Freie Liebe
Frei sei die Liebe! – Keine Kette binde
Die Hände, die der freie Wille
fügt!
Vielleicht, daß einst das Auge dir, das
blinde,
Die Wahl des ersten, heißen
Fühlens rügt.
Dann sollst du frei sein! – Kommen soll und
gehen
Der Mann zum Weibe, und das Weib zum Mann,
So frei wie droben frei die Winde wehen!
Frei sei die Liebe! – Wahlich dann
erst, dann:
Dürft Ihr von Liebe sprechen,
Sittenwächter,
Die Ihr uns unser Liebesglück nicht
gönnt,
Und – echter Lebenslust arme Verächter
–
Zu tadeln wagt, waxs nicht verstehn Ihr
könnt.
Hinweg mit Euch! – Gezählt sind Eure
Tage.
Natur, die starke, ist in uns erwacht,
Und sie zermalmt mit einem Flügelschlage
Gesetze, Sitten, Euch und Eure Macht!
Geschichte / Kommentar:
Ein Gedicht von John Henry Mackay aus seinem Band
„Sturm“ aus dem Beginn des 20. Jahrhunders.
Quellen:
John Henry Mackay, Sturm, 5. durchgesehene und
vermehrte Aufl.. 6.-7. Tausend, Definitive Ausgabe, Troptow bei Berlin,
Bernhard Zacks Verlag, 1912, S. 39