Arbeiterliedarchiv
Lancken
Hunderschaften Lied
Sieh durch die Straßen mit festen Schritten
Zieht eine trotzige, Kriegerschar.
Eisern die Fäuste, drohend die Blicke,
Wie sie das Arbeiterviertel gebar.
Sie trag’n nicht Tressen, nicht
Achselstücke,
Sie kommen im Arbeiterkittel daher.
Sie tragen Hammer und Sichel als Zeichen,
Die Hundertschaften der Arbeiterwehr.
Seht nur her:
:|: Das ist die Rote Garde,
Die, zu jedem Kampf bereit,
Bahn bricht zur Macht und Herrlichkeit
dem Proletariat! :|:
2. Unter den flatternden roten Fahnen
Stehn sie zusammen in jeder Fabrik
alle die wollen, alle die ahnen
Das Dämmern der Arbeiterrepublik.
Sie schreckt der Tod nicht der roten Legionen,
Die Noskes Söldlinge mordeten hin,
Sie geh’n im Gleichschritt mit all den
Millionen,
Die rings auf Erden folgen Lenin.
Hoch Lenin!
:|: Sie sind die Rote Garde,
Die, zu jedem Kampf bereit,
Bahn bricht zur Macht und Herrlichkeit
Dem Proletariat! :|:
3. Maßlos geknechtet, geschmäht und
geschlagen
Karrengaul Molochs, Arbeitervolk,
Nach soviel Hunger- und Elendsjahren
Recke dich endlich als Löwe empor!
Jage die Wucherer, Steuerbetrüger,
Jag’ die Faschisten zum Lande hinaus
und bau auf Aeckern, Fabriken und Gruben
Der freien Arbeit herrliches Haus.
Reck’ Dich auf!
:|: Her zur Roten Garde,
Die, zum letzten Kampf bereit,
Einst mit Waffenmacht befreit
Dich, Proletariat! :|:
(Gedichtet und komponiert von Mailänder
Arbeitern während der Fabrikbesetzung 1920.)
Lied der roten Pioniere
Seht, durch die Straßen mit festen Schritten
zieht eine trotzige Kämpferschar;
sie kommen daher im blauen Kittel,
seht, ihre Blicke sind fest und klar.
Die rote Fahne ist ihr Zeichen,
ihr Herz gehört der Arbeiterschaft,
und von ihr werden sie nicht weiche,
bis daß die neue Welt erwacht.
Gebet acht!
Wir Roten Pioniere
sind zu jedem Kampf bereit!
Wir wollen dienen mit Herz und Leib
dem Proletariat.
2. Daß die alte Welt zerfalle,
die Welt voller Lüge und hohlem Schein!
Recht und Freiheit, Brot für alle!
Proletarier reiht euch ein!
Vereint nur werden wir zerschlagen
der Sklaverei und der Willkür Macht.
Laßt endlich wehen die roten Fahnen
wohl über die Häupter der
Arbeiterschaft. Gebet acht!
Wir Roten Pioniere
sind zu jedem Kampf bereit!
Wir wollen dienen mit Herz und Leib
dem Proletariat.
Verfasser unbekannt
Von der Hamburger Arbeiterjugend gesungen
(Weise nach einem italien. Freiheitslied aus der
Zeit der ersten Faschistenkämpfe)
Die Liederbücher von Albrecht, dem
Reichbanner und den Falken
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Hrsg. Verband
der Arbeiterjugend-Verein Deutschlands, Berlin, 1929, Nr. 49
Andere Titel:
Die Rote Garde
Text: Mailänder
Arbeiter 1920,
Deutscher Text von B. Z.
Zeit: 1920 - 1930,
Anlage:
Kampflieder, 23 (Auszug)
Geschichte / Kommentar:
Das Lied soll den Angaben des Liederbuchs zufolge
„von Mailänder Arbeitern während der Fabrikbesetzung
1920“ gedichtet und komponiert worden sein. Autoren wurden nicht
angegeben. Berger/Lammel schreiben dazu, dass das Lied 1919 unter dem
Pseudonym „Spartacus Picenus“ verfasst und
veröffentlicht worden sei (außerdem schreiben sie: Worte:
Offidani). Verantwortlich für den deutschen Text wird in dem
Liederbuch „Kampf-Lieder“ von 1923 „B. Z.“
gemacht. Berger/Lammel meinen – ohne Quellenangabe -, es sein
Alfred Kurella gewesen, doch das scheint eher unwahrscheinlich, da der
zu jener Zeit in Moskau weilte und somit nicht für die deutsche
Fassung verantwortlich sein dürfte.
In deutscher Übersetzung erschien es zuerst
in dem Liederbuch der KPD Kampf-Lieder aus dem Jahr 1923. Das Buch liegt in zwei
verschiedenen Auflagen vor, wovon anscheinend auch Inge Lammel nichts
wusste. Jedenfalls ist es nicht in ihrer „Bibliographie der
deutschen Arbeiterliederbücher 1833-1945, Leipzig 1977, S. 60 Nr.
348 aufgeführt. (Dort steht lediglich: Kampf-Lieder. (Hrsg.:
Zentrale der KPD, Abt. Bildung). – Berlin: Vereinigung
Internationaler Verlags-Anstalten 1923. 64 S. [Mit Noten]. 348). Wir
haben vorliegen:
a. Kampf-Lieder (1923,
1. Auflage?/ Mit Titelblatt): Vereinigung Internationaler
Verlags-Anstalten GmbH, Berlin SW 61, Planufer 17. Herausgegeben von
der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Kommunistischen Jugend
Deutschlands; Druck: Friedrichstadt-Druckerei gmbH, Berlin SW 48 [64
Seiten (aber davon 3 Seiten Werbung), 30 Lieder]
b. Kampf-Lieder (1923,
2. Aufl. / ohne Titelblatt): Vereinigung Internationaler
Verlags-Anstalten GmbH, Berlin SW 61, Planufer 17 Druck von Max Noster,
Berlin SW 68 [64 Seiten, 32 Lieder]
Beachtenswert für „Sieh durch die
Straßen“ ist, dass es in der vermutlich 1. Auflage nicht
enthalten ist und zusammen mit der „Internationale“ in der
Übertragung von Diederich („Nun reckt empor“) in der
2. Auflage eingefügt wurde. Das Buch ist datiert auf Oktober 1923,
also der Monat, in dem in Hamburg wieder einmal der Aufstand geprobt
und in den Sand gesetzt wurde. Es dürfte also einen Zusammenhang
zwischen der Liedergänzung der beiden aggressiv-kriegerischen
Lieder und der aktuellen Situation, sprich der
Bürgerkriegsstrategie der KPD gegeben haben (siehe dazu: Werner
Hinze, Bluttage und ders. Schalmeienklänge im Fackelschein),
worauf auch die Betitelung „Hundertschaften-Lied“
hindeutet. Ab 1924 trägt das Lied in den kommunistischen
Liederbüchern den Titel „Die Rote Garde“ und im Jahr
des erneuten Versuchs, die Bürgerkriegsstrategie mit Leben zu
erfüllen, taucht – vor dem RFB-Verbot - wieder der Name
„Hundertschaften-Lied“ auf. Nach dem Verbot des RFB im
Zusammenhang mit dem sogenannten „Blutmai“ wird das Lied
entweder gar nicht oder ohne Titel in die kommunistischen
Liederbücher übernommen.
Nach dem RFB-Verbot 1929 wurde als Refrain auch
„Wir sind der rote Frontkämpferbund“ gesungen
(nicht in den Liederbüchern). Das führte dazu, dass das Lied
auf den Index kam. Wolfgang Steinitz dokumentiert aus den Miteilungen
des Landeskriminalpolizeiamtes (IA) Berlin vom 1. Juli 1931, Nr. 13
über „Lieder strafbaren Inhalts“ u. a., dass das Lied
nach § 86 StGB., § 5 Abs. 1 Ziff. 4 R.Sch. Ges dazu
gehört, wenn in der Strophe 3: „Maßlos geknechtet,
geschmäht und geschlagen“ oder sämtliche Strophen, wen
als Kehrreim gesungen wird: „Wir sind der rote
Frontkämpferbund“.
Die sozialdemokratische Fassung
Interessant ist, dass es eine sozialdemokratische
Fassung gibt. Wir haben sie mit zwei Strophen nur in Albrechts
„Jugendliederbuch“ von 1929 (451.-500. Tsd.) entdeckt. Als
Kommentar ist dort vermerkt: „Von der Hamburger Arbeiterjugend
gesungen“. Eine Quelle ist nicht angegeben, sondern es steht
lediglich „Weise nach einem italien. Freiheitslied aus der Zeit
der ersten Faschistenkämpfe“.
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