Die Gesellen
1. Der Kaiser zu der Kais’rin sagt:
„Was hast Du da für schöne
Nadl!“
„Ja, schau, dies ist von Karsbad,
vom Nadlermeister Dexter Karl!“
2. So sind die Nadeln hoch geehrt
doch die Gesellen sind entehrt,
sie haben nicht vom Ruhm davon
und kriegen einen schlechten Lohn.
3. Drum sind wir selbdritt betteln gangen
und haben Sonnabend angefangen.
Nun hört, ihr lieben Herbergsgesellen,
ich will den Hergang Euch erzählen.
4. Der Müller Wenz war butterweich
und sagt: „Die Zehne zahl ich gleich,
denn ihr verdient ja doch nichts dran.“
Dann kamen wir beim alten Heyer an.
5. Der warf uns gleich zur Tür hinaus
und schrie: „Ihr kriegt mir keine
Laus!“
In Zweistorchen wohnt ein braver Mann,
das ist der Herr Franz Zimmermann.
6. Der war der erste, der was zahlt
und sich im Wirtshaus nicht hat prahlt:
„Ei, setzt Euch nieder, meine Herrn,
ich zahle die 10 Kreuzer gern!“
7. Dann sind wir kommen zur Karlsburg,
da macht uns der junge Heyer Surg,
der griff nach seinem Schießgewehr
und sagt: „Ich zahle euch nicht mehr.“
sind entehrt
8. Nun kommen wir zum Stefansturm,
da hören wir ein groß’ Gesurm.
es war wie in den Bienenstock,
und sie saß da im Unterrock.
9. Sie schrie: „Hinaus! er zahlt nicht
mehr!“
und langte auch nach dem Gewehr.
auch in Stadt Brüssel war’s nicht
schlecht,
der Mann versteht das gute Recht,
er will die Nadeln billiger haben
und tut uns aus der Türe jagen.
10. Der Selb Franz ist ein feiner Herr,
der setzte sich gar nicht zur Wehr
und sagte: „Macht nur keinen Lärzm
ich zahle die 10 Kreuzer gern.“
11. Der Wenzl Erb läßt uns nicht ein
und pfeift uns die 10 Kreuzerlein,
durchs Fenster sagt er: „Sechs ein
Halben,“
das ließen wir uns nicht gefallen.
12. Zum Schluß der Dexter Christian,
der ist ein rechter schlauer Mann,
er sagt: „In 28 Tagen
will ich euch vielleicht Antwort sagen.“
13. Habt ihr nun genug gehört,
wie man uns’re Arbeit ehrt?
Laß euch, liebe Mitgesellen,
von den Meinstern nimmer prellen.
Wer nicht zahlt 10 Kreuzerlein,
soll bald sitzen ganz allein!
Geschichte / Kommentar:
Das Lied handelt vom Streik der Nadler-Gehilfen in
Karlsbad in Böhmen 1870, wie das Blatt „Unser Egerland.
Blätter für Egerländer Volkskunde. X“ 1906auf
Seite 157 berichtete. Daher hat es Wolfgang Steinitz und
übernahm es in seiner Sammlung „Volkslieder demokratischen
Charakters“.
Das Lied berichtet quasi wie drei Gesellen von
ihren Meistern ihren Lohn von 20 Kreuzern haben wollen. Die meisten
Meister jagen sie hinaus, nur wenige sind zur Zahlung bereit. Steinitz
vergleicht den Aufbau des Liedes aufgrund der charakteristischen
Aufzählung an das Weberlied, in dem die Fabrikanten augezählt
wurden.
(Nr. 91).
Steinitz mutmaßt, dass die „Abtrennung
in Strophen“ und „das Auftreten von sechszeiligen Strophen
(Str. 9, 13) neben den vierzeiligen“ dafür sprechen
würde, „daß es sich um ein gesungenes Lied und nicht
um ein Gedicht handelt“. Das ist sicherliche eine
diskussionswürdige Annahme.
Quelle:
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) 1954, Bd. 1, Nr. 129,
S. 313f.