wenn es überhaupt einen Titel gibt. Lediglich Lewalter hat es „Andreas Förster“ genannt und eine Kurzform „Bei Sedan“ wählten Linau (Schwert und Leier – C) und künzig (I).


Das Lied „Bei Sedan“ kann also einfach ein Soldatenlied oder je nach Auswahl der Strophen auch ein Anti-Kriegslied sein. Wenn also die Strophen, die auf den Irrsinn des Krieges aufmerksam machen (Strophen 2, 3 und 8 oder die zweimal angehängte Strophe („harren des Vaters“) mit gesungen wird, erfüllt es diese Kriterien.



Die Pro-Kriegsfassung
Ein Besonderheit soll nicht verschwiegen werden. Reinhard Olt, der seine interessante Arbeit aus den Materialien des Deutschen Volksliedarchivs (Nr. 182) geschrieben hat, dokumentierte auch diese Version:

1. Bei Baupré wohl auf den Höhen; / Stand die vierte Division;
Braune Turkos konnt’ man sehen; / Aber keine schwer’ Kanon’,

2. Die Wolken ziehen nach Osten, / Und das Forsthaus steht in Brand;
Und die Turkos wollt’ rüber; / Doch wir Bayern hielten Stand;

3: Lauernd lagen uns’re Bayern / Bei Geschütz und bei Gewehr,
|: Ruhig eines Angriffs wartend, / Als ein Glied im deutschen Heer, :|

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