Wenn ich einmal
der Herrgott wär
1. Wenn ich einmal der Herrgott wär’.
mein Erstes wäre das,
Ich nähme meine Allmacht her,
daß ich die Lumpen fass’.
Und käme einer hin zu mir
und sagt: Herr, gib mir Sieg!
Na, wart’ mein Jung’, der Knüppel
hier
nimmt Dir die Lust zum Krieg
2. Wenn ich einmal der Herrgott wär’,
mein Zweites wäre das
Ich nähme meine Allmacht her
und thäte,wißt ihr, was?
Wenn ich ’nen Protzen fände wo,
der quält Knecht und Gesell,
Ich wäre über Maßen froh,
zu klopfen ihm sein Fell.
3. Wenn ich einmal der Herrgott wär’,
mein Drittes wäre das,
Ich nähme meine Allmacht her
und machte mir den Spaß.
Wenn so ein Junker aufbegehrt,
ha, denkt euch, welch ein Schreck.
Er läge, wo er hingehört,
pardautz, sogleich im Dreck
4. Wenn ich einmal der Herrgott
wär’
ich will´s nun mal nicht sein,
Ich will nicht Knecht, ich will nicht Herr,
Nur Gleicher will ich sein.
Ich will, daß hier auf Erden gelt’
die Wahrheit und das Recht
Daß Gutes man für gut auch hält,
und was da schlecht, als schlecht.
Ursprungslied
Wenn ich einmal der Herrgott
wär’,
mein erstes wäre das:
ich nähme meine
Allmacht her
und schuf ein großes Fass;
ein Fass, so
groß als wie die Welt,
ein Meer göss’ ich
hinein,
|: von einem bis zum andern Belt,
vom al1erbesten Wein. :
|
Wenn ich einmal der Herrgott
wär’,
mein zweites wäre das:
ich nähme meine
Allmacht her
und schuf ein großes Glas;
ein Glas so hoch
bis an den Mond
und wie die Erde rund,
|: dass sich das Trinken
auch verlohnt,
setz’ ich es an den Mund. :|
Wenn ich einmal der Herrgott
wär’,
mein drittes wäre das:
ich nähme meine
Allmacht her,
tränk’ täglich so ein Maß.
O,
welche Wonne wäre nun
in solchem Zug und Druck!
|: da
könnt’ man doch sich gütlich tun
An einem
tücht’gen Schluck. :|
Und hätt’ ich nach so manchem
Tag
das Fass so rein gefegt,
dass drin bei noch so starkem
Schlag
kein Tröpflein mehr sich regt,
dann würf ich auf
die Knie mich
und fing’ laut an zu schrei’n:
|:
„Laß mich, o Gott, ich bitte dich,
noch einmal Herrgott
sein!“ :|
Geschichte / Kommentar:
Das Lied hat ein unbekannter Autor geschrieben.
Als Vorlage nutzte er ein scherzhaftes Trinklied mit gleichem Beginn
von Eduard Amthor aus dem Jahr 1841, das Karl Binder (1816-1860) 1853
vertonte.
Die Fassung des Arbeiterliedes ist
überliefert besonders in den Liederbüchern der Migranten in
Zürich, London und Chicago.
An dieser Stelle scheint es uns wichtig, darauf
hinzuweisen, dass es Seiten im Internet gibt, die ebenfalls Lieder aus
unterschiedlichen Beweggründen dokumentieren. Leider arbeiten da
nicht alle sorgfältig genug oder veränder gar Worte und
betreiben somit Geschichtsfälschung. In unserem Beispiel ist es
das sogenannte „Volksliederarchiv". Dort sind zu dem Lied
„Wenn ich einmal der Herrgot wär'" nicht nur
Satzzeichen extrem schlampig gesetzt, bzw. weggelassen worden, sondern
es hat sogar Wortänderungen gegeben, die nicht mit dem Original
übereinstimmen. So heißt es in der letzten Zeile der ersten
Strophe nicht „Sieg" sondern "Krieg" und in der
sechsten Zeile der 3. Strophe nicht "Freiheit", sondern
"Wahrheit" [siehe das Original in der Londoner Ausgabe von 1889]. Politische Ziele, die
in diesem Fall nicht mal deutlich werden, werden allzuoft der Korrekten
Geschichtsschreibung geopfert.
Quelle:
Liederbücher der Arbeiterbewegung im 19. Jh.
Sozialdemokratisches Liederbuch. 8.
veränderte Aufl., Zürich, Verlag der Volks-Buchhandlung,
1885, Nr. 42;
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung
revolutionärer Gesänge, 12. Auflage, German Printing and
Publishing Co., London 1889, Nr. 47;
Hermann Schlüter, Sozialistisches
Arbeiter-Ldb, Chicago, o. J. (ca. 1906), Nr. 61;