Der arme Kunerad
1. Ich bin der arme Kunerad und komm von nah und
fern
vom Hartematt, vom Hungerrain mit Spieß und
Morgenstern.
Ich will nicht länger sein der Knecht,
leibeigen, frönig, ohne Recht .
Ein gleich Gesetz will ich han,
vom Fürsten bis zum Bauersmann.
Ich bin der arme Kunderad;
Spieß voran, drauf und dran!
2. Ich bin der arme Kunerad in Aberacht und Bann,
den Bundschuh trag ich auf er Stand', hab Helm und
Harnisch an.
der Papst und Kaiser hört mich nicht,
ich halt nun selber das Gericht,
es geht an Schloß, Abtei und Stift,
nichts gilt als wie die heilge Schrift.
Ich bin der arme Kunderad;
Spieß voran, drauf und dran!
3. Ich bin der arme Kunerad, trag Pech in meiner
Pfann.
Heijoh! Nun geht's mit Sens' und Axt an Pfaff und
Edelmann.
Sie schlugen mich mit Prügeln platt
und machten mich mit Hunger satt,
sie zogen mir die Haut vom Leib,
und taten Schand an Kind und Weib.
Ich bin der arme Kunderad;
Spieß voran, drauf und dran!
Geschichte / Kommentar:
Der Text wurde 1888 von Heinrich v. Redern und die
Melodie 1920 von Hans G. Grimm geschrieben. Gefunden haben wir das Lied
in den beiden Liederbücher von August Albrecht 1928/9. Es ist aber
eine eindeutige Kunstdichtung und hat nur mit dem Namen Kunrad oder
Kunegrad etwas mit dem Bauerkrieg im Jahr 1525 zu tun. Es ist der
Versuch jener Zeit, Lieder und Texte in die jeweils eigene
Vorstellungswelt einzugliedern. Da wären einerseits die
romantisierenden und abendteuerlichen Themen der bündischen
Jugendbewegung der Nachkriegszeit und andererseits die politischen
Vorstellungen von Rechts und Links.
Der mit seiner Scholle verbundene Bauer war daher
Ziel einer nationalistischen Blut und Boden Politik ebenso wie der
Bauer als Arbeiter mit kommunistischen Hoffnungen. Außerdem
richtete sich das Lied gegen die Kirche und den Adel. Somit finden wir
das Lied in den Liederbüchern der SPD, der KPD und der NSDAP.
Das Lied, das auch als Vorlage für das Lied Wir sind des Geyers schwarzer Haufen, betrachtet wird hat folgenden Hintergrund. Der Herzog von
Württemberg hatte einerseits das Leben der Bauern durch Verbote
massiv erschwert und andererseits hatten Missernten die
Lebensmittelpreise enorm in die Höhe getrieben. Der Herzog, der
nun selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten gelangte, führte
1514 eine Verbrauchssteuer ein, die bei der Landbevölkerung das
Fass zum überlaufen brachte. Es kam zum Aufstand. Der kurzlebige
Aufstand, der im heutigen Weinstädter Stadtteil Beutelsbach
stattfand, gilt als ein Vorläufer des Bauernkriegs.
Quellen:
Die Liederbücher von Albrecht, dem
Reichbanner und den Falken
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Hrsg. Verband
der Arbeiterjugend-Verein Deutschlands, Berlin, 1929, Nr. 29, S. 23.
August Albrecht, Arbeiter- und
Freiheits-Liederbuch (Arbeiterjugend-Verlag), Berlin 1928.
spätere Aufarbeitungen
Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder
demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. 1, Berlin 1954.
Walter Moßmann/Peter Schleuning, alte und
neue politische lieder. Wir haben jetzt die Schauze voll, Reinbek 1978