Noch ist die Freiheit nicht verloren
1. Noch ist die Freiheit nicht verloren,
Noch sind wir nicht so ganz besiegt;
In jedem Lied wird sie geboren,
Daß aus der Brust der Lerche fliegt.
Sie rauscht uns zu im jungen Laube,
Im Strom, der durch die Felsen drängt;
:,: Sie glüht im Purpursaft der Traube,
Der brausend seine Bande sprengt. :,:
2. Der sei kein rechter Mann geachtet,
Dem lohne nie der Jungfrau Kuß,
Der nicht aus tiefster Seele trachtet,
Wie er der Freiheit dienen muß.
Das Eisen wächst im Schooß der Erden,
Es ruht das Feuer in dem Stein,
:,: Und wir allein soll’n Knechte werden,
Ja, Knecht bleiben mir allein? :,:
3. Laßt euch die Kette nicht bekümmern,
Die noch an eurem Arme klirrt:
Zwing Uri liegt in Schutt und Trümmern,
Sobald ein Tell geboren wird!
Die blanke Kette ist für Thoren,
Für freie Männer ist das Schwert:
:,: Noch ist die Freiheit nicht verloren,
So lang ein Herz sie heiß begehrt. :,:
Geschichte / Kommentar:
Das Lied schrieb Robert Eduard Prutz (1816-1872),
einer der 1848er im so genannten Vormärz 1846. Es ist in mehreren
Liederbüchern des 19. Jh. und des beginnenden 20. Jh. zu finden.
Die Melodieangaben sind unterschiedliche. Die
älteste uns vorliegende Quelle von 1889 gibt an: „Im Kreise
froher kluger Zecher“, oder: „Sind wir vereint“.
(Nach: Demokr. Ldb 1889) „Der Freie Turner“ (1905 und 1923)
schließt sich letzterer Angabe an. Inge Lammel in „Lieder
der Revolution von 1848“ dagegen, gibt di Melodie von A.
Scharschmidt aus dem Jahre 1848 zu „Ich bin ein freier Mann und
singe“ an. Während Heinrich Schoof in seinen Ausgaben des
„Österreichischen Proletarier-Liederbuch „H. Riva
(M-Chor)“. Da uns dieses nicht vorliegt, können wir nicht
sagen, ob Riva eine Bearbeitung der anderen genannten Melodien oder
eine eigene geschrieben hat.
Quellen:
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung
revolutionärer Gesänge, 12. Auflage, German Printing and
Publishing Co., London 1889, Nr. 19. S. 31ff.
Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der
Volksvereine, Hrsgg. von einer Kommission des Demokratischen Vereins in
München, Verlag von Robert Lutz, Stuttgart, 1895. Nr. 6, S. 9.
Konrad Beißwanger, Freie Klänge,
Nürnberg o.J. (ca. 1900), Nr. 15, S. 25.
Hermann Schlüter, Sozialistisches
Arbeiter-Ldb, Chicago, o. J. (ca. 1906), Nr. 37, S 63f.
Der Freie Turner, 1905, Nr. 92, S. 68 (Melodie
nach der Weise Nr. 76 (Sind wir vereint zur guten Stunde) - 3 Str.
Nr. 76 ist: Wohl ist schon manches Lied erklungen
(Mel.: Sind wir vereint)
Der Freie Turner, 1923, Nr. 182 (3 Str., Mel.: Nr.
229, Sind wir vereint…)
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 6. umgearb. Aufl. (100.-115. Tsd.) Jubiläumsausg.,
1914 (Lammel BIbl. Nr. 235), Nr. , S. 16;
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 7. umgearb. Aufl. (116.-125. Tsd.) Jubiläumsausg.,
1923 (Lasmmel Bibl. Nr. 235) (Männerchor von H. Riva)
Josef Scheu, Arbeiter-Liederbuch für
vierstimmigen Männerchor, II. Heft, ca. 1900 (Lammel Bibl. Nr.
238)
spätere Darstellungen:
Inge Lammel, Lieder der Revolution von 1848, Das
Lied im Kampf geboren Heft 1, Leipzig, 1957, Nr. 9, S. 22f.