Aufruf
Auf, Proletarier, Arbeitsleute!
Auf, die ihr wirket Tag und Nacht!
Auf, Brüder, muthig in die Schlacht!
Verlasset jetzt die Arbeitsstätten
Landmann, verlasse deinen Pflug!
Es ist gewirkt, geschafft genug –
Wir wollen uns befrei’n von Ketten.
Aus, Proletarier all! Das Wort ist bald gethan!
Steht Mann für Mann! Es kommt zum Fall
–
Der Freiheit Tag bricht an.
Seht, Brüder, seht der Blitze Glühen.
Hört der Kanonen dumpfen Klang.
Von Nord, Süd, West und Osten ziehen
Die Proletarier all’ entlang.
Auf, lasset uns vereint verdammen
die Ungerechtigkeit der Welt:
Fluch den, der sie noch aufrecht hält,
stürzet den Lügenbau zusammen!
Auf, Proletarier all’! Das Werk ist bald
gethan!
Steht Mann für Mann! Es kommt zum Fall
–
Der Freiheit Tag bricht an.
Frisch, Brüder, greifet zu den Waffen!
Uns mahnt zum Kampf die heil’ge Pflicht.
Laßt durch das Schwert uns Recht
verschaffen,
das letzte Heil im Schwerte liegt.
Wir wollen länger nicht entbehren,
was unser Fleiß hervorgebracht,
nicht darben mehr, dieweil in Pracht
von unserm Mark sich Drohnen nähren
Auf, Proletarier all’! Das Werk ist bald
gethan!
Steht Mann für Mann! Es kommt zum Fall
–
Der Freiheit Tag bricht an.
Wie auch das Schicksal sich mag wenden,
steht fest vereint in Kampf uns Schlacht:
Die Waffen legt nicht aus den Händen,
bis daß der Freiheit Werk vollbracht.
Despoten, die vereint begangen
der Völkerfreiheit blut’gen Mord,
die lasset zum Exempel dort
am Galgen für die Nachwelt hangen.
Auf, Proletarier all’! Das Werk ist bald
gethan!
Steht Mann für Mann! Es kommt zum Fall
–
Der Freiheit Tag bricht an.
Auf, Proletarier-Millionen,
auf, in den letzten heil’gen Krieg!
Stürzt die Bastillen, Kerker, Kronen.
Noch einmal schört: Tod oder Sieg!
Kämpft, Brüder, in den ersten
Reihen,
der Freiheit fließe unser Blut;
Seht in die Schlacht mit Todesmuth
es gilt die Menschheit zu befreien
Auf, Proletarier all’! Das Werk ist bald
gethan!
Steht Mann für Mann! Es kommt zum Fall
–
Der Freiheit Tag bricht an.
Geschichte / Kommentar:
Eines der frühen Texte auf die Marseillaise
aus dem Jahr 1849 von dem Schuhmacher Heinrich Bauer, Mitglied der
Zentralbehörde des „Bundes der Kommunisten. Abgedruckt war
der Text 1850 im „Neujahrs-Almanach für Unterthanen und
Knechte“.
Es ist wieder ein Lied, das sich unseren Quellen
zufolge in der zweiten Hälfte des 19. Jh. nur in den
Liederbüchern der Migranten (Zürich, London, Chicago) befand.
In den wenigen späteren Nachbetrachtung ist
diesmal auch Inge Lammel vertreten. Einmal - 1957 - allein bei den
Lieder zum Thema „1848“ und außerdem zusammen mit
Peter Andert im Jahr 1986. In beiden Fällen fehlt die vierte
Strophe. Obwohl es bereits in der dritten Strophe heißt
„greifet zu den Waffen“, war der erneute Aufruf zu den
Waffen mit der Aufforderung die Despoten an den Galgen zu bringen wohl
etwas zuviel Realismus.
Quellen:
Sozialdemokr. Ldb. 8. Aufl., Zürich, 1885,
Nr. 22, S.
Sozialdemokr. Ldb. 12. Aufl. London 1889, Nr. 27,
S. 41ff.
Schlüter, Arb-Ldb, Chicago 1906, Nr. 44, S.
72ff.
Spätere Aufarbeitung und/oder Analyse
Inge Lammel, Lieder der Revolution von 1848, Das
Lied im Kampf geboren Heft 1, Leipzig, 1957,
Lammel/Andert, Und weil der Mensch ein mensch ist,
Dortmund 1986, Nr. 26, S.50f.
Reinhard Dithmar, Arbeiterlieder 1844 bis 1945,
Berlin 1993. S. 27f.