Arbeiterliedarchiv
Lancken
„Als die Kunden frech geworden.“
Als die Kunden frech geworden,
zogen sie nach Spaniens Norden,
Alles wurde abgekloppt
abgedalft und auch gezoppt
in hispanschen Landen.
Und der Konsul von Germanien
schubbt die Kunden jetzt von dannien
von Gibraltar nach Tanger.
O, das fiel den Kunden schwer
in dem Land Marokko.
In den marokkanschen Landen
sie sehr miese Winden1 fanden,
und in der Verzweiflung dann
dalften sie den Sultan an:
Sechzehn deutsche Kunden.
Und der Sultan Hassan Mubeh
zog sein riesiges Porte monaie,
jedem gab er hundert franc,
und sie sagten „Schönen Dank“
zogen froh nach Algier.
An Algerien angekommen
wurde alles hopp genommen,2
die franzö’sche Putzerei3
sprach: „Das ist ‘ne Schweinerei
mit den Sales prusiens her.“
In der Penne4 angekommen
wurden sie alle hochgenommen,5
kam’n ins Kittchen6 nun hinein,
da gabs weder Schnaps noch Wein:
o ihr armen Kunden.
Stark gefesselt und gebunden
wurden unsre armen Kunden
von Gensdarmen eskortiert
und gezwungen transportiert
auf den Schubb7 nach Tunis.
Im tunesischen Reviere
kam auch gleich die türk’sche Schmiere8
brachte sie zum Kubub9 hin,
und der sprach mit trübem Sinn:
sechzehn Stück auf einmal!
Doch er fühlt ein menschlich Rühren,
ließ ins Konsulat sie führen,
essen gab er ihnen und
machte ihnen dann noch kund:
morgen geht es weiter.
Und die Kunden ohne Sorgen
standen auf amnächsten Morgen,
und nach Alexandria
nach Ägypten fuhr’n sie da
zu den Pyramiden.
Ach das war ‘ne wahre Schande
in dem Pharaonenlande,
alle waren ohne Kies10
und der Kubub, o wie mies:
schmiß sie auf die Straße.
Und die 16 deutschen Mannen
zogen tiefgekränkt von dannen,
und nach Kairo stand ihr Sinn,
nach den Pyramiden hin
und der großen Sphinx.
Nun in Kairo angekommen
wurde alles hopp genommen,
und der deutsche Hilfsverein
sprach: „Das ist zum Himmelschrei’n
Mit den Vagabonden.“
Pastor Wedemann, der Vorstand
sprach: „Das ist ‘ne wahre Schande;
hier habt Ihr vom Hilfsverein
ein Billet für Finkelstein11
laßt Euch nie mehr sehen.“
Nun bei Finkelstein als Gäste
schmorten12 uns’re Kunden feste,
und es dalfte grauenhaft
jetzt die edle Kundenschaft
bei den Pyramiden.
Als die Luft wurde zu heiße,
setzten sie nun fort die Reise,
über Ismaelia
zogen sie nach Catara
über den Kanale.
In der Wüste nun 8 Tage
o! das war ‘ne große Plage;
ja, es war kein Kinderspiel,
wenig Wasser, Hitze viel
und dann nachts die Platte!13
Und in Jaffa angekommen
wurde der Kubub hopp genommen
alles war so ziemlich duft,14
dalfen konnten sie sich Kluft15
und noch ein’gen Schmorkies.16
Nach den schwäbschen Kolonien
taten auch die Kunden ziehen,
dalfen, zoppten, machten schmal
und im Wölffelschen Lokal.
schmorten sie in Eintracht.
Nach Jerusalem auch reisten
unsere Kunden, und sie speisten
in Hospiz und Klöstern viel
und benutzten als Asyl
nachts die Grabeskirche.
Auch zum Bayerschen Asyle
kamen unsrer Kunden viele,
essen gabs und Trinken getzt
und dann noch zu guter letzt
Reis in großer Menge.
Eins nur macht den Kunden grauen:
dem Konsul ist nicht zu trauen;
mancher ging hier schon verschütt,
der alljetzo sitzt im Kitt-
chen auf längere Zeiten.
Und der dieses Lied erfunden
einer war es dieser Kunden,
und im Kittchen sitzt er jetzt,
klimawechsels ‘rein versetzt
........... ist sein Name.
Text: ehemalige
Orientkunden,
Worterklärung
1
schlecht gehende Häuser
2
scharf angebettelt
3
Polizei
4
Herberge
5
verhaftet
6
Gefängnis
7
zwangsweise
8
Beamtenschaft
9
Konsul
10
Geld
11
Finkelstein = Hotel de la
patrie in Kairo
12
tranken
13 Im
Freien schlafen
14
gut
15
Kleidung
16 Geld
zum Vertrinken
Geschichte / Kommentar:
Als die Kunden freche geworden hat Hans Ostwald
von ehemaligen „Orientkunden“ übernommen. Die Melodie
hatte 1875 L. Teichgräber auf V. v. Scheffels 1847 Beschreibung
der Teutoburger Schlacht „Als
die Römer frech geworden“ („Quinetilius Varus“) geschrieben.
Fritz Ulrich hat 1929 noch eine Version dokumentiert, die sich in
Deutschland abspielt.
Version nach Fritz Ulrich:
1. Als die Kunden frech geworden,
sim serim sim sim sim sim,
Zogen sie nach Deutschlands Norden, sim…
Einer mit dem Stenz voran, teteretetete,
Hat so mieße Trittchen an, teteretetete.
O ihr duften Kunden,
wau wau wau wau wau wau,
Oh ihr duften Kunden, schnedderengteng
schnedderengten, schnedderengteng, teretengteng.
2. Kommt man in ein Kaff hinein, sim serim usw.
Hört die Bauern man gleich schrei’n:
„Kunde, Du muß weiter’ gehen,
Waren hier schon mehr als zehn,
Lauter dufte Kunden!“
3. Kommt man in die Stadt hinein,
Ist der Putz gleich hinterdrein:
„Kunde, was hast Du gemacht!
Hast getalft und schmal gemacht!
Marsch mit Dir ins Kittchen!“
4. Kommt man dann ins Kittchen ’nein,
Labt sich dort am Gänsewein,
Kriegt dazu drei Tage Knast,
Aussicht auf die Winde fast.
Hol’s doch gleich der Teufel!
5. Aus dem Kittchen wieder raus,
Tippeln wir zum Stadttor ’naus;
Nehm’n in Strohberg dann Quartier,
Trocken Hanf und Trippelbier
Sind uns Raritäten.
6. Als die Kunden frech geworden,
Zogen sie nach Deutschlands Norden,
Machten aber bald zurück;
Hatten droben gar kein Glück,
Noch weniger als im Süden.
Quelle:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein, Bd. 2,
Leipzig / Berlin 1904, S. 47f.
Der Wanderfreund. Fritz Ulrich's gesammelte
Handwerker-, Wander- u. Arbeiterlieder, Altona-Hamburg, 1929, Nr.
19, S. 22f.,
Disco
Peter Rohland, Landstreicherballaden, Thorofon FTH
154 A6