Der Erste Weltkrieg (4)

Elbers meint, dass der Soldat den Spott niemals, „wie es ihm das literarische Spottlied vorschreiben möchte, in erster Linie gegen den Feind“ richte, „sondern immer zuerst gegen sich selbst und gegen Erscheinungen im eignen Lager“ (Elbers, S. 185). Der Spott würde „hierbei weniger als seelischer Regulator, sondern wird vielmehr nur noch als äußere Form für die Aussage eines Missstandes oder einer allgemeinen kritischen Stimmungslage verwendet. Nicht mehr die Gemeinschaft selbst, sondern ein Umstand, unter dem die Gemeinschaft zu leiden hätte, stehe im Mittelpunkt des Spottes. Man mache sich zwar „noch über etwas lustig, aber die dürftige Ironie“ verhülle nur „knapp das Missbehagen“. Spottlieder dieser Art würden sich daher vorzüglich eignen, „Kritik anzubringen, die sonst dem Soldaten verboten war.“ Elbers kommt daher zu dem Schluss, dass sich in Spottliedern dieser Art „eine der wenigen noch halbwegs legitimen Möglichkeiten zu Missfallenskundgebungen“ findet. Darunter verberge sich häufig „eine eindeutige kritische Einstellung“, die sich in der Regel einer Bestrafung entzog (siehe Elbers, S. 187).


Musik im Stellungskrieg an der Westfront 1914-1918
Das Singen und Musizieren spielte bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs eine große Rolle. Auf militärischem Gebiet kamen ihr außer der anfangs erwähnten Bedeutung noch weitere wichtige Funktionen zu. Der fast drei Jahre andauernde Stellungskrieg an der Westfront, die sich von Belgien bis zur schweizerischen Grenze hinzog, hatte ein völlig neues Leben hervorgebracht. In dem System der Schützengräben mit Lauf- und Verbindungsgräben zu den rückwärtigen Versorgungsstellen und Stäben mussten sich die Soldaten trotz aller Widersprüche einrichten. Es war ihr Zuhause geworden, das sie auch dementsprechend einrichteten.

Zwischen den gegenseitigen Angriffen bestimmte Langeweile den Alltag. Da konnte man sich musikalisch einerseits aus der Realität entfernen und andererseits mit neuen Versen seine Hoffnungen, Wünsche aber auch den Ärger herauslassen oder die Ängste verdrängen.

Das Repertoire bestand aus den allgemein bekannten Liedern jener Zeit. Traditionelle, populäre und verordnete Musik bildeten den Grundstock der Unterhaltung. Je nach Zusammensetzung der Gruppe und nach Anlass war alles zu hören.

Das Instrumentarium
Das traditionelle Ensemble bestehend aus Geige, Klarinette, Kontrabass und je nach Herkunft des Musikanten Zither, Hummel (Scheitholz) usw. hatte in Kriegszeiten keine Chance. Selbst die Trommler und Pfeiffer, die Hornbesetzung der Jäger oder die Blechbläser der Kavallerie kamen im Schützengraben nicht zum Zuge. Wer im Schützengraben kein Instrument dabei hatte, machte sich, so er konnte, aus verschiedenen Materialien sein eigenes. Bilder und Berichte bezeugen Mundharmonika, Akkordeon, Geige, Flöte, Gitarre und Lärminstrumente wie die Teufelsgeige oder einfach Löffel, Trommeln, Blechdosen usw. Auf vielen Feldpostkarten des Ersten Weltkriegs findet man die Ziehharmonika - als Soloinstrument oder in Verbindung mit der Geige, der Querpfeife, selbst hergestellten Schützengrabeninstrumenten oder der Mundharmonika.

Herausragend waren Akkordeon und Mundharmonika. Die großen Herstellerfirmen benannten nach Ausbruch des Krieges ihre Instrumente beispielsweise „Durch Kampf zum Sieg“, „Schwarz-Weiß-Rot. Klar zum Gefecht“ oder „Unsere Feldgrauen“. Über Tarnfirmen belieferten „Hohner“ oder „Koch“ auch die Soldaten der Alliierten, wo sich das Instrument mit ähnlichen Vaterlandsslogans verkaufte. Aus der Heimat wurden Harmonikas in Feldpostpaketen an die Front geschickt. Seit 1917 wurde der Harmonikabau als „Kriegsdienstindustrie“ anerkannt.


Musikalische Verbrüderung - Kriegsweihnacht 1914 an der Westfront
Beim Kriegsausbruch hatte Wilhelm II. den Soldaten markig versprochen: „Ehe die Blätter fallen, werdet ihr wieder zu Hause sein“. Doch Weihnachten kam, und sie saßen noch immer in ihren Schützengräben und waren zunehmend frustriert. Man hatte an den schnellen Sieg, wie 1870/71 geglaubt und seinen Führern vertraut.

Die Absurdität des Krieges offenbart sich besonders in vereinzelten Verbrüderungen über die Gräben hinweg. An der belgisch-französischen Grenze besuchten sich am Heiligen Abend britische und deutsche Soldaten in ihren Stellungen. Sie sangen, aßen, spielten Fußball und tauschten Adressen aus. Ein einmaliges Ereignis, das kein Beteiligter je verges-sen hat. Ursächlich verantwortlich dafür waren Musik und Gesang, welche aus den feindlichen Schützengräben hinüber drangen.

Eine Kunstpostkarte aus jenen Tagen zeigt das Musizieren einer deutschen „Schützengrabenkapelle“ bestehend aus zwei Mundharmonikas, einer Ziehharmonika und einer Gießkanne. Aus dem gegenüberliegenden Graben sind zwei Schotten geklettert und tanzen. Ein deutscher Soldat mit Gewehr im Anschlag blickt auf den durchs Fernrohr schauenden Offizier und erwartet den Befehl zum Schießen. Wohl als scherzhafte Karikatur auf die Qualität der deutschen Musik und der Dummheit des Feindes gedacht, verbinden die Soldaten das dargestellte Geschehen doch auch mit der gerade erlebten Weihnacht. Auf der Rückseite der verschickten Karte steht geschrieben:

„…L(iebe) Frau das ist eine Ansicht von unser Schützengraben Kapelle das war zu Weihnachten woh die Engländer (dr)außen getanst haben nach unser Musik es giebt immer noch manches mal tüchtiges Leben im Schützengraben.“

Abb.: Feldpostkarte „Die Grabenkapelle“ Soldaten musizieren auf einer Gießkanne, zwei Mundharmonikas und Ziehharmonika. (Sammlung Gehler)


1915/16 Das zweite Kriegsjahr - Das hatten wir uns anders vorgestellt
Nach dem ergebnislosen Ringen 1915 an der Westfront glaubten beide Seiten, dass 1916 die Entscheidung fallen würde. Im Dezember 1915 hatten sich die Alliierten geeinigt, mit einer Vielzahl von Teilangriffen die „Abnutzung“ des Feindes zu betreiben. In der Mitte 1916 könnte man dann eine große Offensive starten und die entscheidende Schlacht herbeiführen. Falkenhayn dagegen entwickelte das Konzept einer Ermattungsstrategie. Er wollte einerseits Franzosen und Engländer trennen und mit einem U-Boot-Krieg einen Verhandlungsfrieden erzwingen. Zum zentralen Schlachtfeld auf dem Lande wurde von Februar bis Dezember 1916 Verdun. Doch es wurde stattdessen für beide Seiten zum Inbegriff der Materialschlacht und Symbol sinnlosen Massensterbens. Eine alliierte Großoffensive an der Somme im Juli sollte die französische Armee entlasten, doch den Briten gelang unter Feldmarschall Haig trotz schwerer Opfer nur ein Geländegewinn. Das Scheitern der deutschen Offensive bei Verdun führte zur Ablösung Falkenhayns durch die Feldherren Hindenburg und Ludendorff, den Siegern der „Schlacht bei Tannenberg“ 1914. Auf französischer Seite wurde der unbeliebte Marschall Joffre durch General Nivelle ersetzt.


1916/17 Das dritte Kriegsjahr - Was machen wir eigentlich hier?
Das „große Gemetzel“ im Jahr 1916 setzte sich in der 3. Ypernschlacht ab Juli 1917 fort. Die englischen Truppen versuchten durch einen Vorstoß in Flandern die Deutschen von ihren U-Boot-Basen an der belgischen Kanalküste abzuschneiden. Erstmals wurden Panzer und Flugzeuge im großen Stil eingesetzt. Die Kämpfe zogen sich fast ein halbes Jahr lang hin und wurden zur schlimmsten Erfahrung der Soldaten auf beiden Seiten. Auf deutscher Seite wurde Flandern als „zweites Verdun“ bezeichnet, während die Somme-Schlacht als „britisches Verdun“ galt. Die Kriegsunwilligkeit und Erschöpfung besonders der deutschen Soldaten nahm enorme Ausmaße an.

Der Stellungskrieg in den Schützengräben führte zu makabren Situationen. So wurden in mühevoller Arbeit große Stollen gegraben, um unter die Gräben der Gegner zu gelangen. Das geschah einerseits, um ihn eventuell abzuhören, andererseits, um dessen Stellung von unten zu sprengen. Da die Strategie von beiden Seiten praktiziert wurde, konnte es geschehen, dass sich die verfeindeten Soldaten unter der Erde begegneten, oder die Gegenseite zuerst sprengte.

Ein solches Schicksal traf traf u.a. auch 10.000 deutsche Soldaten in der Schlacht um die reiche flämische Handelsstadt Ypern (Ieper) am 7. Juni 1917 um drei Uhr morgens. Unter Hill 60 und dem benachbartem Caterpillar-Hügel waren 55.000 Kilo Sprengstoff gezündet worden. Es wird erzählt, dass die Detonation der folgenden Explosion so gewaltig war, dass sie noch in London und Paris zu hören war.


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