Bettler (3)
Penne
Herberge, Wirschaft. So
heißt jede Dorfschänke, jedes Gasthaus
oder jede Herberge, wo Fremde übernachten. Es
giebt „dufte“ und
„mieße“ Pennen. In den duften
darf der „Kunde“ Kartenspielen und
Schnaps trinken so viel er mag. Es verkehren
daselbst auch meistens die „Kunden von altem
Schrot.“ Das sind jene, welche aus dem
Betteln hauptsächlich ein Geschäft machen
und nur zeitweilig arbeiten, um die
„Fleppe“ „unanfechtbar“ zu
stellen, sowie auch die älteren der reisenden
Handwerker, welche soviel Erfahrung besitzen, um
sich von den ersteren nicht
„ausschmieren“ zu lassen. Auf den
„duften“ Pennen sind jedoch auch die
meisten „Bienen“ anzutreffen. (Rentsch
ca. 1890)
> Herbergen
Rotwelsch
Geheimsprache der Kunden
(Vagabunden), die sich aus deutschen
Mundartwörtern (z. B.
„Plattfuß“ = Gans),
verhüllenden Ausdrücken
(„Feldglocke“ = Galgen), dem Jiddischen
und dem Romanes (Sprache der Roma) zusammensetzt.
Das Wort R. taucht erstmals 1250 in einem
liturgischen heiligen Buch (Passional) auf und
meint ganz allgemein geheime arglistige
Wörter.
Die Bedeutung von Rot ist
vielseitig. Einerseits bedeutete Rot im
Mittelhochdeutschen ‚falsch’,
‚listig’, Bettler usw. (1510
heißt im „Liber Vagatorum“, dem
Buch der Vaganten, z.B. ‚Rotboss’ =
Bettlerherberge oder ‚rottun’ =
Bettler). Andererseits steckt in der Farbe Rot eine
tiefe Symbolik. So ist es die Farbe des Blutes und
der Revolution gleichermaßen. Im Mittelalter
galten rote Haare und Bärte als Zeichen der
Falschheit. Rot steckt auch in dem Wort
‚Rotte’ = Schar, Menge, Haufen, Horde,
verbrecherische Bande usw.
Rotwelsch hat umfangreiche
Spuren in unserem heutigen Wortschatz hinterlassen
(z. B. berappen, foppen, Hochstapler, mogeln,
nassauern).
schmal machen
Wirtshausfechten; im Wirtshaus
die Gäste und auf öffentlichen Wegen die
Spaziergänger anbetteln. Wird oft in der Art
gemacht, daß ein besser gekleideter Kunde in
eine Schenke geht und sich ein Bier bestellt. Er
setzt sich an einen Tisch, wo viele Leute sitzen
und redet über schlechte Zeiten. Inzwischen
kommt ein anderer Kunde herein und bettelt. Der
erste gibt ihm sofort 10 oder 20 Pf. Die Leute am
Tisch wollen auch nicht hartherzig sein, und geben
auch, [und so machen die Beiden gewöhnlich
eine hübsche Ernte, (Ostwald, 1906) [dieses
wird nun in verschiedenen Wirtschaften wiederholt,
bis nichts mehr schmal zu machen ist und die beiden
reich beladen in die Penne ziehen., (Ostwald,
1900)
Straßendienst des
Arbeiter-Samariter-Bundes 1926
Der Straßendienst hatte
die Aufgabe, „der Gefährdung
vorzubeugen, dort den jungen Menschen nachzugehen,
wo das Elternhaus versagt, ihn auf seinen
unsicheren Wegen zu beobachten und zu gegebener
Zeit dazwischen zutreten“. In dem Aufsatz
„Aufgaben und Organisation des
Straßendienstes des ASB heißt es weiter:
„Die geschichtliche Entwicklung des
Straßendienstes liegt noch nicht weit
zurück. Sein Vorläufer ist die
Kinderschutzkommission der SPD gewesen, die
versuchte, die Zeitungs- und Milchkinder zu
erfassen. Dann begann man vor etwa 8 Jahren damit,
die Gepäckjungen auf den Bahnhöfen
fürsorgerisch zu bearbeiten und wurde in der
Folge sehr bald auf die Bettelkinder
aufmerksam.“
talfen - betteln
Talf- und Zottelware - Geschenktes und Gestohlenes
Vereine gegen Armut und
Bettelei
Die „große
Depression“, die seit den 1870er Jahren das
deutsche Wirtschaftleben dominierte, brachte in den
1880er Jahren die „Vereine gegen Armut und
Bettelei“ hervor. Ihr Ziel war es, einer
Ausbreitung des unkontrollierten Bettelns durch
zentral organisierte private Wohltätigkeit
entgegenzuwirken. Ein Schild an der Tür sollte
die Bettelnden darauf aufmerksam machen, dass das
Anklopfen sinnlos sei. Wer über eine
entsprechende Legitimation verfügte, sollte
zur Zentralstelle gehen und sich von den
Beiträgen der Mitglieder helfen lassen. Der
Gedanke verlief sich jedoch bereits nach einigen
Jahren im Sande und blieb eine kurzlebige
Zeiterscheinung besorgter Bürger.
Der Amerikaner Josiah Flynt
Willard schrieb zum Ende des 19. Jhs. über
eine Begegnung mit einem der Mitglieder: „Am
vierten April um Mittag kam ich mit Karl in
Braunschweig an. (...) Ein Mann, den er heimsuchte,
war Mitglied des Vereins gegen Verarmung und
Bettelei und hatte das betreffende Schild an seiner
Türe angebracht; aber er benahm sich doch
gegen Karl als barmherziger Samariter. Dies
interessiert mich außerordentlich, denn ich
hatte von dieser Gesellschaft, ihren Mitgliedern
und ihrem Erfolg im Kampf gegen das Vagabundentum
viel Gutes gehört. Ich fragte mehrere Kunden,
was sie von dem Verein hielten. Einer
erklärte, daß er die Mitglieder immer
aufsucht - wenigstens die, welche das Schild an
ihrer Türe hätten - denn man würde
ebenso oft gut behandelt wie nicht. Andere ergingen
sich in drastischen Kritiken und sagten, der Verein
würde einen eher verhungern lassen, ehe er
einem ein Stück Brot gäbe. Ich glaube,
Karl traf das Richtige, als er sagte, daß
einige Mitglieder des Vereins Bettlern etwas
gäben, und andere nicht, so daß also
alles vom Zufall abhinge.“
Die Geschichte der Vereine hat
sich im Lied aber noch bis in die 1930er Jahre
erhalten. Ein Beispiel dokumentierte J.
Rügheimer 1931 - leider ohne einen Hinweis auf
die Melodie:
„Zwei dufte Kunden
zieh’n von Haus zu Haus,
In dem guten Glauben, sie
schlagen etwas ‘raus.
Aber leider ist das nicht der
Fall,
Denn an den Türen steht
dort überall:
[Refrain:]
Hier wohnt ein Mitglied von
dem Verein
gegen Armut, Not und
Bettelei’n.
Hier wohnt ein Mitglied von
dem Verein,
Gegen Armut, Not und
Bettelei’n …“
Winde
Arbeitshaus; Haus, auch jede
selbständige Haushaltung; Krankenhaus;
Tür, Türflügel
dufte Winde - Haus mit freigiebigen Bewohnern
linke Winde - Arbeitshaus
freiwillige Winde - Arbeiterkolonie
miese Winde - Haus mit geizigen Bewohnern;
schlecht gehende Häuser
die Winde spuckt oder steckt
viel - in dem Hause erhält man viel beim
Betteln
Winden stoßen - einzelne gute Häuser
aufsuchen [06], nur Häuser aufsuchen, wo gut
gegeben wird [29]
Winde ungestoßen lassen - 1) Gelegenheit zum Diebstahl
nicht nutzen; 2) Haus nicht abbetteln
Zinken -
1) Vulgärer Ausdruck
für die Nase, besonders wenn sie etwas
hervorragt;
2) Im Rotwelsch des 18. Jhs.
bezeichnete Zink, Zinke (f), Zinken (m) ein
geheimes Verständigungszeichen eigentl. Zacke,
entsprechend der Formder graphischen Zeichen der
Bettler, Gauner usw. (siehe auch Ldb. S. 43)
zinkiert - gestempelt
Zunft
Die Ausübung eines
Gewerbes oder Handwerks war in vorindustrieller
Zeit streng geregelt. Neben der Einhaltung der
besonderen rechtlichen Vorschriften waren die
betreffenden Personengruppen gezwungen, sich in
einer Gemeinschaft zusammenzuschließen, in
der die Rechte und Pflichten genau fixiert waren
(Zunftrolle, Zunftbriefe, in Norddeutschland
Schragen). Das waren in Süddeutschland die
Zünfte und in Norddeutschland die Gilde oder
das Amt. Selbst Bürger, die kein Handwerk
betrieben (Künstler, Gelehrte, Musikanten,
selbst Bettler), mussten sich einer Z.
anschließen (Zunftzwang). Die
ursprünglich hofhörigen Handwerker der
Großgrundherrschaften wurden in den
Städten zu selbständigen
Gewerbetreibenden, wo sie sich dann zu Zünften
zusammenschlossen (Handwerk), die in Deutschland
zuerst im 11./12. Jh. nachweisbar sind. Die
Organisationen standen unter strenger Aufsicht der
jeweiligen Ordnungsbehörde. Ihre Aufgabe
bestand in einer Qualitäts-, Maß- und
Preisgarantie für Produkte und
Dienstleistungen. In dieser strengen Ordnung waren
die Angehörigen der Zünfte wirtschaftlich
und sozial abgesichert. Die Meister hatten in der
Zunft das Sagen, während den Gesellen eine
begrenzte Selbstverwaltung zugestanden wurde (z.B.
bei der Kranken- und Wanderunterstützung).