An der Pforte des Pallastes
1. An der Pforte des Pallastes
Steht ein blinder Bettelmann,
Steht schon lange, lange Jahre,
Mancher sieht ihn mürrisch an.
Und er singet immer wieder
Seine alten Bettellieder:
Barmherzigkeit! o schauet meine Noth,
Barmherzigkeit! o, gebt mir Armen Brod.
Nieman hört sein Missgeschick,
Nur das Echo ruft zurück:
Barmherzigkeit! o schauet meine Noth,
Barmherzigkeit! o, gebt mir Armen Brod.
2. Plötzlich blitzt in seiner Seele,
Ein Gedanke nun empor:
Will ein ander Liedchen singen,
Vor des Hoh’n Pallastes Thor.
Und er singt nun immer wieder,
In der Weis’ der Btellieder:
Gerechtigkeit! o schauet meine Noth,
Gerechtigkeit! o, gebt mir Armen Brod.
Niemand hört sein Missgeschick,
Nur das Echo ruft zurück:
Gerechtigkeit! o schauet meine Noth,
Gerechtigkeit! o, gebt mir Armen Brod.
3. Vor der Pforte des Pallastes
Steht das Volk so blind und arm,
Steht schon lange, lange Jahre,
Daß ein Gott sich sein’ erbarm’,
Und es singt noch immer wieder
Seine alten Bettellieder:
Gerechtigkeit! o schauet unsre Noth,
Gerechtigkeit! o, gebt uns Armen Brod.
Es verdient sein Missgeschick,
Ruft es sich nicht selbst zurück:
Gerechtigkeiterfleh’t kein Ehrenmann,
So lang’ er mit dem Schwerdt sie fordern
kann
Geschichte / Kommentar:
Auf die Melodie „Fliege, Schifflein, durch
die Wellen“ schrieb das Vereinsmitglied des Berliner
Handwerker-Vereins S: Borin.
Das Lied zeigt auch eine Gemeinsamkeit von den
Liederbüchern der Berliner Handwerkervereine und dem Hamburger
Bildungsverein für Arbeiter (1855)
Quellen:
Liederbuch für Handwerker-Vereine, Zweite
vermehrte Auflage, Hrgg. v.d. Berliner Handwerker Verein,
Jo-hannisstraße 4, Druck und Verlag von Eduard Krause, Berlin
1848, Nr. 116, S. 149f.
Deutsche Lieder, Herausgegeben vom Bildungs-Verein
für Arbeiter in Hamburg, Hamburg 1855 Im Verlag des
Bildungs-Vereins, Druck von A. F. M. Kümpel, große
Reichenstraße Nr. 89, S. 113f.