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Lieder Berliner Fernsprechgehülfinnen (2)

Verband Deutscher Post-
u. Telegraphen-Assistenten, Liederbuch, Berlin 1898


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Wenn die Begründung der Herausgeber, dafür, dass auch Frauen an dem Liederbuch mitwirkten, heute mehr als merkwürdig klingen mögen, ist es doch für den Zeitpunkt der Herausgabe bemerkenswert. Auch in der organisierten Arbeiterbewegung wurden ungefähr in der gleichen Zeit Texte für Frauen geschrieben und Texte von Frauen fanden Eingang in Liederbücher, wenn auch nur wenige. (siehe hier)

Mai.

1. Der Mai ist da, in seiner Pracht
Das hoffnungsreiche Grün
Uns frühlingsfrisch entgegenlacht
Und alle Blüm’lein blüh’n.
Melodisch schlägt die Nachtigall,
Die Vögelein, sie singen all’.

2. Da schleicht in’s wunde Menschenherz
von Neuem Hoffnung ein;
Heilt ja Natur den tiefsten Schmerz,
Warum nicht fröhlich sein?
Bleibt Hoffnung dir, bist nicht allein –
Oft spät noch kehrt der Frühling ein.

Emma Glaß, Berlin



Morgen im Walde.
Weise: Erhebt euch von der Erden

Wie herrlich ist’s im Walde, Früh, wenn die Sonn’ erwacht
Und uns entgegenleuchtet In ihrer vollen Pracht;
Wenn in den grünen Zweigen Der Vöglein Lied erschallt,
Daß hell in unser’n Herzen Das Echo wiederhallt.

2. Die Käferlein, sie spielen Und summen ohne Rast;
Das Eichhörnchen hüpft munter Und leicht von Ast zu Ast.
Wie schön, wenn all’ die Blümlein Die Kelche öffnen sacht,
Den jungen Tag zu grüßen Nach dunkler, stiller Nacht.

3. Den Morgenthau im Grase Umspielt der Sonnenschein;
An jedem Hälmchen blinket Ein heller Edelstein.
Das Auge, wonnetrunken, Kann gar nicht satt sich seh’n,
Und unser Herz durchschauert: O Welt, wie bist du schön.

Helene Teuchert, Berlin



S. 688
Irrlicht.
Weise: Steh’ ich in finstrer Mitternacht

1. Als Kind ging ich einst über Land,
Den rechten Weg ich nicht gleich fand;
Der Abend brach mit Macht herein,
Und einsam war ich, ganz allein.

2. Da tauchte auf in weiter Fern’
Ein Licht, fast wie ein kleiner Stern;
Es blinkte freundlich zu mir hin;
Befangen war mein ganzer Sinn.

3. Es zog mich näher Schritt für Schritt,
Und Furcht und Neugier in mir stritt.
Bald war ich da. – Das Licht war fort,
Statt Licht – nur sumpfig Wasser dort.

4. Trittst erst in’s Leben du hinaus,
Geh’n diese Lichter nicht mehr aus.
Irrlicht, du trügerischer Schein,
Hör’ endlich auf mit deiner Pein!

Emma glaß, Berlin.