Arbeiterliedarchiv
Lancken
Weihelied
(der Landesvater).
1. Alles schweige! Jeder neige
ernsten Tönen nun sein Ohr!
Hört, ich sing’ das Lied der Lieder!
Hört es, meine deutschen Brüder!
Hall’ es wieder, froher Chor!
Jeder Theil wird erst von Einzelnen gesungen, dann
vom Chor wiederholt.
2. Deutschlands Söhne,
Laut ertöne
Euer Vaterlandsgesang!
Vaterland, du Land des Ruhmes,
Weih’ zu deines Heiligthumes
:,: Hütern :.,: uns und unser Schwert!
3. Hab’ und Leben
Dir zu geben,
Sind wir allesamt bereit,
Sterben gern zu jeder Stunde,
Achten nicht der Todeswunde,
Wenn das Vaterland gebeut.
4. Wer’s nicht fühlet,
Selbst nicht zielet,
Stets nach deutscher Männer Werth,
Soll nicht unsern Bund entehren,
Nicht bei diesem Schläger schwören,
Nicht entweihn das deutsche Schwert.
5. Lied der Lieder,
Hall’ es wieder:
Groß und deutsch sei unser Muth!
Seht hier den geweihten Degen,
Thut wie brave Burschen pflegen,
Und durchbohrt den freien Hut!
6a. Seht ihn blinken
In der Linken,
Diesen Schläger nie entweiht!
Ich durchbohr’ den Hut und schwöre,
Halten will ich stets auf Ehre,
Stets ein braver Bursche sein!
[Jeder Präside singt zum
Nächstfolgenden,
indem er ihm den Becher reicht:]
7a. Nimm den Becher,
Wackrer Zecher,
Vaterländ’schen Trankes voll!
[Die Präsiden geben ihrem Nachbarn die
Schläger und singen:]
Nimm den Schläger in die Linke,
Bohr’ ihn durch den Hut und trinke
Auf des Vaterlandes Wohl!
Einzelne singen:
6b. Seht ihn blinken
In der Linken,
Diesen Schläger nie entweiht!
:;: Ich durchbohr’ den Hut und schwöre,
Halten will ich stets auf Ehre,
Stets ein braver Bursche sein!
Alle wiederholen: Du durchbohrst etc.
[Die Präsiden nehmen bei den letzten Worten
die Schläger zurück und singen, indem
die
den Nachfolgenden den Becher reichen:]
7b. Nimm den Becher,
Wackrer Zecher,
Vaterländ’schen Trankes voll!
[Die Präsiden geben den Nächstfolgenden
die Schläger.]
Nimm den Schläger in die Linke,.
Bohr’ ihn durch den Hut und trinke
Auf des Vaterlandes Wohl!
[Strophe 6 und 7b werden bis zum völligen
Umgange des Schlägers gesungen.]
S. 410
Nach dem Umgange des Schlägers:
Die Präsiden: (Mel.
1823 im Stuttg. Liederb. f. Hochschulen, (v. Silcher?)
8. Komm, du blanker Weihedegen,
freier Männer freie Wehr!
Bring ihn festlich mir entgegen,
von durchbohrten Hüten schwer.
Laßt* uns festlich ihn entlasten;
jeder Scheitel sch bedeckt:
und dann laßt ihn unbefleckt
bis zur nächsten Feier rasten!
*Hier wechseln die Präsiden ihre
Schläger.
9. Auf, ihr Festgenossen, achtet
Uns’re Sitte heilig, schön!
Ganz mit Herz und Seele trachtet,
Stets als Männer zu bestehn.
Froh zum Fest, ihr trauten Brüder;
Jeder ei der Väter werth!
Keiner taste je ans Schwert,
Der nicht edel ist und bieder!
Die Präsiden. Mit Nachdruck.
Mel. in Deutsche Burschenlieder. Jena 1817.
10. So nimm ihn hin! Dein Haupt will ich bedecken
und drauf den Schläger stecken:
es leb’ auch dieser Bruder hoch!
Ein Hundsfott, wer ihn schimpfen soll!
So lange wir ihn kennen, woll’n wir ihn
Bruder nennen;
es leb’ auch dieser Bruder hoch.
Beschluß [Weise wie zu Strophe 8.]
11. Ruhe von der Burschenfeier,
Blanker Weihedegen, nun!
Jeder trachte, wackrer Freier
Um das Vaterland zu sein!
Jedem Heil, der sich bemühte,
Ganz der Väter werth zu sein!
Keiner taste je an’s Schwert,
Der nicht edel ist und bieder!
Melodie: Alte Weise
vor 1770. Zuerst gedr. 1801. /
Zeit: vor 1770. 1781,
1817,
Geschichte / Kommentar:
Wir zitieren hier einmal ausschließlich
Franz Magnus Böhme bei der Lieddarstellung (oben) sowie bei der
späteren Erklärung:
Dieses bekannte Studentenlied, welches unter dem
Namen „Landesvater“ bei allen feierlichen Commersen
gesungen wurde und gekürzt und abgeändert noch jetzt gesungen
wird, ist von August Niemann 1781 gedichtet, als dieser noch Student in Kiel
war. (Es steht in dem von Niemann ohne seinen Namen herausgegebenen
„Akademischen Liederbuch“ (Dessau u. Leipzig 1782. In der
Buchhandlung der Gelehrten) S. 111-120. Dort hat es aber 27 Strophen
und besteht aus folgenden Liedern:
S. 411
1. Vaterlandslied bei entblößtem Haupt
und Degen. Nach bekannter Melodie.
2. Nach einer Pause. Mel.: „God save gerat
George the king“ etc. „Heil, Keiser, Joseph, Heil!“
(6 Str.)
3. Vor Bedeutung des Hauptes. Mel.: „Kinder
sitzen euch zu Füßen“. „Komm, du blanker
Weihedegen!“ (5 Str.)
4. Der Vorsänger bei Vertheilung der
Hüte. „Nehmt hin hin! Eu’r Haupt will ich
bedecken.“ (1 Str.)
5. Der Vorsänger, indem er den Degen in die
Scheide steckt: „Ruhe von der Burschenfeier, blanker Weihedegen,
neuer!“ (1 Str.)
6. Mit bedecktem Haupte bei gestrecktem Degen.
Mel.: „Ja süß sind, Bacchus, deine Säfte“.
„So lag eins in der Friedenshalle“. (5 Str..)
Die Umbildung und Kürzung des Landesvaters,
wie hier, steht zuerst in „Deutsche Burschenlieder“. Jena
1817. Sie ist beibehalten in der „Auswahl deutscher
Lieder“, Leipzig, 4. Aufl. 1836 und im „Allgem. deutschen
Commersbuch“ von Silcher und Erk (Erste Ausg. Lahr 1858) –
Nach Max Friedländers
„Commersbuch“, Leipzig Peters 1892 soll diese gekürzte
Form schon in „Lieder im gesell. Kreise zu singen“.
Greifswald 1808, vorkommen. Das Buch habe ich nicht gesehen.
Die erste Melodie zum Landesvater findet sich zuerst gedruckt in: „Melodien
der besten Commerslieder für’s Clavier bearbeitet von J. G.
W. Schneider“. Halle 1801. Sie ist alt und wurde schon um 1770
zum Landesvater gesungen.
Die zweite Melodie (zur
8. Strophe) steht in „Liederweisen zum Teutschen Liederb. f.
Hochschulen“. Stuttgart 1823. Dort steht sie zu „Hehr und
heilig ist die Stunde“. Friedländer nennt Silcher als deren
Komponist, doch ist Silcher’s Name nirgends angegeben. Niemann
hat für die 8. Strophe als Melodie „Kinder sitzen euch zu
Füßen“ angegeben; diese steht in Silchers
„Kommersbuch“ zur beliebigen Auswahl als andere Weise
beigedruckt, wird jetzt aber nicht mehr gesungen, darum hier
weggelassen. –
Die dritte Melodie (zur
10. Str.) findet sich zuerst in „Deutsche Burschenlieder“.
Jena 1817; ihr Komponist unbekannt.
Die Bezeichnung „Landesvater“ hat dieses
Burschenlied nach einer älteren Strophe „Landesvater, Schutz
und Rather“ etc. (s. unten), auf dessen Melodie Aug. Niemann sein „Alles schweige“ etc.
gedichtet hat. Manche alte Commersbücher haben diese Strophe noch
mit Niemann’s Text verbunden.
Eine alte rohe Lesart des
„Landesvater“ findet sich in einem jenaischen Studentenlied
(1775) wie folgt:
1. Bursche, lärmet, / Sauft und
schwärmet, / Nur vermeidet Zank und Streit; /
Laßt die Blitz-Philister lachen, /
Laßt sie saure Miene machen, / Nur zum Saufen seid bereit!
2. Gram und Sorgen, / Spart bis morgen / Eure
ganze Plunderei;
Packt euch fort zu dieser Stunde / Und studirt ihr
Lumpenhunde! / Bursche müssen lustig sein.
3. Landesvater! / Schutz und Rather! / Es lebe
mein Karl August hoch!
Ausbund auserles’ner Prinzen, / Herr
Weimarischer Provinzen, / Ehr’ und Hoheit krönen dich.
4. Die Friquette, / Die Brunette, / Sei bei jedem
Burschen-Schmauß,
Pereat, wer sie touchiret / Und sich über sie
moquiret, / Pereat sein ganzes Haus!*
5. Theurer Lehrer, / Ich, dein Hörer, / Rufe
dir ein Vivat aus. / (Vivat der Herr Professor NN. hoch!)
Wer hierbei die Nase rümpfet, / Sich moquiret
oder schimpfet, / Pereat zu Staub und Graus.
6. Lebet, Freunde, / Sterbt, ihr Feinde, / Oder
lernet lustig sein!
Brüder, laßt auch diese leben, / Die
uns was zu trinken geben, / Trinkend schließ’ ich sie mit
ein! –
Aus einer Jenenser Hdschr. v. Jahr 1775. Mitgeth.
von Gebr. Keil in „Deutsche Studentenlieder des 17. u. 18.
Jahrh.“ Lahr 1861. S. 181.
* Andre Lesart 1790: „Ausbund
außerles’ner Tugend, Reiz für meine zarte Jugend, sie
soll leben, bis ich sterb’.“
Blos eine Strophe vom Landesvater fand Hoffmann
(Findlinger I, S. 36) schon in einem Lustspiel von J. M. Hofman:
„Der verführte und wieder gebesserte Student, oder der
Triumpf der Tugend über das Laster. Ein prosaisches Lustspiel in
Fünf Aufzügen.“ Frankfurt u. Leipzig 1770. Dort S. 38
singt der Philosoph [S. 412]:
„Landesvater, / Schutz und Rather, / Es
leb’ mein Landgraf Philipp hoch!“
[* Hier nimmt er seinen Hut, sticht mit dem Degen
mitten hindurch und fährt fort:]
„Ausbund auserles’ner Prinzen, /
Schutz der glücklichsten Provinzen, / Ehr’ und Hoheit
krönen ihn!“*
* „Alle machen es auf die nämliche Art
nach der Reyhe, spiesen ihre Hüte an den Degen des Philosophen,
und jeder singt auf das Wohlergehen seines Landesherren, oder
wiederholt das Liedchen.“