Ihr könnt das Wort verbieten
Ihr könnt das Wort verbieten, - ihr
tötet nicht den Geist,
Der über Eurer Lüge, ein kühner
Adler, kreist!
Ihr könnt das Wort verbieten, doch rollen
wird sein Schall
Hin über Eure Häupter in dumpfem
Widerhall!
So lange wird es rufen zur Tat die schlaffe Zeit,
Wie nach der trägen Mutter das Kind
verlangend schreit,
Bis auf den höchsten Höhen, bis in dem
tiefsten Schacht
Der Mensch zum letzten Kampfe sich aufrafft und
erwacht.
Hei, wie die Steine fallen von Eurer festen Burg!
Durch die gestürzten Mauern glänzt schon
das Frühlicht durch!
Und wenn auch mancher sterbend an Eurer Lüge
sinkt,
Sich auf den leeren Posten ein neuer Kämpfer
schwingt!
Ihr mögt sein Wort verbieten! Ich sehe seinen
Geist,
Wie er, ein kühner Adler, ob Eurer Schande
kreist! –
Dann steigt auf toten Trümmern die neue Zeit
empor,
Und allen leiht sie freundlich ihr immer
off’nes Ohr!
Dann werden die Tage kommen, wo nicht mehr fort
und fort
Das Wort der bangen Sehnsucht auf durstigen Lippen
dorrt;
Wo keiner Frevel nennen die kühne Wahrheit
darf,
Wenn sie den Fluch der Lüge beleuchtet grell
und scharf!
Dann sind wir endlich Sieger! Und Euch, Euch
bleibt die Schmach.
Die auf dem Weg der Freiheit, ein früher
Schatten lag! –
Noch könnt Ihr es verbieten, das Wort, doch
schon sein Geist
Hoch über Eurer Lüge, ein freier Adler,
kreist.
Geschichte / Kommentar:
Das Lied von John Henry Mackay (1864-1933) wurde unseren
Quellen zufolge nur in den beiden Ausgaben des Liederbuchs
„Kampfgesang“ von 1920 und 1921 abgedruckt.
Quellen:
SPD 19. Jh.
Konrad Beißwanger, Stimmen der Freiheit,
Nürnberg 1901, S. 185.
KPD / KAPD
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1920, Nr. 13, S. 23;
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1921. Nr. 20, S. 21