Barbarossa
1. Der alte Barbarossa, der Kaiser Friederich,
im unterird’schen Schlosse hält er
verzaubert sich.
2. Er ist niemals gestorben, er lebt darin noch
jetzt;
er hat im Schloß verborgen zum Schlaf sich
hingesetzt.
3. Er hat hinab genommen, des Reiches Herrlichkeit
und wird einst wiederkommen mit ihr zu seiner
Zeit.
4. Der Stuhl ist elfenbeinern, darauf der Kaiser
sitzt,
der Tisch ist marmelsteinern, worauf sein Haupt er
stützt.
5. Sein Bart ist nicht von Flachse, er ist von
Feuersgluth,
ist durch den Tisch gewachsen, worauf sein Kinn
ausruht.
6. Er nickt als wie im Träume, sein
Aug’ halb offen zwinkt,
und ja nach langem Raume er einen Knaben winkt.
7. Er spricht im Schlaf zum Knaben: Geh hin
vor’s Schloß, o Zwerg,
und sieh, ob noch die Raben herfliegen um den
Berg.
8. Und wenn die alten Raben noch fliegen immerdar,
so muß ich auch noch schlafen verzaubert
hundert Jahr.
Geschichte / Kommentar:
Das Gedicht schrieb Friedrich Rückert 1815.
Publiziert wurde der Text zuerst in seinem „kranz der Zeit“
2. Bd. Stuttg. und Tübingen 1817, S. 270. In Rückert’s
Gedichten I, 1868, S. 168 unter „Zeitgedichte“ 1814-15.
Die Melodie schrieb Jos. Gerbach 1824.
Franz Magnus Böhme zufolge war das Lied
„in ganz Deutschland und Oesterreich verbreitet und überaus
beliebt bei Jung und Alt“. Außerdem vermerkt er, dass er es
in Salzburg von mehreren älteren Frauen vorgesungen bekommen
hatte, als er sie „um alte heimische Sagenlieder“ befragte.
Die Frauen nannten als „Aufenthalsort des schlafenden
Kaisers“ den nahen „Untersberg“, von dem es
„dieselbe Bergentrückungssage“ gebe, wie vom
Kyffhäuser.
Böhme verweist in diesem Zusammenhang auf die
Lieder Tannhäuser hin (EB 1, Nr. 18, besonders S. 41 und Nr. 32
(Wilhelm Tell), besonders S. 101
Vergl. über die Sage Liederhort (, S. 49 u.
101.
Quelle:
Berliner Turnlieder-Buch. Mit einstimmigen
Singweisen, Berlin, bei Wilhelm Besser, o.J. (ca. 1850), Nr. 4, S. 5f.
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895 Nr. 80,
S. 66.