Was ist des Deutschen Vaterland
1. Was ist des Deutschen Vaterland?
Ist’s Preußenland, ist’s
Schwabenland?
Ist’s, wo am Rhein die Rebe blüht?
Ist’s, wo am Belt die Möve zieht?
O nein! o nein! o nein!
Sein Vaterland muß größer sein.
2. Was ist des Deutschen Vaterland?
Ist’s Bayerland, ist’s Steierland?
Ist’s, wo des Marsen Rind sich streckt?
Ist’s, wo der Märker Eisen reckt?
O nein! o nein! o nein!
Sein Vaterland muß größer sein.
3. Was ist des Deutschen Vaterland?
Ist’s Pommerland, Westfalenland?
Ist’s, wo der Sand der Dünen weht?
Ist’s, wo die Donau brausend geht?
O nein! o nein! o nein!
Sein Vaterland muß größer sein.
4. Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Ist’s Land der Schweizer? ist’s Tirol?
Das Land und Volk gefiel mir wohl;
Doch nein! doch nein! doch nein!
Sein Vaterland muß größer sein.
5. Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Gewiß es ist das Österreich,
An Ehren und an Siegen reich?
O nein! o nein! o nein!
Sein Vaterland muß größer sein.
* * *
1843 wurde die folgende Strophe im Liederbuch der
Tübinger Hochschule an den ersten Teil angehängt
(übernommen vom Liederguch des Bildungs-Vereins für Arbeiter
in Hamburg aus dem Jahr 1855.
6. Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Ist's, was der Fürsten Trug zerklaubt?
Vom Kaiser und vom Reich geraubt?
:,: O nein usw.
6. Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt,
Das soll es sein, das soll es sein!
Das, wackrer Deutscher, nenne dein!
7. Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Eide schwört der Druck der Hand,
Wo Treue hell vom Auge blitzt,
Und Liebe warm im Herzen sitzt –
Das soll es sein, das soll es sein!
Das, wackrer Deutscher, nenne dein!
8. Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Zorn vertilgt den welschen Tand,
Wo jeder Franzmann heißet Feind,
Wo jeder Deutsche heißet Freund –
Das soll es sein, das soll es sein!
Das, wackrer Deutscher, nenne dein!
9. Das ganze Deutschland soll es sein!
O Gott vom Himmel sieh darein
Und gieb uns rechten deutschen Mut,
Daß wir es lieben treu und gut.
Das soll es sein, das soll es sein!
Das ganze Deutschland soll es sein!
* * *
Was wir wollen! (1895)
1. Was will das deutsche Vaterland?
Was hat es als ein Recht erkannt?
"Der Deutsche will nich leeren Schein,
Die volle Freiheit soll es sein!"
So soll es sein! so soll es sein!
Fürs ganze Deutschland soll es sein!"
2. Das will das deutsche Vaterland
Des Volkes Wehr und Volksverband,
Des Volks Gericht und Volkes Rat,
Und Volksbeschluß zur freien That!
So soll es sein u. s. w.
3. Das will das deutsche Vaterland
Als feines Glückes Unterpfand:
Daß frei vereinigt Aller Kraft
Durch Arbeit Brod und Glück sich schafft;
So soll es sein u. s. w.
4. Die volle Freiheit soll es sein,
Wir setzen unser Leben ein,
Und fassen ächten deutschen Mut,
Daß wir's erringen fest und gut:
So soll es sein, so soll es sein,
Die volle Freiheit soll es sein!
Geschichte / Kommentar:
Zu dem Gedicht, das Ernst Moritz Arndt 1813
schrieb, vermerkte Franz Magnus Böhme in seinen
volkstümlichen Liedern der Deutschen (Nr. 2, S. 2f.):
„Zuerst gedruckt in ‘Deutsche
Wehrlieder für das Königl. Preuß. Frei-Corps.’ 1.
Sammlung. Ostern 1813 (mit einer Vorrede von Fr. Ludwig Jahn); dann in
„Lieder für Teutsche von E. M. Arndt. Im Jahr der Freiheit
1813.“ (Leipzig, J. B. G. Fleischer 1813) S. 99 (Vergl. Hoffmann,
Volksthüml. Lieder Nr. 908.) – Dieses Vaterlandslied wurde
zuerst komp. von dem musikgeübten Jenenser Studenten Johannes
Cotta (geb. zu Ruhla 24, Mai 1794, 1868 als Pfarrer zu
Willerstedt bei Weimar). –
Als am 12. Juni 1815 im Gasthofe zur Tanne bei
Jena die ‘Burschenschaft’ gegründet wurde, die
landsmannschftl. Gahnen zum Zeichen der Auflösung der
„Landsmannschaften“ sich senkten und Alle sich
brüderlich umarmten, erscholl zum erstenmal in Deutschland dieses
Lied mit Cotta’s Melodie, das seidem ein Vaterlands- und zugleich
ein Burschenlied wurde. Mit eben diesem Liede zogen die Jenenser
Studenten 1817 zum Wartburgeste in Eisenach ein. Das hat mir der
bescheidene Komponist als Pfarrer meines Heimathsortes im hohem Alter
selbst noch erzählt, hat auch in einem langen Briefe an Erk es
berichtet, und außerdem steht es zu lesen in der Schrift von Dr.
Rob. Keil, Die burschenschaftlichen Wartburgfeste 1817 und 1867 (Jena
1868). – Cotta’s Mel. ist zur wahren Volksweise geworden,
in Schulen und besonders bei öffentlichen Versammlungen 1848/49
viel gesungen worden. – Die für Männerchor 1825 von
Gustav Reichard geschriebene Komposition (op. 7 Nr. 3) ist musikalisch
werthvoller, aber wegen gesuchter harmonischer Wendungen nicht
volksthümlich. – Nachdem das lang ersehnt Alldeutschland
vorhanden ist, wird zwar das alte Fragelied Arndts nicht viel mehr
gesungen, verdient aber jedenfalls als Ehrendenkmal des patriotischen
Sinnes unserer Vorfahren hier einen Platz.“
Die Aufteilung der Melodien wurde hier von F. M.
Böhme, Albert Methfessel (Commersbuch, 1823, S. 128ff.) und
Silcher/Erk 1919 übernommen, sie fand später nach
unseren Quellen nicht mehr statt.
Die am häufigsten gesungene Melodie
dürfte die von Cotta gewesen sein.
Später hat sich das wohl, soweit das Lied
überhaupt noch gesungen wurde, geändert. In
„Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der Volksvereine“
(Kommission des Demokratischen Vereins in München), von 1895
beispielsweise wurde eine neue Version (von H. Rollett) mit der Frage
„Was will das deutsche Vaterland?“ und dem Titel „Was
wir wollen“ angehängt (s. oben) und als Melodienangabe:
„Reichardt“ angegeben.
Um 1860 verarbeitete der deutsch-schweizerische
Komponist Joachim Raff die Melodie in seiner ersten Symphonie D-Dur, op. 96,
„An das Vaterland".
Die oben dokumentierte sechste Strophe haben wir
in zwei Liederbücher gefunden. Dem Liederbuch der Tübinger
Hochschule, 1843 (Nr. 138) und dem Liederbuch des Bildungs-Vereins
für Arbeiter in Hamburg. Hansen meint 1978 dass sie auch im
Arndtschen Original gestanden hätte, das können wir bislang
aber nicht bestätigen.
Eine Art thematischer Vorläufer könnte
1797 die Frage des Germanisten Gräter gewesen sein, „Wo ist
das teutsche Vaterland / weißt du das, Tor von Frager nicht ? Wo
man die Sprache Hermanns spricht / da ist das Teutsche
Vaterland.“ (siehe das Liederbuch „Als der Großvater
die Großmutter nahm“ (1885).