Die Kette drückt die kühne Hand
1. Die Kette drückt die kühne Hand,
Mein Geist schwebt über Kerkers Wand,
Ist bei der Mutter von hier (1)
Und auch, treu Liebchen, auch bei dir.
2. Als ich von Mannheim fortgewollt,
Nahmst du das Band von schwarz-rot-gold,
Hast mir damit die Brust geschmückt
Und liebend mich ans Herz gedrückt.
3. Was ich gewollt, hab ich vollbracht,
Den Schurken deckt des Grabes Nacht.
O, nenn’s nicht Bosheit, nicht Verrat,
Nicht Meuchelmord die kühne Tat.
4. Sei still und weine nicht, treu Lieb,
Blick nicht so finster, nicht so trüb!
Sei stark, vertrau’ auf deinen Gott,
Obgleich ich gehe zum Schafott.
5. Der große Gott im Himmelszelt
Hat unserer Liebe Bund bestellt,
Er trennt ihn nur für kurze Zeit,
Dort schließt er ihn für Ewigkeit.
6. Drum steig ich kühn zu dem Schafott
Und schwing mich auf zum Freiheitsgott.
Er hat beschlossen meinen Tod,
Gepriesen sei Gott Zebaoth.
(1) wohl: weit von hier. – W. St.
Geschichte / Kommentar:
Das Lied ist aus einem handschriftl. Liederheft
der Minna Ediger aus dem Jahre 1883. (DVA A 150 652 aus dem Institut
für Heimatforschung in Königsberg 1934“ (ehem.
Ostpreuß. Arch.).
Wolfgang Steinitz ordnet das Lied in die Rubrik
„Sandlied“, also Lieder auf den Studenten und
Burschenschaftler Karl Ludwig Sand (1795-1820), der 1820 hingerichtet
worden war. Sand hatte zuvor den „als zaristischen Agenten
berüchtigten und verhaßten“ (Steinitz) A. v. Kotzebue
erstochen.
Das Lied sei Steinitz zufolge das einzige Lied,
das „seine patriotische Tat organisch mit seiner Liebesgeschichte
verbindet“. Andere Fassungen seien nicht bekannt.
Als ich zur Fahne fortgemüßt,
Hat sie so herzlich mich geküsst,
Mit Bändern meinen Hut geschmückt
Und weinend mich ans Herz gedrückt.
Quelle:
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) Bd. 2. 1962; Nr. 186,
S. 10f.
DVA A 150 652 aus dem Institut für
Heimatforschung in Königsberg 1934“ (ehem. Ostpreuß.
Arch.).