Im Januar um Mitternacht (2)
(Büxensteinlied)
Das „Büxensteinlied“ wurde aber
nur mit sieben Strophen der neun Strophen des KAPD-Liederbuches
„Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder“.
Herausgefallen sind die Strophen 5 und 8. Von Inge Lammel wird das so
dargestellt, als sei [nur] die fünfte Strophe „in einigen
früheren Arbeiterliederbüchern“ enthalten, aber
„später selten gesungen“ gewesen sei. Die achte
Strophe wird gar nicht erwähnt. Da die Strophen nicht mehr in den
folgenden Liederbüchern übernommen worden waren, wurden sie
natürlich auch nicht mehr (häufig) gesungen. Da aber die
Übernahme des Liedes 1925 von höchster Stelle autorisiert
worden war, wird es Gründe gegeben haben, diese beiden Strophen
heraus zu nehmen.
Büxensteinlied
(aus „Rot Front“ 1925)
1. Im Januar um Mitternacht
Ein Spartakist stand auf der Wacht,
Er stand mit Stolz, er stand mit Recht,
Stand kämpfend gegen ein
Tyrann’geschlecht.
2. Und mit der Knarre in der Hand
Er hinterm Zeitungsballen stand,
Die Kugeln pfeifen um ihn rum,
Der Spartakist, er kümmert sich nicht drum.
3. Und donnernd dröhnt die Artill’rie,
Spartakus hat nur Infant’rie,
Granaten schlagen bei ihm ein,
Die Noskehunde stürmen Büxenstein.
4. O Büxenstein, O Büxenstein,
Spartakus sein, heißt Kämpfer sein.
Wir hab’n gekämpft bei Büxenstein
Und dafür sperrt man uns ihn Zuchthaus ein.
5. Und wofür kämpft der Spartakist?
Damit ihr’s alle, alle wißt:
Er kämpf für Freiheit und für
Recht,
Nicht länger sei der Arbeitsmann ein Knecht.
6. Daß alle Menschen groß und klein
Auf Erden sollen Brüder sein,
Daß niemand leide ferner Not
Und jeder hat genügend täglich Brot.
7. O Spreeathen, o Spreeathen,
Viel Blut, viel Blut hast du gesehn,
In deinem Friedrichshaine ruht
So manches tapfere Spartakusblut.
Es gab allerdings noch weitere Änderungen. So
ist in der KAPD-Fassung in der 1., 3. und 6. Strophe der Kämpfer
als „Kommunist“ statt als „Spartakist“
bezeichnet. Außerdem wurden die Bezeichnung
„Regierungstruppen“ durch „Noskehunde“ ersetzt.
Steinitz macht darauf aufmerksam, dass die
unterschiedliche Bezeichnung der 9. Strophe (in deinem Friedrichsfeld
ruht) und der 7. Strophe von 1925 und später (in deinem
Friedrichshaine ruht) einen zeitlichen Grund haben. So sollten die um
Büxenstein kämpfenden Kommunisten und der ermordete Karl
Liebknecht (ob diese Verbindung so war, sollte noch einmal
unabhängig überprüft werden) in sollten
ursprünglich im Friedrichshain beerdigt werden, doe der
Oberbürgermeister von Berlin Boess soll die Beisetzung verweigert
haben, so dass sie nach Friedrichsfeld, im Osten Lichtenberg ausweichen
mussten. (Allerdings soll es auch ein Friedrichsfelde in Wesel
geben, wo Kämpfer der Roten Ruhrarmee begraben worden seien.
Aufschlussreich noch die Formulierung
„Tyranngeschlecht“, gegen das der „auf der
Wacht“ stehende Kämpfer kämpfen wollte. Immerhin waren
das „Geschlecht“ Sozialdemokraten (bei dieser Aktion
allerdings mit Hilfe rechter Freikorps.
von Rote Gedichte und
Lieder,
Quellen:
Die politischen Lieder von KPD, KJVD und RFB
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1920, Nr. 14;
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1921. S. 10;
Rot Front. Neues Kampf-Liederbuch, Berlin 1925,
Nr. 51 (Anhang),
Zum roten Sturm voran. Kampfliederbuch, Berlin
1926, Nr. 51,
Front Kämpfer Liederbuch, 21.-40. Tausend,
Berlin 1928/29, S. 21,
Mit Lenin. 50 Kampflieder, 21.-40. Tausend (ca.
1928/29), S. 22,
Mit Gesang wird gekämpft'!, 1928, S. 36,
Arbeiter-Lieder (ca. 1929), Eine Sammlung
proletarischer Kampflieder, Wander-, Volks- und heiterer Lieder. - Wien:
Grünberg, 94 S. [Lammel, Biblio. Nr. 4040, S. 67 [wie Nr. 359 ]
S. 28;
Arbeiter-Lieder (ca. 1930), KJVD, Verlag Junge
Garde: Hermann Remmele, Berlin, S. 28,
Arbeiterlieder. Unter roten Fahnen. Kampflieder,
ca. 1930 (Lammel Nr. 428), S. 9;
Inge Lammel, Lieder der Partei, Berlin 1961, Nr.
16, S. 42;
Berger/Lammel, Lieder des RFB (Das Lied im Kampf
geboren, Heft 8), Leipzig 1961, S. 109f.,
Lammel/Andert, Und weil der Mensch ein mensch ist,
Dortmund 1986, Nr. 80, S. 116f.,
Inge Lammel und Ilse Schütt, Hundert
proletarische Balladen 1842-1945, München 1975, S. 118ff.
Heinrich August Winkler, Weimar 1918-1933. Die
Gschichte der ersten deutschen Demokratie,
Werner Hinze, Schalmeienklänge im
Fackelschein, Hamburg 2002
Werner Hinze, Die Schalmei. Vom Kaisersignal zum
Marschlied von KPD und NSDAP. Schriften des Fritz-Hüser-Instituts
für Arbeiterliteratur Bd. 13, Klartextverlag, Essen 2003.