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Liederbuch für FRÖHLICHE  FÄLSCHER (2)

nebst etlichen weisen Sprüchen, Regeln und Glossen, Waaren etc.
BERLIN 1878
Emil Jacobsen (Allgemeiner Verein zur Verfälschung von Lebensmitteln)
XIII
Schließlich rufen wir Euch mit dem Dichter zu:

Scheer’ Euch nicht Gewissenspein
und nicht Katzenjammer,
Laßt die Anderen Ambos sein,
Selber seid nur Hammer.

Ueberschwemmt die Welt und sein
Ganz mit Euern Werken,
Dann zum Lohn wird reiner Wein
Nur Euch freu’n und stärken. -

Fälscher groß und Fälscher klein
Schau, daß er nicht falle;
Vor der Polizei allein
Nur sind gleich wir Alle.


Der Vorstand
des allgemeinen Vereins zur Verfälschung
von Lebensmitten, Waaren etc.



Inhalt
Pro domo
Der vergnügte Gastwirth  1
Thee-ologisches 3
Einkehr 5
Es lebe die Humanität!  7
Kohlensaures Geheimnis  9
Müllerlied  10
Der Knapphans  11
Kunstgesundheitswein  13
Aber Bismarck!  16
Schlachtgesang  18
Die besorgte Natur  19
Alles nur ein Uebergang!  22
Der zufriedene Milchbauer  24
Splitterrichter Ihr!  26
Vitriolöl  28
Wie macht man Wurst?  30
Thierschutz  32
Rundgesänge  33
Etliche weise Sprüche und Regeln  37
Für die lieben Fälscher-Kleinen  41
Der kleine Moc-Zumpt  42
Vorurtheil  43
Glossen  46



Der vergnügte Gastwirth (S. 1f.)
(Mel.: „Ich habe den ganzen Vormittag etc.“)

1. Ich habe den ganzen Vormittag
In Rheinwein ’rum gemanscht,
Drum sei nun auch am Nachmittag
Das liebe Bier verpanscht.
Ich weich’ nicht eh’r vom Brunnen heut,
Bis dass er mir kein Wasser speit.
:,: Schmierallera, lallera, lallerala. :,:

2. Es sagte mir ein Chemicus,
Er habe ausgeheckt,
In jedem Menschenleib per muss
Drei Fünftel Wasser steckt,
Und setzt er dies in Spir’tus um,
So kriegt er das Delirium.
:,: Schmierallera, lallera, lallerala. :,:

3. Aus purer Menschenfreundlichkeit
Und ohne ein Counceur,
Verdünne ich nun allezeit
Bier, Wein und auch Liquer.
Das ist wie mit dem Häflichsein:
Es kostet nichts und bringt viel ein!
:,: Schmierallera, lallera, lallerala. :,:

4. Die Differenz an Alkohol
Die nehm’ ich selbst auf mich,
Vom Wasser nie ein Tropfen wohl
Die Kehle mir beschlich.
Trotzdem halt’ ich an Pindar fest:
Das Wasser ist das Allerbest’.
:,: Schmierallera, lallera, lallerala. :,:


Thee-ologisches

1. Fern im Ost das schöne China
Ist des Theees Vaterland,
Wo ein alter Mandarin ja
Auch’s Porz’lan dazu erfand,
Darin, sich zuerst bedenkend,
Der Chinese brüht das Blatt,
Und das müde Kräutlein schenkend,
Wenn er es getrocknet hat.

2. Noch zu theuer, noch zu schade
Würden China’s Blütter sein,
Wenn an unserem Gestade
Sie dann endlich treffen ein,
Würde nicht – o wie verdienstlich! –
Eh’ man ihn geniesst mit Rum,
Hier den Thee der Fälscher künstlich
Präparir’n dem Publikum.

3. Schönstes sucht er auf den Fluren
(Was sonst nur das Aug’ entzückt
Bei poetischen Natguren),
Womit unsern Thee er schmückt.
Blatt von Erdbeer, Ulme, Weide,
Eiche, Hagedorn und Schleh’,
Weidenröschen, Buche – Freude
Macht ihm Pappel auch im Thee.
4. Dass das Herbe mit dem Zarten
Gebe einen guten Klang
Mischt er zu den theuren Arten
Gummi und Tannin „damank“.
Jedem giebt er eine Gabe.
Liebst den Thee du grünlich, ja?
Sieh’! schon färbt die Blätterlabe
Eisenblau und Curcuma.



Einkehr. (S. 5)
(Mel.: „Bei einem Wirthe wundermild etc.“)

1. Bei einem Wirth an neuen Thor,
Da war ich jüngst zu Gaste,
Er kam zuerst bekannt mir vor,
Als ich in’s Aug’ ihn fasste.

2. Ich hatte Hunger, hatte Durst
Und bat um einen Schoppen;
Der Rothwein kam, es kam die Wurst –
Nanu! Will man mich foppen?!

3. Es roch die Wurst – nun, am Hauptgout
Werd’ freilich ich nicht sterben,
Doch dieser Wein, die Farb’ dazu –
So kann nur Einer färben.

4. „Herr Wirth!“ so rief ich, „lieber Bier!“
Und als auch dies gekommen,
Ward nach drei Zügen oder vier
Der Kopf mir schon benommen.

5. Gestrecktes Bier! Mit Glycerin
Es süffig der Adeöt macht,
Und dieses Bitter ist Picrin;
Nur Einer solch Recept macht!

6. Der Spass ging mir nun doch zu weit,
So dass ich „Grog!“ gewunken.
Er kam, ich roch – vermaledeit!
Auch der blieb ungetrunken. -

7. Der Wirth, der summte nur „Ja! ja!“
Und thät ein Prieschen schnuppen.
Mit einmal von den Augen da
Fiel mir’s herab wie Schuppen:

8. Es war der Wirth Herr Wasserwenz,
Der treuste meiner Kunden;
Conleur, Recept und Rumessenz
Die hab’ ich selbst erfunden.



Es lebe die Humanität! (S. 7)

1. Jetzt schwingen wir den Hut –
Das Strafgesetz ist gut!
Dank unserem Jahrhundert!
Wie wären wir verwundert,
Kehrte man einmal um
Zu früh’rem Saeculum.

2. Hoch, hoch, Humanitas!
Wer kauft sich dafür was?
Wir, Wir die Auserwählten,
Die einstmals viel Gequälten.
Grandmal und Staupenschlag
Sah’n längst den letzten Tag.

3. Muss ich den Beutel ziehn,
Weiss ich doch, Rückgewinn
Mir nächstes Mal wird lachen;
Muss es nur besser machen!
Die Geldstraf’ preis’ ich laut –
Gerettet ist die Hau5

4. Hoch, Lied vom braven Mann,
Der ersten Sieg gewann,
Die Menschenwürd’ als Waffe,
Ueber die Prügelstrafe.
Vor ihm nur, ehrend ihn,
Lasst uns die H - - üte ziehn.



Kohlensaures Geheimniß (S. 9)
(Mel.: „O Tannenbaum etc.“)

Sanct Struve hat modernerweis’
Den Pindar aufgebessert,
Trinkhallen sind die Tempel, wo
Die Welt verbrausewässert.
Es strömt Kind, Kegel, Mann und Frau,
Als wie zu einem Wunderbau,
Zur kohlensau-, zur kohlensau-,
Zur kohlensauren Jungfrau.    

2. Ach kennten sie, ach kennten sie
So mancher Bud’ Mysterien,
Wo nichts als Luft das Wasser hat –
Die Kohlensäure Ferien,
Die dicke Freundschaft würde lau,
Es würden Alt’ und Junge schlau;
Zu Essig würd’ die kohlensau-,
Die kohlensaure Jungfrau.


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