Das Liederbuch des Berliner
Handwerker Vereins von 1848
und seine beiden Nachfolger
1848 - 1859 (2)
Eine Besprechung
„Jede neue Erscheinung,
welche in das Leben tritt, wird mit Misstrauen
angeblickt und muß den Stoff zu Tadel und
Angriffen darbieten. So ist es auch Recht: was
Geltung haben will, möge sich seine Stelle
verdienen, möge durch seine Widerstandskraft
beweisen, daß es berechtigt sei, zu gelten.
Dem Berliner Handwerker-Verein hat es auch nicht an
Tadel und Angriffen gefehlt; und er glüht nur
um so fröhlicher fort. Zu den Vorwürfen,
die demselben gemacht wurden, gehört auch der,
daß durch die Anregungen zu einer poetischen
Thätigkeit der Handwerker nur von seinem
ernsteren Lebensberufe abgeleitet, eitel gemacht
und überhoben würde.“
Die Herausgeber kommen zu
einem positiven Ergebnis, da, die Dichter des
Vereins „ihre Tüchtigkeit in allen ihren
Lebensverhältnissen“ bewiesen
hätten. Im Gegenzug warfen sie den Kritikern
„ein Vorurtheil der
Beschränktheit“ vor, zu glauben,
„daß derjenige, welcher das Schöne
kennen gelernt, darüber das Nothwendige
vernachlässigen werden. Daher wollen man, das
Vorbild des süddeutschen Handwerkerstandes aus
dem 14., 15. und 16. Jahrhundert zum Vorbild nehmen
und im 19. Jahrhundert damit beginnen, eine
Vermittlerrolle zur Kultur in Norddeutschland
„zwischen der Gelehrten und Volksbildung zur
Menschenbildung herbei zuführen“.
Das Liederbuch des Berliner
Handwerkervereins
Dem Liederbuch war dagegen die
folgende Widmung von Ludwig Bisky vorangestellt:
Zur Widmung.
1. Nicht für die Nachwelt
haben wir gesungen,
Noch für des Beifalls
eitles Ruhmgepräge,
Noch auch um Gunst, noch auch
um Goldesklänge;
Frei wie der Lerche heitre
Frühgesänge,
Frei ist das Lied aus unsrer
Brust gedrungen.
2. Denn wie der Frühling
seine Boten sendet,
Wie Wellen spielen mit dem
Silberschaume,
Wie Abendlüfte wehn im
Blüthenbaume,
Wie Nebelbilder ziehn im
Himmerlsraume,
So hat des Sängers Herz
ein Lied gespendet;
3. Das zieht hinaus ins’
hartbedrängte Leben,
Ein Blüthenstaum mit
sanftbewegten Schwingen;
In alle Herzen will es lieber
dringen.
Ein Saitenspiel soll durch das
Weltall klingen,
Ein freudig Klopfen alle Pulse
heben.
4. So klinget denn hinaus, ihr
schlichten Lieder,
Ihr frohen Zeugen harmlos
heitrer Stunden,
Die uns vereint im
Freundeskreis entschwunden,
Und wo ihr nur ein
Menschenherz gefunden,
Erzählt ihm von der
Harmonie der Brüder.
Die Liedinhalte
Das Liederbuch des Berliner
Handwerker-Vereins von 1848 beinhaltet 117 Lieder
in unbestimmter Reihenfolge angeordnet. Davon sind
42 Texte von Vereinsmitgliedern geschrieben (der
größte Teil davon am Beginn des
Liederbuches) und 75 von anderen Poeten bzw.
Volkslieder
Aus dem Kreis der
Vereinsmitglieder sind an Autoren hervorzuheben,
die sich bereits in den drei Gedichtbänden
besonders engagiert hatten:
Bisky, Ludwig (2)
Steinhäuser, W. (10)
Linderer, R. (8)
Kloppstech, L. (3)
Mücke, F., Gesanglehrer
des Vereins (2)
Die größte Gruppe
der nicht von Vereinmitgliedern geschriebenen Texte
sind allgemeine Volkslieder sowie Lieder
unbekannter Verfasser, die teilweise in die Gruppe
der Volkslieder einzubeziehen sind.
Ludwig Uhland (5)
Hoffmann von Fallersleben (3)
Wilhelm Müller (5)
Die Lieder aus der Zeit der
Freiheitskriege sind vertreten durch E. M. Arndt
ferner
Hölty
Methfessel
Matthias Claudius (3)
Herwegh,
Heine,
Herder
Quellen zum nachsehen:
Die Liederbücher von 1859
Mit der Neugründung des
Berliner Handwerker-Vereins von Berliner
Bürgern, die auch schon 1848 dem Vorstand des
Vereins angehörten am 25. Juni 1859
änderte sich auch die politische Richtung.
Hachtmann zufolge war er „Neben einem
kleineren Verein in Bielefeld […] im
Deutschen Bund der einzige Handwerker bzw.
Arbeiterverein, der sich in den sechziger Jahren
nicht dem Allgemeinen Deutschen
Arbeiterverein“ anschloss. Er war geradezu
„explizit gegen die sozialdemokratische
Bewegung gerichtet“. Diese Veränderung
des politischen Wollens konnte man an dem
Liederbuch anhand einiger Lieder eindeutig
festmachen.
Bis einschließlich der
Nummer 103 sind die Lieder identisch. Die folgenden
14 Lieder vielen weg, während 30 andere dazu
genommen wurden. Das wäre nichts besonderes,
wenn sich einfach der Zeitgeschmack geändert
hätte, doch das dürfte hier nicht der
Fall sein. Sehen wir und die 14 weggelassenen
Lieder an.