Rote Marine (RM)
Als Auslöser der
revolutionären Erhebung im November 1918 in
Kiel erhielt die Marine als einziger Truppenteil
durch eine eigene Sektion eine besondere Stellung
innerhalb des RFB. Die als Rote Marine
(RM) bezeichnete
Gruppierung übernahm jedoch nicht nur das
Andenken an Taten, die als
außergewöhnlich revolutionär
empfunden wurden, sondern ebenfalls die Tradition
der kaiserlichen Marine als die einer
privilegierten Truppe.
Eine erste Sektion der RM
wurde am 9. Juni 1925 im Lokal des Schankwirts
Kraeft, Davidstr. 6, unter Joseph Behring für
den Raum Groß-Hamburg gegründet, die
rund zwei Monate später, am 2. August,
erstmals mit einer Fahnengruppe an einer
Antikriegsdemonstration teilnahm. Am 28. August
wurde die RM in Kiel gegründet. Es folgte am
25. September Königsberg am 30. September
Bremen, am 11. Oktober Lübeck.
Die eingangs angesprochene
widersprüchliche Stellung der Roten Marine als Fortsetzung eines privilegierten
kaiserlichen Truppenteils und einer besonders
revolutionären, „proletarischen“
Einheit, zeigte sich außer in der
Uniformierung auch an ihren erhofften wie
tatsächlichen Privilegien und ihre
Sonderbehandlung in der kommunistischen Presse. Das
Privileg aufgrund der
„revolutionären“ Tradition brachte
auch einen besonderen Ehrbegriff in die Reihen der
Matrosen, den zusätzlich eine besondere
Radikalität und einen Hang nach
Selbstständigkeit begleitete. Letzteres machte
auch vor der Bundesleitung/führung nicht halt.
Den Matrosen wurden auch
besondere Theateraufführungen und wiederholt
Prosa gewidmet. So spielte z.B. der
Arbeiter-Theaterbund, Hamburg am 10. November 1927
in Eckermanns Gasthof - Bergedorf-Sande - das
Stück „Rote Matrosen“ und die HVZ
widmete sich den „Rebellen der Marine“
oder den „Roten Matrosen von Cattaro“.
Ergänzt wurden diese Beispiele durch die
späteren Filme, von denen der
„Panzerkreuzer Potemkin“ die meiste
Aufmerksamkeit erregte.
Mit den beiden Matrosen Reichpietsch und Cöbes hatten die Roten Mariner
nicht nur ihre Helden, denen sie einen extra
Gedenktag widmen konnten, sie hatten außerdem
durch die eigene Sektion ihr spezielles
Reichstreffen - die beide Aufnahme in die regionale
Jahresplanung fanden. Eine erste Reichpietsch- und Cöbes-Gedenkfeier wurde für den 13.
September 1926 in Altona gemeldet.
Bei so viel Eigenem in
Verbindung mit der herausragenden
propagandistischen Rolle der RM und der
hierarchisch strukturierten Anlage des RFB waren
die Konflikte vorprogrammiert. Als im Verlauf des
Jahres 1926 mehrere als „Ultralinke“
bezeichnete aus der KPD und dem RFB ausgeschlossen
wurden, waren davon gerade auch Rote Mariner
betroffen. Schon auf der 3. Reichskonferenz hatten
die Delegierten aus Königsberg und Bremen
nicht nur „von großer Aktivität
der roten Matrosen“ berichtet, sondern auch
vor „zuweilen
sektiererisch-separatistische[n] Stimmungen“
gewarnt. Finker nutzt als Argument für ein
Eingreifen der BF gegenüber der RM, daß
„die aus der KPD-Führung
ausgeschlossenen Ultralinken“ versucht
hätten, „den revolutionären Elan
der roten Matrosen für ihre spalterischen
Absichten zu mißbrauchen“. Ein Vorwand,
der auch dem RFB-Bundesausschuß vom 2./3.
Oktober 1926 zu einer Verurteilung der
Fischer-Maslow-Gruppe Anlaß gab. Der Mythos
der Roten Marine ging so weit, dass obwohl sie auf
Hafenstäte begrenzt sein sollten, immer wieder
versucht wurde an anderen Orten Gruppen zu
gründen. Im November 1925 beschloß sogar
die Bundesleitung die Gründung einer
Marineabteilung in Groß-Berlin. Gleichzeitig
gelang es einem Arbeiter in Berlin-Lichtenberg, mit
etwa 50 ehemaligen Angehörigen der
Volksmarinedivision eine in den Augen der
RFB-Funktionäre „wilde“, extrem
linke, „syndikalistische, unionistische,
anarchistische“ Konkurrenzorganisation, einen
Bund Roter Matrosen aufzuziehen. (StaHB 4,65-1255
Bl. 5, LB des Pol.PRÄS Abt. IA, Berlin v.
März 1926 nach Schuster, S. 135.)
Nach den Beschlüssen der
4. Reichskonferenz im März 1927 bestimmten die
Richtlinien die Rote
Marine (VII.) als
„eine Sektion des RFB“, die „im
Reichsmasstabe der Bundesführung des
RFB“ unterstand und „in jedem Gau der
Gauführung politisch untergeordnet“ war
(VII/5). Da zum Sitz der Reichssektionsleitung
Hamburg erklärt wurde, akzeptierte die
Reichskonferenz die bereits seit Dezember 1926
bestehende Einrichtung. Um in die RM aufgenommen zu
werden, mußten „die ehemals oder noch
zur See fahrenden Arbeiter vom 16. Lebensjahre
an“, nicht nur „Satzungen und
Grundsätze des RFB. anerkennen“, sondern
zusätzlich „durch drei Kameraden des
RFB. legitimiert werden“ (VII/2). Um das
gesteckte Ziel zu erreichen, sollte die Rote Marine
„in allen Hafenstädten, Hafenbüros,
auf See- und Handelsschiffen Verbindungen
herstellen und Schiffsgruppen organisieren“
(VII/4). In Ortsgruppen des RFB durfte „nur
mit Zustimmung der Reichssektionsführung und
der Bundesführung eine Sektion der Roten
Marine Gebildet werden“ (VII/6), die
„zur Gau- und Ortsgruppenführung in
demselben Verhältnis“ zu stehen hatte,
„wie die Abteilung“ (VII/7). Daraus
resultierte einerseits, daß sie
„sämtliches der Abteilung vom Gau oder
Bund zugehendes Material“ zu erhalten hatte
(VII/7), andererseits aber auch, daß
„ohne Zustimmung und Genehmigung“ der
BF oder der Reichssektionsführung
„seitens der Roten Marine“ für
Seeleute „kein eigenes Propagandamaterial
herausgegeben werden“ durfte (VII/9), das
behielten sich die beiden Führungsorgane vor.
Eine eigene „Kasse oder Kassierung“
wurde ihnen grundsätzlich versagt, lediglich
in Ortsgruppen, in denen die Sektion die
Stärke einer Abteilung hatte, durfte
„mit Zustimmung der Reichssektions- und
Bundesführung die Abteilungskassierung
durchgeführt werden“ (VII/15). Eigene
Veranstaltungen durfte die RM im Orts- wie
Reichsmaßstab nur mit Zustimmung der
zuständigen Gauführung,
Reichssektionsführung oder Bundesführung
ausrichten (VII/13). Die Kleidung mußte
analog zum RFB einheitlich sein, „von der
Reichskonferenz des RFB. festgesetzt“ und von
der Gebagos Filiale Hamburg bezogen werden
(VII/14).
Die relativ engen Grenzen, in
die die Roten Mariner eingezwängt waren,
hatten nur ein Problem, sie wurden sehr häufig
einfach nicht beachtet.
Lieder
Es rauschen graue Wogen (Freie
See)
Seemann, ahoi, Ein neues Lied,