Es hat sich ein Fähnrich
Beispiel G (7)
1. Es hat sich ein Fähnrich in ein
Mädchen verliebt:
:,: Eine hübsche, eine feine, eine
Bierbrauersmamsell. :,:
2. Das Mädchen ist mein, kann anders nicht
sein,
:,: Denn sie hat es mir versprochen, mein eigen zu
sein. :,:
3. Wenn Vater und Mutter sagen, ich sei noch zu
jung,
:,: Wollen wir uns doch lieben, heimlich in der
Still’. :,:
4. Soldaten sind tapfer im Frieden und Krieg,
:,: Im Kampf und in der Liebe erringen sie Sieg. :
,:
5. Und der König von Preußen hat es
selber gesagt.
:,: Daß alle jungen Burschen müssen
werden Soldat. :,:
6. Und die hübschen und geraden sucht der
König sich aus,
:,: Und die Krummen und Lahmen schickt er wieder
nach Haus’. :,:
7. Gern steh’ ich auf Posten, kommt mein
Schatz anspaziert.
:,: Wird stramm stillgestanden, ’s Gewehr
präsentiert. :,:
8. Doch dabei, ach, muß ich machen ein sehr
böses Gesicht,
:,: Weil ich mal für Lachen eine strafe
gekriegt. :,:
9. Die traurigen Briefe schicken wir ja nach
Haus’.
:,: Denn sie treiben unser’n Eltern die
Taler heraus. :,:
10. Und sie lassen sich erweichen und schicken uns
Geld,
:,: Daß allen jungen Burschen das Leben
gefällt. :,:
Gewährsmann: St. Wangart, InfRgt. 113, DVA
400
Nach Olt 1980.
Geschichte / Kommentar:
Das Lied haben wir erstmalig in Johann Lewalters
Niederhessischen Volksliederbuch von 1890 in dieser Version gefunden:
1. :,: Es hatt sich ein Fähnrich / in ein
Mädchen verliebt :,:
:,: Eine hübsche, eine feine, :,:
Eine hübsche, eine feine, eine
Bierbraursmamsell,
Eine Bierbraursmamsell.
2. :,: Wenn’s der Vater oder Mutter / Nicht
mehr haben wollen, :,:
:,: Ei, so rede du ganz alleine :,:
Ei so rede du ganz alleine mit mir in der Still,
Mit mir in der Still.
3. Habe Posten gestanden, / Das Gewehr auch
präsentieret, :,:
,: Hab so manches schönes Mädchen :,:
Hab so manches schönes Mädchen in das
Schilderhaus geführt, :,:
In das Schilderhaus geführt.
4. :,: Liebe Eltern, wollt ihr wissen, / Was
Soldaten gebühret? :,:
:,: Bei der Nacht ein schönes Mädchen :,:
Bei der Nach ein schönes Mädchen, bei
Tag ein blank Gewehr
Ist Soldatenmanier.
5. Der Kronprinz von Preußen / Sucht sich
seine Leute aus :,:
:,: Und die Buckligen und die Lahmen :,:
Und die Buckligen und die Lahmen schickt er wieder
nach Haus,
Schickt er wieder nach Haus.
6. :,: Die traurigen Brief / Schicken wir alle
nach Hause, :,:
:,: Denn sie treiben ja unsern Eltern :,:
Denn sie treiben ja unsern Eltern die Thaler
heraus,
Die Thaler heraus.
7. :,: Das Mädchen ist meine, / Kann anders
nicht sein, :,:
:,: Denn sie hat es mir versprochen :,:
Denn sie hat es mir versprochen, mein eigen zu
sein,
Mein eigen zu sein.
Lewalter dokumentiert, dass die 5. Strophe einem
anderen Lied (Der Kurfürst von Hessen) entnommen, aber niemals
aufgeschrieben worden war. Er hat es sich von „einige[n]
alte[n] Hessen“ vorsingen lassen und folgendermaßen (mit
Noten) angeführt:
Der Kurfürst von Hessen [S. 43:]
1. Der Kurfürst von Hessen Ist ein
kreuzbraver Mann,
Denn er kleidet seine Solidaten So gut wie er
kann.
2. Der Kurfürst von Hessen Der hat es gesaht,
Das alle jungen Burschen Müssen werden
Soldat.
3. Und die Hübschen und die Feinen / Die
sucht man heraus,
Und die Lahmen und die Buckligen / Die
läßt man zu Haus.
4. Mein Vater und meine Mutter / Und meine ganze
Verwandtschaft
Und die haben mich und die haben mich / Um mein
Schätzchen gebracht.
Die letzte Strophe dieses Hessenliedes vergl. mit
Nr. 79, S. 151 bei (v. Birlinger:) Schwäbische Volkslieder (1864)
Scherrer bestätigt Lewalters Behauptung,
meint aber darüber hinaus, dass auch die Strophe mit den traurigen
Briefen an die Eltern (6) aus einem anderen Lied stammen würde,
ohne allerdings das Lied zu benennen.
Lewalter versucht auch eine Verbindung zu Arnims
und Brentanos „Wunderhorn“ herzustellen, ist damit aber
nicht erfolgreich. Obwohl der Ursprung des Liedes durchaus in jener
Zeit liegen könnte.
In den pro-kriegerischen Vorlagen zum Ersten
Weltkrieg ist das Lied nicht vorhanden, umso mehr aber in den
Sammlungen aus der Zeit während des Krieges und danach.
Kurze Analyse
Aus den mir vorliegenden sieben Versionen ergibt
sich ein Bild, das zwischen Männerphantasien und
Männerängsten ebenso schwankt wie zwischen
Selbstbewusstsein und Unsicherheit.
Die Strophen 1-3 und 6 sind im Wesentlichen
identisch und sind in allen Versionen vorhanden.
Der junge Soldat ist verliebt und behauptet die
Bierbraumamsell sei „sein eigen“. Ängstlich
ergänzt wird diese Behauptung mit dem Zusatz, sie habe es ja
versprochen. Die sich dahinter versteckende Sorge war nicht
unbegründet, gab es doch genug Gerüchte darüber, was die
Frauen in der Heimat während seiner Zeit als Soldat, ob im Feld
oder an einem anderen Ort vor dem Beginn der direkten Beteiligung am
Krieg, machen würden. Eine Sorge so mancher Soldaten, die ja
auch von der Kriegspropaganda der anderen Seite aufgegriffen wurde.
Die Situation, dass ein junger Mann für die
Liebe zu jung, aber für den Krieg nicht sei, hat ihre eigene
Dimension.