Bei der regen Thätigkeit, die jetzt der
Sammlung und Erforschung des Volksliedes zugewendet wird, ist es
auffällig, daß nur wenig für ein Sammlung der
bergmännischen Volkslieder, der Bergreien im ursprünglichen Sinne des Worts, geschehen
ist. Carl Friedrich Mosch gab im zweiten Bande seines Werks ‚Zur
Geschichte des Bergbaus in Deutschland’ (Liegnitz 1829) S.
138-210 eine Anzahl meist alter bergmännischer Lieder und
Sprüche,
S. IV
wobei man jedoch eine genauere Angabe der Quellen,
sowie kritische und erklärende Anmerkungen vermist. alles, was
Mosch bietet – mit Ausnahme des Bergwerksreien von Idria –
hat Motiz Döring *(1) in das zweite Heft seiner ‚Sächsischen
Bergreyhen’ (Grimma 1840) aufgenommen, in welchem er ‚die
ehrwürdigen Ueberreste bergmännischer Gesangskunst, wie sie
aus einer längst verschollenen Zeit zu uns herüber
tönten’, zu sammeln gesucht hat **(2).
S. V
Von den 62 Nummern sind ein Theil eben aus Mosch
und andern gedruckten Quellen entnommen, andre nach mündlicher
Ueberlieferung, besonders aus Johanngeorgenstadt und Schneeberg,
mitgetheilt. Außerhalb Sachsens zu sammeln lag nicht in der
Absicht des Herausgebers. Einige Stücke gehören streng
genommen nicht in die Sammlung, da sie, die einen überhaupt keibne
Lieder, die andern keine eigentlichen bergmännischen sind. Wie bei
Mosch wünscht man häufig näheres über Quelle und
Herkunft der Lieder zu erfahren und empfindet nicht selten den Mangel
philologischer Kritik und erklärender Anmerkungen. Aber trotz
diesen Ausstallungen die Döring’sche Sammlung sehr
dankenswert und um so schätzbarer, als seitdem keine ähnliche
wieder veranstaltet worden ist.
Und doch wäre sicher noch viel zu sammeln,
hauptsächlich aus dem Munde von Bergleuten und aus geschriebenen
S. VI
Liederbüchern, die gewis in vieler Hände
sich noch befinden. Auch in Chroniken der Bergwerke und
Bergstädte, in dene Kirchengesangbüchern derselben uns sonst
vielleicht in ältern bergmännischen Büchern mag noch
manches liegen, was verdient zu Tage gefördert zu werden.
Eine kleine Nachlese zu den Sammlungen von Mosch
und Döring biete ich auf den folgenden Blättern.
Einen Theil der mitgetheilten Lieder habe ich
während eines mehrwöchentlichen Aufenthalten in Ilmenau im Sommer 1855
gesammelt. Und zwar habe ich mehrere dieser Lieder von Bergleuten aus
den unweit Ilmenau gelegenen, nur durch die Ilm getrennten Dörfern
Kammerberg und Manebach, von denen jenes weimarsich, dieses gothaischen
ist, singen hören und in geschriebenen Liederbüchern
vorgefunden; für andre – besonders solche, die mehr
geistlich denn weltlich sind – waren jene Liederbücher, von
denen die ältesten in den letzten zwanziger Jahren geschrieben
sein mochten, die alleinige Quelle, und diese Lieder schienen den
jüngern Bergleuten ziemlich unbekannt zu sein. Außerdem
schöpfte ich aus geruckten Büchern, und zwar besonders aus
einem äußerst seltenen *(3) Buch, welches den Titel
Anmerkungen:
1
* M. Döring 29. October 1856 als Conrector zu
Freiberg.
2 **
Das erste Heft der Sächsischen Bergreien (Grima 1839) enthält
lauter moderne, von meist genannten Dichtern (mehrere von Döring
selbst) gedichtete Lieder. Viele darunter sind recht schön,
einzelne, wie z. B. die von Novalis und Körner, vortrefflich, aber
es sind eben keine wirklichen Volkslieder. Andere zum großen Teil
dieselben Lieder enthaltende derartgige Sammlungen sind: Grubenklänge: Eine
Liedersammlung für Bergleute, bergmännische
Sängerchöre und Freunde des bermännischen Gesanges;
herausgegeben von der Gewerkschaft der Zeche Wiesche bei Mühlheim
a. d. Ruhr. Zweite verm. Aufl. Mühlheim a. d. Ruhr 1840. K. Chr.
W. Kolbe, Neuestes Bergreihenbuch oder Sammlung der neuesten
bergmännischen Lieder fröhlichen und ernsthaften Inhalts.
Halle 1843. Hilarius Glückauf, der fröhliche Berg- und
Hüttenmann. Eine Sammlung der beliebtesten Lieder heitern und
ernsten Inhalts für Berg- und Hüttenleute. Eisleben o. J. (in
den letzten Jahren erschienen). Glück auf! 676 Bergmannslieder mit
beigedruckten Melodien nebst 25 Trinksprüchen. Mühlheim a. d.
Ruhr (1857). Johann Nepomuk Vogl, Aus der Teufe. Bergmännische
Dichtungen. Mit Bildern und Singweisen. Zweite verm. Aufl. Wien 1856
(enthält nur Gedichte von Vogl). – Auch im Mildheimischen Liederbuche ist der
Bergmannsstand mit einigen rech unvolksmäßigen Liedern
bedacht.
3
* Ein Exemplar – vielleicht das einzig erhaltene –
findet sich auf der Leipziger Universitätsbibliothek, und es ist
mir der Gebrauch desselben hier in Weimar gütigst verstattet
worden.
S. VII
führt: ‚Neu-vermehrtes
vollständiges Berg-Lieder-Büchlein, Welches nicht allein mit
schönen Berg-Reyhen, sondern auch Andern lustigen, so wohl alt-
als neuen Weltlichen Gesängen, Allen lustigen und frölichen
Hertzen, Zu Ergötzung des Gemüthes, versehen. Gedruckt im
Jahr.’ Dieses Büchlein, welches bereits Uhland (deutsche
Volkslieder S. 977), Erk (deutscher Liederhorts S. 116) und H. R.
Hildebrand (Fr. L. von Soltaus Deutsche historische Volkslieder,
zweites Hundert. Aus Soltaus und Leyfers Nachlaß und andern
Quellen herausgegeben mit Anmerkungen von H. R. Hildebrand. Leipzig
1856, S. 398 und 405) benutz haben, ist in der ersten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts in Sachsen, vielleicht in Freiberg, gedruckt, und
zwar mit Rücksicht auf ein bergmännisches Publikum; denn es
enthält unter zweihundert und etlichen Liedern vierzig wirkliche
Bergmannslieder, darunter mehrere auf Freiberg bezügliche. Die
rein weltlichen Lieder habe ich fast sämmtlich mitgetheilt, von
den mehr geistlichen nur eine kleine Auswahl.
Nächst dem Bergliederbüchlein konnte ich
ein Büchlein
S. VIII
benutzen, dessen Titel lautet: ‚Der GDTT
gelassene BERRGMANN, Das ist Unterschiedliche Geistreiche
Bergk-Andachten So wohl In Morgen, Abend und Täglichen Gebethen,
Als auch in einen kurtzen Communion und Bergkmännischen
Gesang-Büchlein bestehend, Vor hohe und niedrige Christliche
Bergk-Beamte, bauende Gewercken und Bergkleute. Aus der aller edelsten
Fund-Grube Des Heil. Worts GOttes, auch Gottseeliger Männer
Schriften, weyland zusammen getragen von M. Christian Zeidlern,
gewesenen Rector der Saalfeldischen Stadt-Schule. Itzo aber aucf
Begehren von neuen übersehen und vermehret von J. G. Z. S. S. R. *(4) Jena 1693.’
Diesem andachtsbuche ist ein Anhang mit frischer Paginierung und dem
Titel ‚J. R. J. Folgen Etliche Christliche Bergk- und
andere Gesänge’ beigegeben, der neunzehn Lieder
enthält. Ich habe einige daraus mitgetheilt, die sich zugleich,
aber meist in schlechterem Texte im Bergliederbüchlein vorfinden
und demnach beliebt und verbretet sein mußten. Ich suchte solche
auszuwählen, die besonders volksmäßig und
bergmännisch
S. IX
gehalten sind. Kenner der hymnologischen
Litteratur können möglicher Weise von manchem der
mitgetheilten geistlichen Bergmannslieder die Verfasser nachweisen.
Manchem Forscher ist es vielleicht angenehm, wenn
ich hier ein Verzeichnis der Lieder beifüge, die sich in den
„Christlichen Berg- und andern Gesängen“ (mit A
bezeichnet) und in dem Bergliederbüchlein (B) vorfinden und die
ich nicht in meine Sammlung aufgenommen habe. Wenn mit die Lieder noch
sonst bekannt waren, habe ich es bemerkt.
Auf, auf, ihr Bergleut alle,
ihr Christen insgemein … 8 Strophen B
Nr. 81.
Auf, mein Herz, auf auf, ihr Sinnen,
wachet aller Sorgen frei … 13 Str. B
Nr. 198.
Döring II, 74. Bei letzerem einiges falsch,
zum Theil Druckfehler.
Ausbeuthe hat man gegeben
Trinitatis im vierzigsten Jahr … 4
Str. B Nr. 79.
Döring II, 152 und 156.
Das alles, was über und unter der Erden
uns dürftigen Menschen bescheeret mag werden
… 7 Str. A S. 37;
umgestellt und auch sonst verändert
B Nr. 196.
Das Bergwerk wolln wir preisen,
weil Gott drin thut beweisen … 5 Str.
A S. 22;
besser B Nr. 177.
S. X
Das walt der höchste Schöpfer mein,
in Gottes Namen fahr ich ein … 10
Str. B Nr. 51.
Eisleber Gesangbuch 1788, Nr. 487.
Ein Bergmann, der recht lebet
in Gefahr und schwebet … 10 Str. B
Nr. 28.
In der letzten Strophe wird Freiberg
erwähnt, in der 7ten das Erzgebirge.
Ein Bergmann liegt, Herr Jesu Christ,
weil nun der Tag vergangen ist … 13 Str. A
S. 41.
Freue dich, Freiberg, dein Bergwerk noch flimmert
hinne und draußen in deiner Refier…
12 Str. B Nr. 49.
Gelegenheitsgedicht auf Freiberg.
Anmerkungen:
4
* d. h. nach der Unterschrift der Dedication ‚Johannes
Georgius Zimmermann, Schol. Sulz. Rector’, Rector der Schule in
Stadt Sultza im Großherzogthum Sachsen-Weimar.