Der Haß
1. Du armer Mann, der du so heiß geliebt
Dein theures Weib, das niemals dich betrügt,
Es starb dahin vor Elend und vor Noth;
Dein Sohn fand in der blut’gen Schlacht den
Tod,
:,: Du selbst bist hungernd, bist so krank und
blaß –
Was ist geblieben dir? – Es blieb der
Haß. :,:
2. Das ist der Fluch, der auf der Arbeit ruht,
Das Zeichen Kains in blutig rother Bluth,
Das dem Enterbten auf der Stirne flammt,
Zu Siechthum ihn, zu Leid und Tod verdammt.
–
:,: Du kennest diese Fluch, ohn’
Unterlaß
Auf diesem Fluche ruht dein ganzer Haß. :,:
3. Und die sich freuen über solchen Fluch,
Der die Enterbten bis ins Leichentuch
Verfolgt und hetzt in namenloser Pein –
Sie preisen ihn beim vollen Glase Wein,
:,: Weil er für die Scheuer füllt, das
Faß –
Auf diesen Jubel wirf du deinen Haß. :,:
4. Wie schön ist doch die Erde, o wie
schön!
Noch blickt man sehnsuchtsvoll nach
Himmelshöh’n;
Doch hier auf Erden ist das Paradies
Vom Augenblick, da uns der Fluch verließ
–
:,: Wir wollen bannen diesen Fluch, auf daß
Zur heil’gn Liebe werde unser Haß. :,:
Geschichte / Kommentar:
Das Lied von dem „Armen Mann“ schrieb Wilhelm
Hasenclever auf
die Melodie: Das Lied von der Thräne.
Wir wissen nicht, ob damit das Lied „Wohl
war es eine Seligkeit" mit dem Titel „Die Thräne"
gemeint ist und bitten um Mithilfe.
Quelle:
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
3. Aufl., Stuttgart, 1891, Nr. 53, S. 82.
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
8. Aufl., Stuttgart, 1897, Nr. 56, S. 82.
Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung
sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen. Einunszwanzigste,
bedeutend vermehrte Auflage. New-York 1894, Verlag von Brausewetter
& Benedix, Alt-Bitamo, Druck von William Lehmann, 7. Avenue 596.,
Nr. 47, S. 54.
Konrad Beißwanger, Stimmen der Freiheit,
Nürnberg 1901, S. 685.