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Das hungernde Kind

Version 1: Erk, Liederhort Nr. 20, S. 63

1. „Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gib mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst säen geschwind.“  
 
2. Und als es nun gesäet war,
schrie das Kind noch immerdar:
„Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst schneiden geschwind.“  
 
3. Und als das Korn geschnitten war:
schrie das Kind noch immerdar:
„Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst ernten geschwind.“  
 
4. Und als das Korn geerntet war,
schrie das Kind noch immerdar:
„Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst dreschen geschwind.“  
 
5. Und als das Korn gedroschen war,
schrie das Kind noch immerdar:
„Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst mahlen geschwind.“  
 
6. Und als das Korn gemahlen war,
schrie das Kind noch immerdar:
„Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind“
Wir wollen erst backen geschwind.“  
 
7. Und als es nun gebacken war,
Lag das Kind schon auf der Todtenbahr.  

Das hungernde Kind

Version 2 (EB 1 Nr. 189a, S. 579ff.)

1. „Ach Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind,
wir wollen erst noch säen geschwind.“

2. Und als es nun gesäet war,
schrie das Kind noch immerdar:
„Mutter ach Mutter! es hungert mich,
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind,
Morgen wollen wir schneiden geschwind.“

3. Und als das Korn geschnitten war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich.“
„Warte nur, mein liebes Kind,
Morgen wollen wir dreschen geschwind

4. Und als das Korn gedroschen war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich.“
„Warte nur, mein liebes Kind,
Morgen wollen wir mahlen geschwind.“

5. Und als das Korn gemahlen war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter! es hungert mich,
gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur, mein liebes Kind,
Morgen wollen wir backen geschwind.“

6. Und als das Brot gebacken war,
Lag das Kind auf der Todtenbahr.

Andere Titel: 
Text: unbkeannt,
Melodie: unbkeannt,
Noten: [EB1-189a];
[EB2-189b]; [Zuccalmaglio1]; [Zuccalmaglio2];
Vorlage:
Kategorie:
Zeit: 1806/8, 1856
 
Geschichte / Kommentar: 

Ein Lied, das manchmal auch mit „Mutter, ach Mutter“ beginnt und dessen Herkunft noch nicht geklärt ist. Die älteste uns vorliegende Quelle ist die Version aus des Knaben Wunderhorn von 1806/8, ihr folgt Franz Magnus Böhme zufolgen die Version, die „durch Dr. Hohnbaum zu Hildburghausen in Seckendorf’s Musenalmanach für 1808 abgedruckt worden war. Danach soll Ludwig Uhland die folgenden Strophen übernommen haben:


Version 3: Hohnbaum / Uhland, (ohne Noten)
1. Mutter, Mutter! es hungert mich, / gib mir brot, sonst stirb ich!’
‚warte nur, mein liebes kind! / morgen wollen wir säen.’

2. als es nun gesäet war / sprach das kind noch immerdar:
‚mutter, mutter’ es hungert mich, / gib mir brot, sonst sitrb ich!’
‚warte nur, mein liebes kind! / morgen wollen wir schneiden.’

3. als es nun geschnitten war / sprach das kind noch immerdar:
‚mutter, mutter! es hungert mich, / gibt mir brot, sonst sitrb ich!’
‚warte nur mein liebes kind! / morgen wollen wir dreschen.’

4. Als es nun gedroschen war / sprach das kind noch immerdar:
‚mutter, mutter es hungert mich, / gib mir brot, sonst stirb ich!’
warte nur, mein liebes kind! / morgen wollen wir malen.’

5. Als es nun gemalen wrar / sprach das kind noch immerdar:
‚mutter, mutter! es hungert mich, / gib mir brot, sonst stirb ich!’
‚warte nur nur, mein liebes kind! / morgen wollen wir backen.’

6. Als es nun gebacken war / lag das kind auf der totenbar.


Die Geschichte die erzählt wird ist der übliche landwirtschaftliche Vorgang des Korn Säens und Erntens. Es beginnt mit dem Säen, es folgt das Schneiden, Ernten, Dreschen, Mahlen und Backen (In einigen Versionen wurde das Ernten ausgelassen). Was das Lied mit der Dramatischen Erzählung bezweckte liegt allerdings noch im Dunkeln.

Bemerkenswert ist auch der Hinweis von Ludwig Erk „So hörte ich auch in meiner Kindheit das Lied in Thüringen sprechen (nicht singen)“. (Erk I. 3, 57) Da verschiedene Melodien vorliegen, ist diese Bemerkung zumindest sonderbar.
(Noten nach EB1-189a / Noten nach EB1-189b)

Böhme zitiert noch Mittler 43 mit der Bemerkung „Vielfach in Schullesebüchern und Kinderbüchern zu finden“. Das könnte zumindest auf eine pädagogische Maßnahme hindeuten. Es soll auch ein „ähnliches Lied vom Flachs“ gegeben haben (Mittler, S. 912; Simr. 407).

Man ist geneigt zu sagen „natürlich“ hat Zuccalmaglio eine „eigene“ (?) Version „vom Niederrhein“ eingebracht. [Version 4: Kretzschmer Nr. 352 [Zuccalmaglio1]; [Zuccalmaglio2];

Abschließend noch die Version 5 von 1878 aus Schönbeck an der Elbe (EB1-189b).

1. „Mutter, ach Mutter, es hungert mich, / Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
„Warte nur mein Kind, / morgen wolln wir sä’n geschwind.“
Und als das Korn gesäet war, / da sprach das Kind noch immerdar:

2. „Mutter, ach Mutter, es hungert mich, / Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
„Warte nur mein Kind, / morgen wolln wir ernten geschwind.
Und als das Korn geerntet war, / da sprach das Kind noch immerdar:

3. „Mutter, ach Mutter, es hungert mich, / Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
„Warte nur mein Kind, / morgen wolln wir dreschen geschwind.
Und als das Korn geerntet war, / da sprach das Kind noch immerdar:

4. „Mutter, ach Mutter, es hungert mich, / Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
„Warte nur mein Kind, / morgen wolln wir mahlen geschwind
Und als das Korn gesäet war, / da sprach das Kind noch immerdar:

5. „Mutter, ach Mutter, es hungert mich, / Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
„Warte nur mein Kind, / morgen wolln wir backen geschwind.“
Und als das Brot gebacken war, / da lag das Kind auf der Todtenbahr.


Quelle
L. A. v. Arnim und Clemens Brentano, Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, Leipzig 1806. Neu aufgelegt v. Eduard Grisebach, Berlin Charlottenburg 1906, S. 333f.
Ludwig Erk, Deutscher Liederhort, Berlin 1856, Nr. 20, S. 63f.
Erk-Böhme, Deutscher Liederhort. Bearbeitung von Erks Liederhort nach seinem handschriftlichen Nachlasse und auf Grund eigener Sammlung von F. M. Böhme. 3 Bde. Leipzig 1893/94.
Erks Deutscher Liederschatz, eine Auswahl der beliebtesten Volks-, Vaterlands-, Sodaten-, Jäger-, Studenten- und Weihnachtslieder für 1 Singstimme mit Pianobegleitung. Bd. 1-3. Leipzig (Peters) o.J. Neu durchgesehen, vermehrt und mit Anmerkungen versehen von Max Friedländer.  Bd. 1
Luwig Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder mit Abhandlung und Anmerkungen, Stuttgart und Berlin (Einleitung von Hermann Fischer) Bd. 1, S. 175f. Quellen in Bd. 1, S. 291: Nr. 119. Das hungernde Kind.
Seckendorfs Musenalmanach f. 1808, S. 32. (Vgl. die deutsch. Volkslieder etc. von L. Erk und W. Irmer Heft 3, S. 52).

 
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