KPD (4)

Die Gründung des RFB resultierte also weder aus einer ‘Notwehrsituation’, noch als Konkurrenz zum 1924 gegründeten Reichsbanner. Der ‘Schutz- und Abwehr-Mythos’, den die kommunistische Geschichtsschreibung gerne und lange bemühte, wohnte allen vergleichbaren Organisationen inne. Trotz der Eindeutigkeit der Beschlusslage innerhalb des EKKI und der KPD-Führung wurden zur Erklärung der Gründung des RFB, besonders in den späteren Würdigungen, die blutigen Zusammenstöße des Stahlhelmtages in Halle vom 11. Mai 1924 als Ursache genannt. (6) Schuster, der dieser Einschätzung nachgegangen ist und der Wahrheit ziemlich nahe gekommen sein dürfte, kommt zu dem Schluss, dass der provokativen Vorgehensweise des preußischen Innenministers Severing (bzw. seines Staatssekretärs Dr. Meister) eine nicht weniger aggressive Herangehensweise der KPD entgegenstand. (7) In den Primärquellen spielte der ‘Blutsonntag von Halle’ als Gründungsmythos kaum eine Rolle. Bedeutsamer war die These einer grundsätzlichen Abwehr nationaler Frontkämpferorganisationen, deren Aktivität seit dem Verbot von KPD den Proletarischen Hundertschaften zunahm. (8) Die Situation jener Zeit kann in vielen Bereichen nur als ‘Kalter Bürgerkrieg’ bezeichnet werden, der wiederholt die Grenzen zu einem wirklichen Bürgerkrieg überschritt. An der Eskalation waren auf kommunistischer Seite besonders die Presseorgane beteiligt, die in diesem Zusammenhang beispielsweise durch Die Rote Fahne den Satz prägten, der auch in späteren Liedadaptionen seinen Niederschlag fand: „Arbeiter, schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!“ [siehe auch: „Rosen auf den Weg gestreut“] (9)

Auf einer von der Parteiführung einberufenen Sitzung in Berlin diskutierten nach dem blutigen 11. Mai (10) Karl Retzlaw (d.i. Karl Gröhl, neben Thälmann Leiter des M- und N-Apparates der KPD) (11), Schneller und einige andere ZK-Mitglieder, zwei nicht namentlich vorgestellte russische Offiziere sowie Wolfgang von Wiskow (Mitarbeiter von Retzlaw) über Konsequenzen. Laut Retzlaw habe Hugo Eberlein „vorgeschlagen, der Organisation den Namen Roter Frontkämpferbund, der von den Resten der Hundertschaften in Halle geprägt worden sei zu geben“. (12) Die teilweise noch illegal existierenden Reste des Vorläufers sollten den Grundstock für die neue Organisation bilden. Zu Ehren der Hallenser Genossen sollte die offizielle Gründung des Bundes dort stattfinden.

Die vorgesehene Uniformierung und das Auftreten mit Musikzügen habe sich laut Retzlaw am Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold orientiert und sollte das Selbstbewusstsein der Mitglieder heben. Widerspruch sei von den Vertretern des M-Apparats gekommen, die sich gegen eine Imitation der Wehrverbände der Rechtsparteien und des RB ausgesprochen hätten. (13)


Lieder: siehe unter RFB > 


Anmerkungen
1.  Bu.A. Koblenz, Akten der Reichskanzlei, R 43 I Fasz. 2671 B. 68, ‘Die Lehren der deutschen Ereignisse’. Das Präsidium des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale zur deutschen Frage, Januar 1924, Hamburg (1924), hier nach Schuster, S. 20.
2.  Ebd., Bl. 68, hier nach Schuster, S. 20.
3.  Ebd., Bl. 58, Entwurf Sinowjew, zititert nach Schuster, S. 21.
4.  Schuster, S. 21 zitiert weiter aus dem ‘Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der KPD [...]’, S. 267: „Wir werden natürlich proletarische Hundertschaften nicht ablehnen, weil die Arbeiter begreifen müssen, daß die Bewaffnung des Proletariats notwendig ist“.
5.  Bericht über die Verhandlungen, S. 387, zit. nach Schuster, S. 21.
6.  Dünow, S. 22ff.; Wunderer, S. 86f.; Günter Bers, ‘Rote Tage’ im Rheinland, S. 4; Schuster, S. 22 (Anm. 13) verweist außerdem auf Lohse, S. 50ff.
7.  Schuster, S. 22ff.
8.  S. z.B. Fritz Wege, Zur Entwicklung des Roten Frontkämpferbundes als revolutionäre Massenorganisation des deutschen Proletariats, in: Pädagogische Hochschule Karl Liebknecht Potsdam, Heft 2/1977, S. 274.
9.  Die Rote Fahne Nr. 52, v. 15. Mai 1924. Vgl. u.a. Tucholskys „Rosen auf den Weg gestreut“.
10.  Schuster S. 23f. Das genaue Datum des Treffens nennt er leider nicht.
11.  Vgl. Schuster, S. 23ff. Die folgende Schilderung bezieht sich auf private Mitteilungen von Retzlaw an Schuster.
12.  Ebd., S. 24.
13.  Ebd-


Die Bürgerkriegsstrategie
(siehe hierzu: Werner HInze, Bluttage. Ein Beitrag zur „Wahrheitsfindung“ oder Vom „Hamburg-Aufstand“§ der KPD zum „Altonaer Blutsonntag“. Eine Bürgerkriegsstrategie)

Nach dem misslungenen Putschversuch folgte eine Vielzahl von Prozessen und die KPD wurde vom 23. November 1923 bis zum Ende des Ausnahmezustands am 28. Februar 1924 verboten.

Bereits Ende Oktober / Anfang November 1923 erging an die militärische Abteilung der Nachrichtenzentrale der KPD die Weisung so genannte T-Gruppen aufzubauen. Kaufmann u. a. bezeichnen diese als „Exekutivorgane“ andere sprechen von „Terror-Gruppen“. (Kaufmann u. a. S. 91.) Einige dieser Gruppen waren an Sprengstoffanschlägen beteiligt. Diese Entwicklung wurde durch die Zentrale gefördert. Am bekanntesten ist die so genannte „deutsche Tscheka“.

Anfang Januar 1924 rief die KPD-Zentrale noch dazu auf, „jeden Versuch der Polizei, unsere Demonstrationen auseinander zu treiben, durch Anwendung von Waffengewalt ganz entschieden [zu] verhindern“. Im Wesentlichen gingen aber konkrete Vorbereitungen für einen Aufstand zurück. Stattdessen begannen theoretische Exkurse und Diskussionen zur Frage des bewaffneten Aufstandes verknüpft mit den „Lehren der deutschen Ereignisse“ (Vom EKKI am 19. Januar 1924 verabschiedet.) und den Erfahrungen aus den Revolutionen in Russland und anderswo. Einige Abteilungen wurden aufgelöst, besoldete Angestellte entlasse und die Waffenbeschaffung gestoppt. Am Ende dieser Reorganisation verblieben die Militär-, Nachrichten- und Zersetzungs- (Zer-) Abteilung sowie die Redaktion der militärpolitischen Zeitschrift „Vom Bürgerkrieg“.

Mit der Gründung des RFB als Organ der „Einheitsfront von unten“ waren seine Bedeutung und seine Funktionen im Wesentlichen festgelegt. Er sollte zum Sammelbecken der „fehlgeleiteten“ und unzufriedenen Arbeiter anderer Organisationen (in erster Linie sozialdemokratischer) sowie der indifferenten und unentschlossenen werden und diese in die Partei überführen. Dafür wurde eine Agitationskultur entwickelt, die einerseits als Werbemittel und Anziehungspunkt, sowie als Machtmittel zur Beherrschung der Straße diente. Darüber hinaus sollte der RFB Schutz für Versammlungen und Veranstaltungen bieten. Welche konkrete Rolle er neben den legalen Aktivitäten beim bewaffneten Aufstand, von dem zu keinem Zeitpunkt abgewichen wurde, außerdem einnehmen sollte, ergab sich im Laufe seiner Existenz. Schon relativ früh sollten seine Mitglieder auch als Ausgangspunkt bei der Gründung einer Roten Armee eine Rolle spielen.

Begleitet wurde diese Arbeit von einer Fülle von Agitationsmaterial. Besonders jene Schriften, die der „Zersetzung“ bzw. Unterwanderung anderer Organisationen und des staatlichen Machtapparates dienen sollten führten in der Folge der sich zuspitzenden Verhältnisse zu einer Fülle von Hochverratsprozessen, da die deutschen Kommunisten die gewonnenen Erkenntnisse natürlich der KPdSU weiterleiteten. Die Zersetzungsarbeit wurde in einem eigenen Ressort koordiniert, das später in das Ressort „Gegner“ des RFB überging. Dem Ziel des bewaffneten Aufstandes waren alle Kampfformen untergeordnet bzw. sie sollten ihm zuarbeiten. Dazu gehörten neben der „Zersetzung“ auch die Teilkämpfe, also gewerkschaftliche Arbeit und Einsatz auf regionaler Ebene.


Der spontane Aufstand der breiten Massen
Für die radikalen Linken war bereits zu Zeiten von Rosa Luxemburg Bürgerkrieg nur ein anderer Name für Klassenkampf. Die Diskussion über den bewaffneten Aufstand mit dem darauf folgenden Bürgerkrieg als Weg zur Revolution blieb in der KPD und somit auch im RFB prägend. Zur Vorbereitung des Hamburger Aufstandes gehörten auch theoretische Auseinandersetzungen, die sich u. a. in internen Papieren und in den von 1923 bis 1925 unter der


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