Mai.
1. Der Mai ist da, in seiner Pracht
Das hoffnungsreiche Grün
Uns frühlingsfrisch entgegenlacht
Und alle Blüm’lein blüh’n.
Melodisch schlägt die Nachtigall,
Die Vögelein, sie singen all’.
2. Da schleicht in’s wunde Menschenherz
von Neuem Hoffnung ein;
Heilt ja Natur den tiefsten Schmerz,
Warum nicht fröhlich sein?
Bleibt Hoffnung dir, bist nicht allein –
Oft spät noch kehrt der Frühling ein.
Emma Glaß, Berlin
Morgen im Walde.
Weise: Erhebt euch von der Erden
Wie herrlich ist’s im Walde, Früh, wenn
die Sonn’ erwacht
Und uns entgegenleuchtet In ihrer vollen Pracht;
Wenn in den grünen Zweigen Der Vöglein
Lied erschallt,
Daß hell in unser’n Herzen Das Echo
wiederhallt.
2. Die Käferlein, sie spielen Und summen ohne
Rast;
Das Eichhörnchen hüpft munter Und leicht
von Ast zu Ast.
Wie schön, wenn all’ die Blümlein
Die Kelche öffnen sacht,
Den jungen Tag zu grüßen Nach dunkler,
stiller Nacht.
3. Den Morgenthau im Grase Umspielt der
Sonnenschein;
An jedem Hälmchen blinket Ein heller
Edelstein.
Das Auge, wonnetrunken, Kann gar nicht satt sich
seh’n,
Und unser Herz durchschauert: O Welt, wie bist du
schön.
Helene Teuchert, Berlin
S. 688
Irrlicht.
Weise: Steh’ ich in finstrer Mitternacht
1. Als Kind ging ich einst über Land,
Den rechten Weg ich nicht gleich fand;
Der Abend brach mit Macht herein,
Und einsam war ich, ganz allein.
2. Da tauchte auf in weiter Fern’
Ein Licht, fast wie ein kleiner Stern;
Es blinkte freundlich zu mir hin;
Befangen war mein ganzer Sinn.
3. Es zog mich näher Schritt für
Schritt,
Und Furcht und Neugier in mir stritt.
Bald war ich da. – Das Licht war fort,
Statt Licht – nur sumpfig Wasser dort.
4. Trittst erst in’s Leben du hinaus,
Geh’n diese Lichter nicht mehr aus.
Irrlicht, du trügerischer Schein,
Hör’ endlich auf mit deiner Pein!
Emma glaß, Berlin.