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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Liederbuch für FRÖHLICHE  FÄLSCHER (6)

Richten wir inzwischen unsern Blick nach Spanien, wo der metallurgischen Kunstfälschung bereits Freistätten gewährt werden „Dort ist man (heißt es in den Industrie-Blättern 1877, S. 111) an die Fabrikation folscher Goldstücke dermaßen gewöhnt, daß selbst bei großen Zahlungen in Gold der Bankier jedes einzelne Stück auf dem Tische erklingen zu lassen pflegt, um sich von der Echtheit zu vergewissern. Jeder Fremde, der in Spanien reist, muß in dieser Beziehung Lehrgeld bezahlen und auch dem Unverdächtigen kann es begegnen, daß er gelegentlich von seinem Nachbar an der Table d’hote im Vertrauen eingeladen wird, sie an irgend einer fabelhaften Gewinn versprechenden Falschmünzer-
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Association zu betheiligen. Die Agenten der Falschmünzer sind über das ganze Land verbreitet und gehören allen möglichen Nationalitäten an. Im Jahre 1869 war es in Madrid öffentliches Geheimniß, daß sich die größte Falschmünzter-Werkstätte im dortigen Gefängnis, dem sogenannten Saladero, befinde.“ Also: auf, nach Valencia!

Seite 3. Thee-ologisches. Ei! über den Thee ließe sich noch viel sagen und mancher gute Wink geben.! Der Verfasser hat z. b. das Kräutlein Ehrenpreis ausgelassen, welches wohl einen Ehrenpreis unter den Mitteln verdient, die der deutsche Fälscher verwendet hat, in dem Bestreben seinem chinesischen Kameraden nichts nachzugeben. Ob der Ehrenpreis jetzt noch in der Fälscherpharmacape eine Platz verdient, wird der Specialist wissen, uns kann hier nur die Thatsache interessiren, daß dieses Kraut vielleicht daß erste war, mit dem man in Deutschland Thee kunstfälschte. Die ersten Thee- und Kaffeehäuser kamen in Deutschland bekanntlich um das Jahr 1712 (erstes Kaffeehaus in Stuttgart; Berlin erhielt ein solches erst 1721) auf und in Dr. Hönns Betrugs-Lexikon (II. Theil.) b. J(?). 1743 heißt es schon:

„Caffé- und Thée-Schenken betriegen: Wenn sie unter den Thée von den Kraut, welches Ehrenpreis genennet wird, und hier in Teutschland sehr wohlfeil ist, mengen.“

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Es handelt sich hier freilich nur um die fertige Theebrühe, in Bezug auf welche es weiter von den Wirthen heißt:

„Wenn sie ihren Gästen den verlangten Thee oder Caffe, schon in der Kanne mit den allergeringsten Zucker, damit man ihn nicht sehen möge, versüßer vorsetzen, oder da der Zucker frey aufgetragen weren muß, solches schlechte Gut mit schönen weißen Mehr vermengen, als ob es der feinste Canarie-Zucker sey.“

Und mit solcher Orthographie konnte damals der Dr. (!) Bath (!) und Amtmann (!) Hänns in Coburg wagen, dem Publikum Vorurtheile gegen das aufstrebende Gewerbe der wirthlichen Theefälscher einzuflößen!

*
Seite 5 / Strophe 5. Einkehr.
Mit wenigen rühmenswerthen Ausnahmen sind leider die Bierbrauer von heute unter die sog. ehrlichen Leute gegangen. Der Bierphilister weiß glücklicherweise davon nichts und zetert und mordiot um die Wette mit zeilensüchtigen Reportern und Abschreibern alter Märchen gegen die, ohnmächtige Wuth schnaubenden Malz- und Hopfenjunker. Was hilft es dem Brauerbund, Preise für den Nachweis schädlicher Hopfensurrogate, die etwa in Bierbrauereien verwendet werden, auszusetzen? Der Brauknecht kann sich den
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Denunzianttenlohn nicht erwerben, weil es nichts dergleichen zu denunziren gibt und der Bierphilister hält solche Preisausschreibungen für Spiegelfechtereien und schwört auf seine belletristische Sonntagskost, wo Schwarz auf Weiß zu lesen, daß das Bier statt mit Hopfen meist mit Klee, Strychnin, Picrotorin, Quasila, Herbstzeitlose, Parst, Tollkirsche, Picrinsäure und andrem Zeug von den Brauern vergiftbittert werde. Daß dieses Ales vereinzelt früher vorgekommen, daß unsre lieben Braubrüder in England wohl heute noch Einzelnes davon zur Hopfenersparung brauchen, wissen wir ja alle, daß aber das summarische Verfahren, alle diese Gifte den heutigen deutschen Bierbrauern in den Braukesssel zu lügen, eine Erfindung sachverstandesloser Gesellschaftretter ist, das wissen nur wir und einige wenige Andre. Das sollte uns aber nicht abhalten, Lorbeerkränze den Verbreitern solcher Nachrichten zu winden. Gehören sie doch zu uns, denn, indem sie den wahren Sachverhalt, wenn auch aus Unverstand, fälschen, lenken sie den Verdacht von denen ab, die wir die Unseren nennen, sowei sie zu dem Geschlechte der Bierwirthe und der sog. Bierverleger gehören. Wir haben einen lieben Freund und Bierverleger, der aus einer Tonne vom Brauer gekauften guten Bieres nicht weniger wie sieben Tonnen Bier durch „Streckung“ gewinnt (Industr.-Blätter 1877, S. 378). Wasser macht das Bier elastisch und streckbar, Glycerin macht’s vollmundig und nichts geht über die Kraft und Ausgiebigkeit
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der Picrinsäure, einenm soclhen Bier die landesübliche Bitterkeit zu ertheilen. Für Kenner ist’s freilich nicht, aber der „Kleine Mann“, an dem immer noch am meisten zu verdienen, weil er am wenigsten schreien kann, trinkt’s für Bier und ist fröhlich dabei.


Seite 7. Es lebe die Humanität! 
Fürwahr diesen Hymnus sollte kein dankbarer Fälscher ungesungen lassen! Die ärgsten Feinde unserer Kunst sind die Aussicht auf körperliche Züchtigung und die Veröffentlichung unserer Namen. Die erstere kommt zur Zeit glücklicherweise gar nicht mehr in Betracht, die letztere gilt, dank der Einsicht dieser Juristen, meist für unzulässig (Löbner, Maßregeln gegen Verfälschungen etc., Chemnitz 1877, Seite 37). Preisen wir uns glücklich, daß unser Jahrhundert die Begriffe von Humanität so zu fälschen verstand, daß Jedermann für gerecht hält, sein säuberlich die Bestie im Menschen, wenn sie entfesselte, mit Handschuhen anzufassen und sie zur Strafe nur zu scheeren, statt sie durch Stockhiebe in ihren Käfig zurückzutreiben; freuen wir uns, daß Derjenige, welcher dem schutz- und hülflosen Kinde durch gefälschte Milch die Lebenstage kürze,. im Vertretungsfalle dies mit einer geringen Abgabe seines Gewinnstes büßen darf, statt daß ihm die Schamröthe künstlich durch Ruthen in den Rücken und sonst wohin getrieben wird. Die Wirksamkeit
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körperlicher Züchtigung war leider unsern Vorfahren nur zu gut bekannt. In Kaiser Karls V. und des Heil. Röm. Reichs Hals- oder Peinlichen Gerichtsordnung von 1533 heißt es z. B.:

„Item welcher bößlicher vnnd geverlicher weiß / maaß / wag / gewicht / specerey oder ander Kauffmannschaft felscht / vnnd die für gerecht gebraucht vnnd ausgibt / der soll zu peinlicher straff angenommen / im das Land verboten / oder an seinem leib als mit rutten außhawen oder dergleichen / nach gelegenheyt vnnd gestalt der überfarung / gestrafft werden / vnnd es möchte solcher falsch als offt gröslich vnnd boßhafftig geschenen / daß der thäter zum todt gestrafft werden soll.“

Löbner bemerkt (a.a.O.) dazu:

„Diese barbarischen Bestimmungen wichen unsrer mehr als humanen Strafgesetzgebung. Was aber die älteren strengen Strafgesetze nicht ganz unterdrücken konnten, daß hat unsere milde Gesetzgebung befördert.“

Wir gestehen gerne zu, daß wir diesmal mit einem unsrer Feine ganz derselben Ansicht sind.

Ganz außer Frage kommt zu unserm großen Glück noch eine Strafe des Mittelalters, die nicht minder empfindlich war, als Züchtigung und Veröffentlichung des Namne; wir meinen den Zwang, die gefölschten Lebensmittel selbst zu genießen. So wurde auf die Anzeige, daß eine Frau gefänglich ein-
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gezogen worden sei, weil sie einen „Alünstein in ein halb Fude3r Wins, daz ir were, gehangen etc.“ nach dem Schöffenbuch des Oberhofes- zu Ober- Angelheim das Urtheil gefällt: man solle von demselben Steine in denselben Wein ein Glas voll schaben und der Frau dann zu trinken geben! „bekomet ir der Drang da wole / - so hat sie dat vmb nit virbrochen; ist es ir aber schedtlich / - so neme sie den Schaden.“

Gewiß im Andenken an diese barbarische Strafe hat ein missgünstiger, schadenfroher Poet folgende, im Berliner Rathhauskeller zu findende Inschrift erdacht:

Wer Biere fälscht und Weine tauft,
Ist werth, daß er sie selber sauft.

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