Wir lauern auf den Frieden
1. Wir liegen am Bzurastrand
Den Russen gegenüber,
|: Und wohnen in ein Unterstand,
Ein Bettchen wär uns lieber. :|
2. Wir schlafen immer umgeschnallt,
die Flinte ist geladen,
und wenn der Russe zu viel knallt,
beschießen wir den Graben.
3. Wir stehen Wache, Tag und Nacht,
und kommen kaum zur Ruhe,
zur Küche wird ein Marsch gemacht,
da drücken uns die Schuhe.
4. Zum Essen haben wir kaum Zeit,
denn Arbeit gibt es immer,
der Graben ist zu wenig breit,
der Schmutz ist noch viel schlimmer.
5. Wir schippen, schanzen Tag und Nacht
und ziehn auch Stacheldrähte.
Die Röcke sind sehr schlecht genäht,
da trennen alle Nähte.
6. Im Unterstand der Ofen raucht,
Wir sehen aus wie Raben,
ein Pfeifchen das wird aufgeschmaucht,
Gestopft mit Liebesgaben.
7. Der beste Dienst ist Postempfang,
den alle sehr begrüßen.
Es geht zwar ohne Sang und Klang,
jedoch mit kalten Füßen.
8. So leben wir im Unterstand
und lauern auf den Frieden.
|: O, Käm er endlich in das Land,
Herr Gott, gib uns den Frieden! :|
Geschichte / Kommentar:
Das Lied aus dem Ersten Weltkrieg ist dem reichen
Bestand des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg von Wolfgang
Steinitz entnommen. Es wurde nach der Melodie „Stimmt an
mit hellem hohen Klang“ gesungen und schildert den Alltag und die
Stimmung vieler Soldaten in jener Phase, die in der letzten Strophe
ihren entscheidenden Höhepunkt mit dem Ausdruck der Hoffnung nach
Frieden findet. Die zweite Vershälfte wird wiederholt.
Reinhard Ott beruft sich auf die gleiche Quelle
wie Steinitz dokumentiert aber eine Abweichunge: 5/4:
„reißen“ statt „trennen“
Nach der gleichen Melodie und einer ähnlichen
Stimmung überlieferte Artur Kutscher (1878-1960) eine andere
Parodie:
1. Stimmt an mit hellem, hohem Klang, stimmt an
Reservelieder,
Reserve hat nicht lange mehr, dann geht’s
zur Heimat wieder.
2. Sie haben uns so oft gefragt: Wollt ihr nicht
kapitulieren?
da haben wir gleich nein gesagt. Wir wollen keinen
Kohldampf spüren.
3. Und kehren wir aus dem Manäver zurück
mit schwergepacktem Affen,
so soll es uns ein Leichtes sein, auf Kammer ihn
zu schaffen.
4. Und kommt der Regimentsappell – ach
wär er bald vorüber! –
dann kriegn wir unser Reisegeld und kehrn zur
Heimat wieder.
Die Bzura ist ein 166 km langer linker Nebenfluß der
Weichsel in Polen. Sie entspringt nördlich von Lodz.
Quellen:
Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder
demokratischen Charakters, Bd. II, Nr. 273, S. 405f.
Reinhard Olt, Krieg und Sprache. Untersuchungen zu
deutschen Soldatenliedern des Ersten Weltkriegs, Gießen 1980, Bd.
2, Nr. 347, S. 192.
Artur Kutscher, Das richtige Soldatenlied. Berlin
1917, S. 130
DVA A 106.423. Einges. Von Reinhard Fenner, 3.
Komp. Res.-Inf.-Regt. 48,3. Res.-Armeekorps.