Proletarisches Selbstschutzlied (Teil 2)
Viele Einsender zu dem Lied weisen darauf hin,
dass es im Rotfrontkämpferbund (RFB) viel gesungen wurde.
Offensichtlich waren die damaligen „Sänger“ denn auch
ein wenig kreativer. Während die Liederbuchherausgeber nicht
über die oben genannten Organisationen und Personen hinaus kamen,
tauchten da noch einige Varianten mehr auf. Erwähnt wurden schon
die anderen Kampfgebiet, doch auch die Zahl der Gegner wurde erweitert
In Steinitz Nr. 15a heißt es zu Str. 3:
Da hieß es aufmarschieren,
Der Noske muß krepieren.
zu Str. 4 aber:
Da hieß es aufmarschieren,
Der Hörsing muß krepieren.
(Der Sozialdemokrat Hörsing war während
der Kämpfe um Leuna 1921 Oberpräsident der Provinz Sachsen.)
Herkunft des Liedes
Nicht abschließend geklärt ist die
Herkunft und der Gebrauch der Vorlage des Liedes. Auch hier folgen wir
zuerst Wolfgang Steinitz. Vorbild des Liedes war das sogenannte
Radetzky-Italien-Lied, das 1907 in Eduard Langers „Deutsche
Volkskunde aus dem östlichen Böhmen“
veröffentlicht worden sei und dessen Melodie mit dem
„Orgesch-Lied“ im Wesentlichen übereinstimmt.
1. Wer will mit nach Italien ziehn,
Radetzky kommandiert?
Da heißt es avancieren,
Den Mut nicht zu verlieren.
Schlagt an, gebt Feuer und ladet schnell,
Weicht keiner von der Stell, Hurra!
Schlagt an, gebt Feuer und ladet schnell,
Weicht keiner von der Stell!
2. Bei Somma Campagna war die große Schlacht
Mit unser’m Regiment.
Da hieß es usw.
3. Wenn die Kanone blitzt und kracht,
Das Herz im Leibe lacht.
4. Wenn sich die Fahne hoch erhebt,
Der Wind so hoch aufweht.
5. Vivat! Es lebe Franz Josef
Und unter Regiment.
Das 5. Regimentskorps
Hat immer etwas zuvor.
Refrain
Das östliche Deutschböhmen. Deutsche
Volkskunde aus dem östlichen Böhmen von Dr. Eduard Langer,
Braunau i. B. 1907, VII. Bd., S. 182, - „Dieses in keiner der
bekannten Sammlungen vorfindige Lied stammt aus Markausch, Bez.
Trautenau, wo es von Herrn Lehrer Hugo Unger zusammengestellt und von
Herrn Julius Fischer, Lehrer in Trautenau, mitgeteilt wurde.“
Wie nun das mutmaßliche Vorbild mit unserem
Lied zusammenkam, ist bislang nicht geklärt. Lediglich einige
Episoden sind bekannt.
K. Klier (D.
Vlied 31, 1929, S. 103) berichtet über das Aufkommen des
Radetzky-Liedes 1914 in Österreich. Es habe auf dem Bundestag des
Österreichischen Wandervogels im Juli 1914 in Salzburg ein
Preissingen stattgefunden. Dabei seien alle von einem Lied mitgerissen
worden, „das die Mährisch-Schönberger aus ihrer Heimat
mitbrachten. Klier verweist dann noch auf die Stimmung, die kurz vor
Beginn des Ersten Weltkrieges herrschte. Da behielt jeder das
zügige Marschlied im Ohr und er kommt zu dem Schluss: „das
war der richtige Nährboden für die Weiterverpflanzung des
Liedes. Als dann die Sonderausgaben mit dem Titel ‚Krieg!’
durch die Straßen flogen, … und unsere Scharen mit dem
neuen Lied ausrückten, fort in alle Winde, da schien es vielen
Fußgängern, als wäre ihnen die Weise längst
bekannt, Später, als ich schon im Felde stand, schrieb ich das
Lied auf und sandte es Pommer, der es oben, XVII. Jg. (1915), S. 29,
abdruckte. Ein Sonderabzug wurde der damaligen Bundeszeitschrift des
Österreichischen Wandervogels, Kriegs-Fahrend Volk’
beigelegt. Aus dem ‚Deutschen Volkslied’ ging das Lied in
den ersten Band der Soldatenliedersammlung von Doktor Paumgarner
über.“ (Gemeint ist die Zeitschrift „Deutsches
Volkslied“. – W. St.)
Weiter zitiert Steinitz Johannes Koepp, der darauf
hinwies, dass das Lied kurz vor dem ersten Weltkrieg, 1913/14, das
„Leib- und Magenlied aller Wandervögel“ gewesen sei.
Ein Informant bezeichnete es Steinitz gegenüber als
„Landsknechtslied“, ein Terminus, der seinerzeit
üblich war. Woher das Lied im deutschen Wandervogel 1913/14
stammte, ist allerdings auch nicht nachgewiesen. Im
österreichischen Wandervogel und in Österreich war es bis
Juli 1914 – das zeigt der Bericht von K. Klier ganz eindeutig
– nicht bekannt.
Da Steinitz das Lied weder in der umfangreichen
Datensammlung Schuhmachers, Soldatenlied, noch in Kutschers und Schwagmeyers, Publikationen zum
Thema fand, kommt er – scheinbar erleichtert - zu dem Schluss,
das es „offenbar im deutschen Heer als Soldatenlied nicht oder
kaum üblich gewesen“ sei und somit „die Quelle des
revolutionären Arbeiterliedes „wohl ein Lied der
bürgerlichen Jugendbewegung“ sei.
„Wer weiß wann wir uns wiedersehn, am
gründen Stand der Spree“
Ein Hinweis, den Steinitz von Doris Stockmann bekam, hätte
ihn stutzig machen müssen. Sie meinte, „daß der erste
Teil der Melodie, geringfügig abgewandelt, zu folgendem als
Refrain oder in Quodlibets wohl seit 1900 beliebten Zweizeiler
gehört: „Wer weiß, wann
wir uns wiedersehn am grünen Strand der Spree“. Dieser Hinweis und die Bemerkungen von Werner Hinze zur teilweisen
Aufarbeitung des Liedes vom „guten Kameraden“ führt
zumindest zu einem weiteren Teil der möglichen Geschichte des
Liedes. So waren die Zeilen „Wer
weiß, wann wir uns wiedersehn am grünen Strand der Spree“ während des Ersten Weltkrieges Teil eines
Anhangs an verschiedene Lieder, nicht nur beim „Guten
Kameraden“.
Ausgangspunkt dieser Verhohnepiepelung des
nachdenklich, besinnlichen Liedes war beliebte Berliner
Coupletsänger Wilhelm Lindemann. Dazu schrieb F. Hantschell vom Verein für
Heimatforschung und Wanderpflege in den Tschecho-Slovakischen
Mitteilungen Jg. 42 (1919): „Das volkstümlichste aller
Lieder, die unsere Soldaten gesungen haben, Uhland ‚Ich
hatt’ einen Kameraden’ mit dem angehängten langen
Kehrreim „Gloria Viktoria“ (Mitt. XXXIX, 159-160) galt
bislang als Schöpfung des Volkes, der Soldaten selbst. Ihn teilt
[S. 43] ein Mitarbeiter der „Zeitschrift für den deutschen
Unterricht“ mit, daß das Heimatsehnsuchtslied die
Schöpfung des noch heute lebenden beliebten Berliner
Coupletsängers Wilhelm Lindemann ist. Lindemann hat die sprunghaft wechselnden Zeilen
angefügt, das Ganze in Musik gesetzt, es 1898 zum erstenmal
vorgetragen und im Jahre 1900 im Kabarettverlag zu Karlshorst bei
Köpenick drucken lassen. Uhlands Dichtung ist also von einem
einzelnen zu Vortragszwecken verballhornt, sein Lied ist vom Volke
aufgegriffen worden.“ (Dr. F. H. [antschel] F 1329 Tschecho-Slov.
Mitteilungen d. Nordböhnm. Ver. f. Heimatforschg. u. Wanderpflege,
Jg. 42 (1919) S. 42f.)