Lippe Detmold, eine wunderschöne Stadt
|: Lippe Detmold, eine wunderschöne Stadt
darinnen ein Soldat. :|
|: Ei der muß marschieren in den Krieg, :|
wo die Kanonen stehn, wo die Kanonen stehn.
2. Und als er in die große Stadt rein kam,
wohl vor des Hauptmanns Haus,
der Hauptmann schaut zum Fenster hinaus:
Mein Sohn, bist du schon da?
3. Dann geh nur gleich zu deinem Feldwebel hin
und zieh den Graurock an,
denn du musst marschieren in den Krieg,
wo die Kanonen stehn.
4. Und als er auf der ersten Wache stand,
da traf ihn seine Braut:
Weine nicht, weine nicht meine liebholde Braut,
denn ich muß jetzt in den Krieg.
5. Und als er in die große Schlacht rein
kam,
da fiel der erste Schuss: bum, bum!
Ei, da liegt er nun und schreit so sehr
Nach seinem Kamerad.
6. Ach Kamrad, lieber bester Kamrad mein,
schreibe du einen Schreibebrief,
schreibe du, schreibe du an meine Braut,
dass ich getroffen bin.
7. Keine Tinte, keine Feder, kein Papier hab ich
hier,
womit ich schreiben kann. –
Schneide du einen Finger von meiner Hand
und schreib mit meinem Blut.
8. Kaum dass er diese Worte ausgesprochen hat,
da fiel der zweite Schuss: bum, bum!
Ei, da liegt er nun und schreit nicht mehr,
seine Seele ist bei Gott.
9. Als dies der große General erfuhr,
da rauft er seinen Bart:
Womit soll ich führen meinen Krieg,
wenn mein Soldat ist tot?
Artur Kutscher, Das
richtige Soldatenlied, Berlin 1917, S. 87f.
Geschichte / Kommentar
Obige Version von Lippe-Detmold hat Artur Kutscher
in seiner Zusammenstellung über „das richtige
Soldatenlied“ aus dem Ersten Weltkrieg gesammelt und
dokumentiert. Eine ähnliche Version mit sieben Strophen
dokumentierte Johannes Künzig 1927 – es fehlt lediglich die
vierte Strophe. Außerdem erwähnt er noch eine
„früheren Aufzeichnungen aus Hessen“ mit dem Anfang:
„Stadt Mailand ist eine wunderschöne Stadt …“.
Das Grundthema ist aber in einer ganzen Reihe von
Versionen enthalten. Im Deutschen Volksliedarchiv sind über 60
Fassungen mit unterschiedlicher Ortsangabe gesammelt. Darunter zu.
Beispiel: Berlin (1892), Hannover (1892), Swinemünde,
Kaiserslautern, Schleswig, Warschau, Breslau.
Wolfgang Steinitz zufolge liegt der Ursprung des
Liedes in der Version, die auf die Schlacht von Preußisch-Eylau
1807 zurückgeht. Das war eine militärische Auseinandersetzung
zwischen Preußen und Russland (unter dem Kommando von Levin von
Bennigsen) auf der einen Seite gegen Frankreich (unter dem Kommando von
Napoléon Bonaparte). Sie dauerte vom 7. bis 9. Februar und
brachte schwere Verluste auf beiden Seiten aber kein klares Ergebnis.
Steinitz’ auf diesen militärischen
Konflikt bezogene Version lautet folgendermaßen:
1. Preußisch-Eylau ist eine
wunderschöne Stadt,
Darinnen war ein Soldat,
Der mußte marschieren wohl in den Krieg,
Wo die Kanonen stehn.
2. Und als es in die erste Nacht kam,
Da weinte seine Braut so wehr.
„Weine nicht, weine nicht, Feinsliebelein,
Der Abschied fällt uns schwer.“
3. Und als es in die zweite Nacht kam,
Da weinte sie noch viel mehr.
„Weine nicht, weine nicht, Feinsliebelein,
Meines Bleibens ist nicht hier“.
4. Und als er in die Stadt rein kam,
Da lauert’ man schon auf ihn.
Der General schaut zum Fenster hinaus:
„Mein Sohn, bist du schon hier?
5. Geh du zu dem Feldwebel hin
Und zieh den blauen Rock an.
Denn du mußt marschieren in den Krieg.
Wo die Kanonen gehen.“
6. Und als er auf den Kampfplatz kam,
Die erste Kugel ihn traf.
Nun liegt er da und schreit so sehr
Nach seinem Kamerad.
7. „Ach Kam’rad, liebster
Kam’rad mein,
Schreib du einen Brief nach Haus.
Schreib du, schreibe du an meine Braut,
Daß ich erschossen bin.“
8. „Wo krieg ich Tint’ und Feder her,
Zu schreiben an deine Braut!“
„Schneide du, schneide du dich in deinen
Finger
Und schreibe mit dem Blut.“
9. Kaum hatt’ er das Wort ausgesagt,
Die zweite Kugel ihn traf.
Nun liegt er da und ist schon tot,
Seine Seele schwebt empor.
Die Version ist mit Nr. A 92 573 ebenfalls dem
Deutschen Volksliedarchiv entnommen, mit der Erklärung:
„Wollin, Kr. Stolp, Pommern (Für Str. 9.3-4 ist hier der als
Variante angegebene Text eingesetzt und die Strophe dementsprechend an
den Schluß gestellt statt der anfänglichen Folge Str. 9, 7,
8.)“.
Die größte Popularität erfuhr das
Lied allerdings im Ersten Weltkrieg. Allerdings wurde es, vermutlich
auf Grund des sentimentalen Textes und der besonderen Situation des
Krieges häufig, wie oben gesehen, ins Scherzhafte gezogen, wie das
„Bum bum“ zeigt.
Walther Werckmeister, der das Lied in seinem
„Deutschen Lautenlied" übernommen hatte, gibt an, das
es nach einer westfälischen Volksweise zu singen sei und er es
wohl aus den „Preußischen Provinzialblätter" Nr.
27, Königsberg 1842 übernommen hatte.
Künzig dokumentiert zusätzlich
„eine interessante selbständige Entwicklungsform (die drei
Posten!)“. Sie stammt aus einem handschriftlichen Liederheft des
1916 in Nordfrankreich gefallenen Andreas Meier aus Oppenau:
1. Berlin ist eine wunderschöne Stadt,
darinnen liegt ein Soldat.
Und der musste ziehn in blutigen Krieg,
Wo die Franzosen sein, ja fein,
Wo’s die Franzosen sein.
2. Und als er auf dem ersten Posten stand,
Da weinte seine Braut.
Weine nicht, weine nicht, meine liebe Braut,
Denn weinen hilft nicht mehr, ja mehr,
Das Weinen hilft nicht mehr.
3. Und als er auf dem zweiten Posten stand,
Da weinte sie noch mehr.
Weine nicht, weine nicht, weine nicht so sehr,
Du machst mir’s Herz so schwer, ja schwer,
Du machst mir’s Herz so schwer.
4. Und als er auf dem dritten Posten stand,
Da traf ihn grad ein Schuß.
Sieh, da liegt er schon in seinem Blut
Und spricht kein Wort nicht mehr, ja mehr,
Und spricht kein Wort nicht mehr.
Kurze Ergänzung zu preußisch Eylau und
dem militärischen Konflikt zwischen Russland und Preußen
gegen Frankreich am 7. bis 9. Februar 1807. Hier haben wir die andere,
die militaristische Sicht auf die Schlacht bei Eylau. Franz Wilhelm
Freiherr von Dithfurt dokumentierte die, von einem unbekannten Autoren
notierte Fassung und nach der Melodie „Als die Preußen
marschierten vor Prag“ zu singen war:
Als wir Preußen kamen zur Schlacht,
Vor Eylau, der hohen Stadt,
Die Russen schon viel Leut’ verlieren,
Da mußten wir gleich zu Hülfe
marschieren,
Mit unsern fünftausend Mann,
Auf der linken Seit’ uns stellen an.
2. Da hieß es: Vorwärts, frisch zum
Streit!
Zeigt, daß ihr rechte Preußen seyd!
Wir müssen helfen je den Russen,
Verjagen diese Schelmfranzosen.
Da gingen wir wie der Teufel drauf,
Verjagten, was uns kam in Lauf.
3. Bei Kuhschiß strichen wir ihnen Dreck
Auf ihren französischen Hochmuthsspeck;
Bei Anklappen haben wir sie geklappet,
Daß sie nach Luft und Athem geschnappet;
Bis Sausgarten sind sie hinweggesaust,
So haben wir sie mit Kolben gelaust.
4. Doch unser Häufchen war ja zu klein,
Dazu kam die finstre Nacht herein;
Viel’ waren müde und auch blessieret,
Das russische Heer sehr verwirret:
Da kam die Order um Mitternacht,
Und wurde Retirad gemacht.
Quellen:
Johannes Künzig, Lieder der badischen
Soldaten, (Ausgabe B), Leipzig 1927, Nr. 6 S. 9f.
Artur Kutscher, Das richtige Soldatenlied, Berlin
1917, S. 87f.
Reinhard Olt, Krieg und Sprache. Untersuchungen zu
deutschen Soldatenliedern des Ersten Weltkriegs, Gießen 1980, Bd.
2, Nr. 58 S. 35. Str. 1-3
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) Bd. 1, 1955, Nr.
165, S. 444f.
Walther Werckmeister, Deutsches Lautenlied, Verlag
Adolf Köster, Berlin 1928 Nr. 519, S. 533f.
Franz Wilhelm Freiherr von Dithfurt, Historische
Volkslieder der Zeit von 1756 bis 1871, 1. Bd. II. Die
historischen Volkslieder vom Ende des siebenjährigen Krieges,
1763, bis zum Brande von Moskau, 1812. S. I-VIII und S. 1-362 und
Anhang S. 363-416