Fernsprecherin
Weise. Da streiten sich die Leut’ herum
1. Heut’ muß in’s Leben
kühn hinaus
Der Mann nicht nur allein:
Die Frau, gebunden einst an’s Haus,
Tritt in die Reihen ein.
Sie rechnet, schaltert, registrirt,
Spielt „schneidg“ ihrn Skat;
:,: Sie reitet, radelt ungenirt –
Wird Heilsarmeesoldat. :,:
2. Wollt wissen ihr, wer nun erwählt
Das beste Theil wohl hat?
Wir sind’s die Worte ungezählt
„Fernsprechen“ durch den Draht, -
Die unermüdlich Stund’ um Stund’
Nach echter Frauen Ar
:,: „Vermitteln“, was der eine Mund
dem andern offenbart. :,:
3. Wir stricken auch, wie Frauen thun,
Am großen Fernsprechnetz;
Wir weben, ohne je zu ruh’n,
Von Königsberg bis Metz,
Vom Ural bis zum Weltenmeer
Und weiter ohne Wahl
:,: Die Fäden die den Weltverkehr
Beleben ohne Zahl. :,:
4. „Verbindung“ mit ‚’nem
braven Mann
Wünscht meist ein Mädchen sehr,
Drum stellen wir, soviel man kann,
Verbindung täglich her;
Doch diese vortheilhaft sich zeigt
Vor jener ganz gewiß,
:,: Weil sie zu „trennen“
kinderleicht,
Wenn falsch sie sich erwies. :,:
5. Nach bester Kraft so wirken wir
Am Webestuhl der Zeit,
Treu dem Berufe für und für
Und fest in Freud’ und Leid.
Ein Lebehoch drum unserm Stand
Und wer ihm angehört!
:,: Vor allen andern bleib’ im Land.
Er immer hochgeehrt. :,:
Emma Glaß, Berlin.
Tempora mutantur (S.
685f.)
(Noten)
1. Traumverloren in der Ferne
liegt die gold’ne, gold’ne Zeit,
als am Himmel wir die Sterne
irdischer Glückseligkeit.
Anders ist die Welt geworden,
holde, holde Weibeszier.
kämpft um Freiheit, Recht und Orden,
Arbeit, Arbeit das Panier.
2. Weil wir uns’rer gar so viele –
Leider Segens Ueberfluß –
Wurden bitt’rer Ernst die Spiele
Und der freie Wille „muß“.
Schwestern, die wir hier vereinet,
Auf uns selbst gestellt,
Haben darum nicht verneinet
Diese schöne Welt.
3. Kargte sie mit Liebesglücke,
Gab die Welt uns Freiheit hoch.
Frei liegt vor dem hellen Blicke
Darum uns’re Zukunft noch.
Wem Gesundheit ward gegeben,
Hadre mit dem Schicksal nicht;
Frei sein und gesund – welch’ Leben,
Und wir leicht wird uns die Pflicht!
4. Kannst du selbst auch nicht gestalten
Eig’nes Werk mit Schaffenslust,
Deine Kraft nicht frei entfalten,
Sei doch deines Werth’s bewußt.
Nicht nur, wer mit eignem Willen
Waltend schafft, nützt seiner Zeit,
Nein, auch die die nur der stillen
Arbeit „dienend“ sich geweiht.
5. So wirkt selbst im kleinsten Werke
Jeder für sich eine That;
Dies sei Trost uns, sei uns Stärke,
Wenn wir einsam ohne Rath.
Hat das Glück dich übersehen,
Füg’ dich in Zufriedenheit;
Mag’s auch manchen besser gehen,
Gönn’ es ihnen ohne Neid. –
6. Frei die Blicke und im Herzen
Wahr’ dir frohen Lebensmuth,
Off’ne Hand, der Armuth Schmerzen
Lindernd mit dem eignen Gut,
Und der Pflicht stets treu ergeben.
Wenn man so noch wirken kann,
Lohnt es sich schon noch zu leben
Froh und frei auch ohne Mann.
Keine Verfasserin genannt!
In dem uns vorliegenden Liederbuch hat eine uns
unbekannte Person handschriftlich einen Namen ergänzt: Emilie
Nitsche, Berlin
Frühlingsgruß. (S. 686f.)
Weise: Morgen müssen wir verreisen
1. Wenn der Winter ist vergangen,
Frühlingshauch belebt die Welt,
Wenn die Knospen üppig prangen,
Streifen wir durch Wald und Feld.
2. Alles duftet, grünt und blühet,
Prangt im frischen Frühlingskleid;
Himmelslicht darüber glühet,
Vöglein singen weit und breit.
3. Und die Bäche lustig fließen
Durch die Thäler von den Höh’n,
Thu’n, als wollten sie uns
brüßen,
Feiern so ihr Aufersteh’n.
4. Laut dann jubeln uns’re Herzen,
Ganz erfüllt von Seeligkeit;
Und vergessen sind die Schmerzen,
Ird’sche Qualen, ird’sches Leid.
5. Lasset fröhlich uns drum singen,
Jetzt ein Lied voll Lenzesfreud’;
Laßt es lebensfroh erklingen:
Sei gegrüßt, du
Frühlingszeit!“
Selma Grasemann, Berlin