Karl Marx.
( 14. März 1883)
Auf den Auen Englands brüten Nebelschleier
feucht und kühl,
Gleich den Tagen in der Fremde, gleich den Tagen
im Exil.
Wie des Weltmeers gischtgekrönte Wogen
stürmend vorwärts streben,
Also durch die Weltenpforte London strömt das
Völkerleben.
Dem Geräusch der Millionen ferner, dem
Geräusch der Welt
Schläft ein unbezwung’ner Kämpfer,
schläft ein echter Sonnenheld,
Der der Wahrheit Banner treulich hat sein Leben
lang getragen
Unterm Spotte zweier Welten, ohne Wanken, ohne
Zagen.
Alle hundert Jahre blühet nach der alten
Völkersage
Eine rothe Wunderblume an des Jahres
schönstem Tage;
So auch alle hundert Jahre ein Erlöser, ein
Prophet
Dem von aller Noth der Zeiten heimgesuchten Volk
ersteht.
Wohl prophetengleich durchschrittest zu der Zeiten
trüb’ Gewühl,
Zeigtest der bedrängten Menschhein wiederum
das alte Ziel,
Riefst die Braven aller Zonen einzutreten für
das Rechte,
Daß das heil’ge Werk der Freiheit bald
vollendet werden möchte.
Und die hehren Worte drangen über Berge,
Thäler, Meere,
Daß das ärmste Kind der Erde die
Erlösungskunde höre;
Wie des Winters lacht der Frühling, also
spotten aller Schranken
Des verspotteten Gelehrten weltumspannende
Gedanken
In des Fridhos stille Ecke, an des kleinen grabes
Rande,
Kniet die Mutter noch in Thränen, noch in
dunklem Klaggewande,
Betet noch und betet wieder: „Herr!
gieb’ ihm die ewige Ruhe!“
* * *
Ferner braust der Jubel weiter, - ach, der
Lärm von tausend Siegen
Kann den Jammer einer Mutter um ihr Kind nicht
überwiegen.
Fr. Stolze
Geschichte / Kommentar:
Ein Gedicht aus Kegels Liederbuch von 1891 auf
Karl Marx, geschrieben von Fr. Stolze.
Eine Melodie ist uns nicht bekannt.
Das sozialdemokratische „Liederbuch“
hat in seinem Anhang zwei Verehrungen an Ferdinand Lassalle ( 31.
August 1864) und Karl Marx.
Quelle:
Max Kegel's Sozialdemokratisches Liederbuch
3. Auflage, (Verlag von J. K. W. Dietz) Stuttgart 1891, S. 112f.