Bettler
Ein kleines Lexikon zu Dingen
Rund um Bettler und Bettelei.
Bettler -
werden jene geheißen,
die betteln gehen, d. h., die um Almosen bitten.
ahd. betalon mhd. betelen. Bettel steht seit dem
17. Jh. für ‚geringfügiges
Zeug’.
Wie auch bei den Kunden had
die DDR-Forschung den Standpunkt vertreten, den
Wolfgang Steinitz in den „deutschen
Volksliedern demokratischen Charakters“
weitgehend gemieden und nur „solche Lieder
aufgenommen, die als Ganzes eine eindeutige
Stellungnahme für die Unterdrückten,
gegen die Unterdrücker zeigen“.
Ausgeschlossen hat er „also z.B.
Landsknechts- und auch Soldatenlieder, die zwar
realistische Stoßseufzer über Hunger,
Kälte, schlechten Sold u. ä. enthalten,
aber gleichzeitig auch das Leben auf Kosten der
Bauern oder das Saufen und Schulden machen
lobpreisen“. Mag man dafür noch bedingt
Verständnis aufbringen, streuben sich einem
bei Folgenden die Haare:
Ausgeschlossen bleiben ferner
‘Rinnsteinlieder’ und Lieder des
Lumpenproletariats, der Bettler,
Vagabunden, Dirnen usw., die zwar auch Opfer der
Klassengesellschaft sind, aber nicht zum
werktätigen Volk gehören. Sie würden
„im allgemeinen den Gesichtspunkt des
Lumpenproletariats repräsentieren“.
Bettelzinken
„jene Stempel, welche
die Ortsbehörden den
‚angelnden’ Kunden in die
‚Fleppe’ drücken. Manche
‚Bettelzinken’ haben es zu einer
gewissen Berühmtheit gebracht; so z.B. die
‚Dillinger Wichsschachtel’, welche
sowohl wegen ihrer Größe und
der einer ovalen 10 Pfg.-Wichsschachtel
ähnelnden Gestalt, als auch wegen ihres
Werthes (30 ‚Pooscher’) sehr bekannt
ist.” (Rentzsch, 1890c)
Bettlerzinken > Zinken
dalfen - betteln
im Dalles sein - in Kleidung
heruntergekommen
Fackelei
Schriftstück,
Handschrift.
Fackelei machen - ein Schriftstück
machen. Im engeren Sinne bedeutet es, an
hochgestellte wohlthätige Leute Bettelbriefe
schreiben. Diese Klasse von Kunden, welche sich
damit befasst, gehört eigentlich schon zu den
Hochstaplern, sie halten alle auf „dufte
Kluft,“ sondern sich gern von den andern
Kunden ab und geben sich gewöhnlich als
stellenlose oder unverschuldet in Schwierigkeiten
geratene Magister, Schullehrer, Kaufleute, Adlige
etc. aus und führen entsprechende, falsche
Papiere und dergl.
linke Fackelei
schlechtes Schriftstück,
schlechte Handschrift. Die Anfertigung falscher
Papiere. Es sind meist alte „geriebene”
(durchtriebene) Kunden, welche sich damit befassen.
Bei der einfachsten Art beschränkt sich das
Geschäft auf die Anfertigung amtlicher
Stempel. Zu diesem Behufe wird der nachzuahmende
„Zinken“ in Schiefer eingekratzt und
mit Siegellack ein Abdruck (Block) davon gemacht.
Alsdann wird das zu stempelnde Papier zwischen ein
gefärbtes Pausepapier und
eine geeignete Unterlage
gebracht, der Siegellackblock aufgesetzt und durch
etliche Schläge der Abdruck erzielt. Diese
„Zinken“ sind sehr leicht zu erkennen,
wenn man mit dem nassen Finger
darüberfährt. Sie lassen sich sofort
verwischen. Der „linke Buchdrucker“
fordert für seine Mühe durchschnittlich
50 „Pooscher.“ (Rentzsch, ca. 1900)
dufte Fackelei - gutes Schriftstück,
gute Handschrift
fackeln - schreiben, schwindeln
fechten - betteln
hopp nehmen – festnehmen; scharf anbetteln
Bettelvogt -
Im 16. Jh. stieg die Zahl der
Bettler in Deutschland aufgrund von schlechten
Ernteergebnissen und daraus resultierenden
Hungersnöten und Krankheiten dramatisch an.
Die Städte, deren wirtschaftliche Bedeutung
zunehmend größer geworden waren, wurden
Ziel und Hoffnung für die hilfesuchende
Landbevölkerung. Dort angekommen blieb
für viele dieser Besitzlosen nur die Bettelei
übrig. Die aus dem Mittelalter herreichende
christliche Tugend des Almosengebens verblasste bis
zur Bedeutungslosigkeit. Stattdessen versuchen die
politisch und wirtschaftlich Führenden, dem
Problem durch Organisierung zu entgehen. Sie
begannen Bettelkonzessionen zu erteilen und
ernannten analog zum Zunftsystem so genannte
„Bettelvögte“. Letztere sollten
die heimischen Bettler disziplinieren und die
auswärtigen möglichst zügig aus dem
Ort expedieren. Dabei scheinen sie nicht selten
recht drastisch vorgegangen zu sein, so dass sie
zum Ziel der Aggression der Betroffenen wurden.
Bettelwesen in Dessau um 1770 -
Das Bettelwesen war in Dessau
damals ordentlich organisiert und zerfiel in zwei
Abteilungen: Stadtbettler und fremde Bettler, wie
Vagabunden, Handwerksburschen und Zigeuner. Den
Stadtbettlern wurde es erlaubt, an gewissen Tagen
in der Woche Häuser bestimmter Familien zu
besuchen, um ihren Bettelpfennig in Empfang zu
nehmen. Die Vagabonden durften nur aus der
Vagabondenkasse der Stadt und aus der Zunftkasse,
Almosen erbitten und entgegennehmen.
Die Stadtbettler zogen damals
unter Aufsicht des Bettelvogts Kusch, dem Schrecken
der Handwerksburschen, durch die Stadt und nahmen
meist aus dem sich öffnenden Fenster die Gabe,
Geld oder Brot, in Empfang. Von diesen Gaben
erhielt ebenfalls, der als sehr gutmütig
beschriebene Bettelvogt. Es ging dabei sehr
friedlich und gemütlich zu. Mehr Not und
Strenge erforderten die fremden Bettler, mit
welchen sich oft zweifelhafte Elemente des
Bürgerstandes verbanden und gegen den alten
Kursch vorgingen. Oft führte er sie in das
Zuchthaus, wo sie verprügelt und bei Wasser
und Brot über ihre Sünden nachdenken
mussten. Den andern Tab beförderte man sie aus
Dessau hinaus, doch blieben Racheakte selten aus.
Sie brachen die Bäume auf den durch den
Fürsten erst mit Mühe angelegten
Landstraßen um, demolierten Denkmäler
etc. Alles dies besserte sich durch die
Gründung des Armen- und Arbeitshauses in
Dessau. (Aus: Unser Heimatland, Beilage zur
Anhaltischen Rundschau, 25. Oktober 1919)
Bettlerbörse
In mehreren autobiographischen
Berichten des 19. und beginnenden 20. Jh. ist vom
Tausch der erbettelten oder anderweitig erstandenen
Waren die Rede. Josiah Flynt berichtet 1904
beispielsweise von einer Herberge der Heimat in
Hannover: „In der Herberge war große
Aufregung bei einigen Auktionen, die die Tramps zu
ihrem eigenen Besten veranstalteten. Einige hatten
Röcke, Westen und Hosen zu verkaufen, andere
rühmten die Vorzüge von alten Kragen,
Manschetten, Halsbinden, und sogar Brieftaschen
[...] Einige Bettler fordern nur Lebensmittel,
während andere vorzugsweise um Geld bitten,
und in fast jeder Herberge, sogar in der Heimat,
treiben diese beiden Parteien ihren Handel
miteinander, als ob sie sich auf einem
öffentlichen Markte befänden. Sie
streiten, schachern und kämpfen miteinander,
solange der Handel dauert, sobald das Geschäft
aber beendet ist, wird die gute Kameradschaft
wieder hergestellt.
In den Städten gab es
auch außerhalb der Herbergen Treffpunkt von
Bettlern und Kunden, in denen sich morgens die
Penner und Kunden aus dem Asyl trafen und mit so
ziemlich allem handelten. In Berlin war das in den
1920er Jahren beispielsweise beim
‘Bankviertel’ im Tiergarten und in
Hamburg am Bismarck-Denkmal im Park am Anfang der
Reeperbahn.
Hund (Kailoff, Keiloff)
„Wir nahmen - wie es so
Usus - jeder eine Seite des Dorfes. Bald verriet
ein vielstimmiges Hundekonzert, daß Fremde im
Dorfe. Wenn der Erschaffer der Welt gewußt
hätte, welche Plage die vierfüßigen
Wächter für bettelnde Handwerksburschen
sein werden, er hätte die Bestien gewiß
nicht erschaffen.“ So klagte Hanusch 1907.
Knapp zehn Jahr vorher hatte Rentzsch bereits
folgenden Tipp parat:
Beim Passiren der Dörfer
wird man mitunter von Hunden in oft recht
unangenehmer Weise belästigt. Gar manchem
Kunden ist schon dabei die Hose
(„Weitchen“ oder Büchse“)
zerrissen worden. Das einfachste Abhaltungsmittel
ist, sich zeitweilig zu bücken, als höbe
man einen Stein auf. Hat man 2 Stöcke
(„Stenze“) bei sich, so halte man dem
Hunde einen Stock vor das Maul, in den er sofort
einbeißen wird, und schlage ihn dann mit dem
andern wuchtig auf die Schnauze.