Bedenklichkeiten
1. Grad’ aus dem Wirthshaus
nun komm ich heraus!
Straße, wie wunderlich
siehst du mir aus?
Du bist berausch!
La la la la la la
la la la, la la la la l
a la, la la la la.
2. Was für ein schief Gesicht,
Mond, machst denn du?
Ein Auge hat er auf,
eins hat er zu.
Du wirst betrunken sein,
das seh’ ich hell:
Schäme dich, schäme dich,
alter Gesell!
3. Und die Laternen erst, -
was muß ich sehn! –
Die können alle
nicht grade stehn,
Wackeln und fackeln
die Kreuz und die Quer,
scheinen betrunken
mir allesamt schwer.
4. Alles im Stürmen rings,
Großes und Klein,
Wag’ ich darunter mich,
nüchtern allein?
Das scheint bedenklich mir,
ein Wagestück!
Da geh’ ich lieber
ins Wirthshaus zurück.
Barbarossa’s Auferstehn
1. Grad’ aus dem Kyffhäuser
Komm’ ich heraus.
Deutschland, wie wunderlich
Siehst Du mir aus.
Rechter Hand, linker Hand
Steht Militär,
Als wenn ’ne Kaserne
Ganz Deutschland jetzt wär’!
2. Was für ein dumm’ Gesicht,
Volk, machst denn Du?
Die Tasche hast Du auf,
Den Mund hast Du zu.
Zu glänzenden Festen
Dein Geld giebst Du schnell,
Du wirst betrogen sein,
Das seh’ ich hell!
3. Und viele Soldaten,
O was muß ich seh’n!
Bedürfen der Krücken
Um grade zu steh’n!
Doch schmücket von Eisen
Ein Kreuz ihre Brust.
Dies Kreuz muß ersetzen
Den Gliederverlust.
4. Siegesbetrunken ist
Groß rings und Klein,
Nur die Demokraten
Sind nüchtern allein,
Doch Unheil verkündet
Ihr finsterer Blick.
Drum kehr’ zum Kyffhäuser
Ich lieber zurück.
Max K.egel
Geschichte / Kommentar:
Das Lied „Grad aus dem Wirtshaus“
stammt vom Studenten Heinrich v. Mühler um 1840. Gedruckt zuerst
in: „Gedicht von Heinrich v. Mühler“. Berlin 1842, S.
163.
Böhme schreibt zu den „Bedenklichkeiten:
„Die Melodie ist die des spanischen Nationaltanzes
‚Cachuacha’. Dieser war durch die spanische Tänzerin
Lola Montey nach Deutschland gekommen, auch von der Elsler, Wirdisch
und Gaglioni getanzt, also damals sehr beliebt, was dazu beitrug,
daß das Lied sich rasch verbreitete und seit 1843 in alle
Taschenlieder- und Kommersbücher überging.“
Die Parodie, das Lied vom Kyffhäuser, schrieb
der junge Max Kegel mit 22 Jahren. Es ist eine Parodie auf Mühlers Lied
und nimmt die Zustände in Deutschland zu Beginn der 1870er Jahre
ironisch ins Visier. Insbesondere natürlich den Krieg gegen
Frankreich.
Quelle:
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern, 3. verbesserte Aufl., Druck und Verlag
der Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 9, Chemnitz
1873, Nr. 35.
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872,
Nr. 13.
Most’s Proletarier-Liederbuch. In
fünfter Auflage zusammengestellt und herausgegeben von Gustav
Geilhof in Chemnitz, 1875, Nr. 26.
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
(3. Aufl.) Stuttgart 1891, Nr. 40.
Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung
sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen, 21. Auflage. New-York
1894, Nr. 58.
Max Kegel’s Sozialdemokr. Ldb, (8. Aufl.),
Stuttgart, 1897, Nr. 43.
Weitere Quellen:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert., Leipzig 1895 Nr. 346,
S. 264f.
Spätere Aufarbeitungen:
nicht vorhanden.