Fahnenlied.
1. Auf, und laßt die Fahne fliegen,
Uns zu guter Grund' geweiht,
:/: Laßt in Lüften sie sich wiegen,
Kühn voran dem Geist der Zeit; :/:
Laßt sie stolz im Frühlingshauche,
Wie in Herbstes Stürmen weh'n,
:/: Und uns stets nach Männer Brauche
Fest und treulich zu ihr stehn! :/:
2. Schlachtenroth ist ihre Farbe,
Grüßend als des Kampf's Signal,
:/: Daß fortan nicht länger darbe
Machtlos uns'rer Brüder Zahl; :/:
Daß die Schwielen fleiß'ger Hände
Nicht der Knechtschaft Zeichen mehr,
:/: Und die Nacht sich endlich wende
Uns bedrückend dumpf und schwer. :/:
3. Mög' ein Lorbeerkranz einst prangen
Mitten in dem Schlachtenroth,
:/: Wenn die Blüthen aufgegangen
Uns'rer Saat für Recht und Brod; :/:
Wenn der Freiheit Zeichen strahlen
Siegreich über List und Trug,
:/: Und gen bitt're Armuth Qualen
Der Enterbten Trommel schlug. :/:
4. Auf und laßt die Fahne fliegen,
Proletarier eilt heran,
:/: Ob wir fallen, ob wir siegen,
Wahrt sie bis zum letzten Mann, :/:
Wahrt sie, ein Panier zur Liebe,
Wahrt sie ein Panier zum Zorn,
:/: Drans dereinst mit mächt'gem Triebe
Quillt des Glückes gold'ner Born! :/:
Geschichte / Kommentar:
Dieses martialische Kampflied ist typisch für
die Übernahme so genannter „deutscher Tugenden“ in
Verbindung mit einem verbalen Militarismus jener Phase. Geschrieben
wurde es von August Geib auf die Melodie
„Vaterlandssänger“ („Auf, Brüder,
laßt uns wassen“), die J. H. Stuntz 1830 der „Weise
des Wahlhallaliedes von E. Förster“ (Silcher) nachempfand.
Quellen:
1. Johann Most, Neuestes
Proletarier-Lieder-Buch von verschiedenen Arbeiterdichtern, 3.
verbesserte Aufl., Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei
Lindenstraße Nr. 9, Chemnitz 1873, Nr. 19
2. Gustaf LInke, Zeitgemäße
Volkslieder und Gedichte, Dresden 1872. (Laut Inge Lammel,
Bibliographie der deutschen Arbeiterliederbücher 1833-1945, S. 32
Nr. 154 wurde das Buch am 1.2.1872 verboten. Eine andere Aufl. erschien
1878.) Nr. 9, S. 15
3. Max Kegel's Sozialdemokratisches
Liederbuch, Stuttgart 1891 (3. Aufl.), Nr. 4, S. 8
4. Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung
sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen. Einunszwanzigste,
bedeutend vermehrte Auflage. New-York 1894, Verlag von Brausewetter
& Benedix, Alt-Bitamo, Druck von William Lehmann, 7. Avenue 596.,
Nr. 17, S. 21.
Arbeiter-Liederbuch für Massen-Gesang, Verlag
von Gerisch & Co., G.m.b.H. Dortmund. 501 bis 550. Tausend. [1921],
S. 15f.