Erwin Lendvai
(4. Juni 1882 - 21. März 1949)
(Pseudonym: Devinal)
Erwin Lendvai (auch Lendvay) wurde am 4.
Juni 1882 als Erwin Loewenfeld in Budapest, das damals noch zu
Österreich-Ungarn gehörte, geboren. Seit 1894 wurde der Name
magyarisiert. Nach dem Besuch des Realgymnasiums besuchte er das
Konservatorium und studierte Musiktheorie bei Hans Koessler. 1905 ging
er zu Puccini nach Italien, dem Herkunftsland seiner Mutter. Ab 1906
lebte er in Berlin. Ab 1913 lehrte er Musiktheorie an der
Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus in Hellerau bei Dresden.
Später unterrichtete er bis 1920 Komposition am
Klindworth-Scharwenka-Konservatorium. Die folgenden Jahre verbrachte er
mit wechselnden Tätigkeiten in Weimar (ab 1920), Jena (1922),
Hamburg (ab 1923) und San Remo (1925), danach wirkte er als Dirigent
von Chorvereinigungen in Koblenz, München, Saarbrücken und
Erfurt.
Der jüdische Komponist ging 1933 in die
Emigration, zunächst nur in das dem Völkerbund unterstellte
Saargebiet, dann nach der Volksabstimmung von 1935 über den
Anschluss des Saarlandes notgedrungen in die Schweiz. 1938 floh er
schließlich nach England. In Kenninghall (Norwich) führte er
unter dem Pseudonym „Professor Devinal“ ein
zurückgezogenes Leben. Lendvai starb am 21. März 1949 in
Epsom (Surrey) an den Folgen eines Schlaganfalls.
Werke
Die Oper Elga nach Gerhart Hauptmann, 1916,
Festspielmusik Völkerfreiheit (1930)
eine Sinfonie,
Archaische Tänze,
ein Scherzo für Orchester, Kammermusik,
3 Orgelstücke op. 4. Von größter
Bedeutung sind seine mehr als 450 Chorwerke, in denen er eine Synthese
aus spätmittelalterlicher a cappella-Polyphonie und zeitgenössischem Stil anstrebte.
Als sein gelungenstes Werk betrachtete er selbst sein Glockenlied „Erlöse
dich, Einklang“ (op. 19, Nr. 16).
Als Herausgeber veröffentlichte er eine
Sammlung Der polyphone Männerchor (1928, 6 Hefte) und
beteiligte sich zusammen mit dem späteren Reichssingleiter Carl
Hannemann und Walter Rein an der Herausgabe des Lobeda-Singebuchs für Männerchor (1931/33).
Als Musikschriftsteller verfasste er Beiträge
u. a. zu den Sozialistischen Monatsheften.
Sonstiges
Erwin Lendvai ist der Onkel des ungarischen
Komponisten Kamilló Lendvai.
Literatur
Friedhelm Brusniak: Erwin
Lendvai (1882–1949), der „kühne Neuerer des
Männerchors“. In: Primož Kuret
(Hrsg.): Glasba v dvajsetih letih 20.
stoletja / Music in the twenties of the twentieth century (= 23. slovenski glasbeni dnevi / 23rd Slovenian
Music Days 2008). Ljubljana 2009, S. 197–206.
Hans Gappenach: In
memoriam Erwin Lendvai. In: Melos 20 (1953), S.
173–175.
Hans Gappenach: Erwin
Lendvai zur Erinnerung. In: Der Chor – Zeitschrift für das Chorwesen 3 (1958), S. 48, wieder in: Otto Rüb: Die chorischen Organisationen (Gesangvereine) der
bürgerlichen Mittel- und Unterschicht im Raum Frankfurt am Main
von 1800 bis zur Gegenwart, Diss. Frankfurt
am Main 1964, S. 267 f.
Gesine Schröder: Zum
Streit der Männerchöre in den Zwanziger Jahren: Eine
Erinnerung an Erwin Lendvai. In: 4. Tagung AIM Gender in Stuttgart-Hohenheim, 2.–4. Februar 2006, (2006), S. 10 (online, PDF).
Gesine Schröder: The
Decline of Men’s Choir in 20th Century Germany. An Homage to
Erwin Lendvai. 2013 (online, PDF).
Walter Tetzlaff: 2000
Kurzbiographien bedeutender deutscher Juden des 20. Jahrhunderts. Askania, Lindhorst 1982, ISBN 3-921730-10-4.
Hubert Kolland: Lendvai,
Erwin. In: Neue
Deutsche Biographie (NDB).
Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8,
S. 202 f. (Digitalisat).
Alfred Guttmann notierte
in der Chorsammlung des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes,
Männer-Chöre. Partitur. Verlag des DAS, Berlin, 1929, S. 866:
Lendvai, Erwin, geb.
4.6.1882 in Budapest, lebt seit 1906 in Deutschland, anerkannter
Chorkomponist, der vor allem dem Männerchor ganz neue Wege gebahnt
hat; war Kompositionslehrer am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in
Berlin, Chordirigent in Jena, Altona und Koblenz und ist seit 1928
Chormeister des Volkschores „München-West“; lebt zur
Zeit in Stockdorf bei Planegg.
Kompositionen:
8. Wir wrakken, wir hacken (Lied der
Kohlenhäuer) S. 25ff.)
9. Wir schwingen auf glühendes Eisen
(Schmiede der Zeit), S. 33ff.)
10. Wir, die den Hammer schwingen (Kampflied der
Arbeit)
37. Strebe empor durch Nacht zum Licht
(Arbeiter-Wahlspruch), S. 126f.)
38. Aus Stahlgeleis und Eisenschienen (Die
singende Stadt), S. 1228ff.)
40. Wir waren Knechte und hegten die Saat (Klirr
Sense klirr), S. 137ff.
41. Der Weckruf hallt wacht auf! (Der Weckruf
hallt) S. 140ff.
Bearbeitungen
110. Es steht ein Lind in jedem Tal (Es steh ein
Lind in jenem Tal), S. 314ff.