Die Rudelsburg
1. An der Saale hellem Strande
stehen Burgen stolz und kühn;
ihre Dächer sind zerfallen,
und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen drüber hin.
2. Zwar die Ritter sind verschwunden,
Nimmer klingen Speer und Schild:
Doch dem Wandersmann erscheinen
In den altbemoosten Steinen
Oft Gestalten zart und mild.
3. Droben winken holde Augen,
Freundlich lacht manch roter Mund:
Wandrer schaut wohl in die Ferne,
Schaut in holder Augen Sterne,
Herz ist heiter und gesund.
4. Und der Wandrer zieht von dannen,
Denn die Trennungsstunde ruft;
Und er singet Abschiedslieder,
Lebewohl tönt ihm hernieder,
Tücher wehen in der Luft.
Geschichte / Kommentar:
Das Gedicht schrieb der Maler Prof. Dr. Franz
Kugler 1826. In der Ausgabe seiner Gedicht 1840 ist bemerkt:
„1826 in einer schönen Sommernacht auf einen Tisch der
Rudelsburg geschrieben und von einem kleinen Kreis fröhlicher
Studenten zuerst gesungen und weiter verbreitet. Gedruckt zuerst in
„Kügler’s Skizzenbuch“. Berlin 1830 S. 162 (ohne
Melodie); dann im „Liederbuch für Künstler“ 1833
S. 162.
Die Melodie ist die von F. E. Fesca 1823 zur
Soldatenabschiede: „Heute scheid’ ich“. Franz Magnus
Böhme meint dazu: „Sie hat in Studentenliederbüchern
arge Entstellung durch chromatisch-heulende Intervalle erfahren, wie
die zweite Lesart darthut.
Eine hübsche und sehr verbreitete Umbildung
des Kuglerschen Textes lautet:
1. An des Rheines grünem Strande
Stehen Burgen stolz und kühn.
Ihre Mauern sind zerfallen,
Und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen drüber hin.
2. Zwar die Ritter sind verschwunden,
Nimmer tönet Speer und Schild,
Doch dem Wanderer erscheinen
Aus bemoosten alten Steinen
Nachtgestalten zart und mild.
3. Drüben winken schöne Augen,
Freundlich lacht manch’ rother Mund;
Und der Wandrer steht von Ferne,
Schaut in der blauen Äuglein Sterne,
Herz ist heiter und gesund.
4. Doch der Wandrer zieht von dannen,
Von den Brüdern fortgebannt,
Und er singet Scheidelieder,
Zieht zur Heimath, kehrt nicht wieder
Zu des Rheines grünem Strand.
So am Rhein von Studenten und vom Volke gesungen,
wie mich die vielfachen Niederschriften in Liederheften von dort in
Beckers handschriftl. Sammlung lehrten. Noch eine andere bessere Lesart
der Melodie aus Volksmund bei Becker, Rhein. Volksliederborn Nr.
143.“
Auf die Melodie geschrieben
Quelle:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895, Nr. 527,
S. 393f.
Friedrich Silcher u. Friedrich Erk, Allgemeines
Deutsches Commersbuch, Lahr 1919, Nr. 349, S. 318. (Singw.: Heute
scheid ich)
Dr. Karl Reisert, Deutsches Kommersbuch, Freiburg
1896, S. 288.