KPD (5)
Leitung von Ernst Schneller
illegal herausgegebenen militärpolitischen
Heften „Vom Bürgerkrieg“ befanden.
(1) Darin wurden die Erfahrungen aus den
Bürgerkriegen in Russland von 1905 und 1917
und in Deutschland direkt nach dem 1. Weltkrieg,
sowie die Kämpfe im Ruhrgebiet und gegen den
Kapp-Putsch zusammengefasst und analysiert.
Ergänzt wurden die Hefte um theoretische
Pläne und Strategien für den neuerlichen
bewaffneten Aufstand. Außerdem sollten
„die Genossen aus den Betrieben die den
fünfjährigen Bürgerkrieg
[Klassenkampf in den ersten Jahren der Weimarer
Republik] mitgemacht und Erfahrung gesammelt haben,
dadurch angeregt werden, an dem Zustande bringen
dieser Heftchen durch eigene Beiträge
mitzuhelfen“.
Der Bürgerkrieg sei die
notwendige Verteidigungsstrategie zum
imperialistischen Krieg, der zwangsläufig
kommen müsse. Die zu verteidigende Heimat des
Arbeiters könne kein kapitalistisches Land
sein, sondern nur die Sowjetunion, die zur Heimat
aller Werktätigen hochstilisiert wurde.
Erste neuerliche Entwürfe
für ein Militärprogramm der KPD stammen
bereits aus dem Januar 1924 von Karl Friedberg (das
ist Karl Gröhl bzw. Retzlaw). Der Verfasser
sieht ein „Wachstum der Kommunistischen
Partei“, aus dem heraus er einen ständig
wachsenden Willen des revolutionären
Proletariats konstruiert, „den Machtapparat
der besitzenden Klassen zu zerschlagen“. Die
Bourgeoisie hätte bereits als
Gegenmaßnahme „ihren Machtapparat in
Gestalt der militärischen und polizeilichen
Organisationen“ mit „grösster
Intensität“ ausgebaut um die
„Sammlung der revolutionären Kräfte
zu verhindern“ (2). Die beiden so
entstandenen Fronten stünden „sich mit
absoluter Todfeindschaft“ gegenüber und
steuerten „stetig auf die einzig
mögliche Lösung, den bewaffneten Aufstand
des revolutionären Proletariats hin. Dieser
Kampf“ müsse „mit der
Niederringung und Vernichtung des Gegnerischen
Machtapparates oder mit der Vernichtung der
Kommunistischen Partei und der revolutionären
Arbeiterschaft auf Jahre hinaus“ enden. Da
die KP „den Kern des revolutionären
Proletariats in sich“ vereinige, sei es
„ihre historische Aufgabe, Organisator und
Führer dieses bewaffneten Aufstandes zur
Uebernahme der Macht und des Produktionsapparates
durch die Arbeiterklasse zu sein“. Die
Kommunistische Partei müsse „die auf
diesem Wege notwendigen Teilkämpfe benutzen,
um sich theoretisch und organisatorische
ständig zu schulen, und lernen, sie als
Vorbereitung für den Entscheidungskampf der
Klassen zu betrachten.“ Die Kämpfe
würden räumlich und
zahlenmäßig einen größeren
Umfang annehmen und „einen ungleich
schärferen Charakter tragen als in den ersten
Jahren nach der Revolution. Da das
revolutionäre Proletariat den
„militärischen und polizeilichen
Organisationen“ nichts Gleichwertiges
entgegenstellen könne, liege die Kraft der
Revolution „im spontanen Aufstand der breiten
Massen“.
Aus dieser Hoffnung heraus
kommt es zu einer der fatalen
Fehleinschätzungen der Partei. Denn, diese
„elementare Kraft“ so heißt es
weiter, müsse „im Moment organisiert und
zum Siege geführt werden“. Das setze
eine „unbedingt zielklare
Kampfführung“ und die
„Befähigung, den richtigen Weg zur
Eroberung der politischen und ökonomischen
Macht einzuschlagen“ voraus. Die Partei
müsse stets, auch wenn es noch jahrelang
dauern könne „auf das Endziel
eingestellt sein.“ Im Moment des Aufstandes
müsse „jeder Kommunist politisch und
militärisch Organisator und Führer der
Massen sein“. Konkret findet sich hier u. a.
die Erklärung für den permanenten
Verbalradikalismus, mit dem die eigenen Leute auf
einen nicht klaren Moment vorbereitet werden
sollten. Aus jeder Situation, wie aus einem der
Bluttage oder auch einer simplen Konfrontation mit
Organen der bewaffneten Staatsmacht heraus,
hätte demzufolge das Signal zum bewaffneten
Aufstand hervorgehen können.
Vom Bürgerkrieg,
Vereinigung Internationaler Verlags-Anstalten,
Berlin. 1923, Heft 1. [1. Jg.], 37 S.: Enthält:
Zentrale der KPD: An die Partei. Vorwort von O.
St. Marxismus und Aufstand von Lenin. Der Moskauer
Aufstand 1905 von Lenin. Die Lehren des
Bürgerkrieges (Auszüge aus der
Broschüre von S.J. Gussew mit gleichem Titel
erschienen 1921 im Hoym-Verlag). Kämpfe in
Deutschland (Auszüge aus der Broschüre
von Gerhard Colin). Ab Heft 8 wurde als
Erscheinungsort Wien, Mizera angegeben.
2. SAPMO RY/1 2/705/1, S.
47ff., Entwurf zum Militärprogramm der K.P.D.
vom 20.1.1924.
Der Weg zum Sieg. Die Kunst
des bewaffneten Aufstandes.
In der entscheidenden Phase
der Entwicklung auf dem Weg zur gewaltsamen
Erhebung der KPD erscheint im Jahr 1927 die erste
Fassung einer „Anleitung“ zum
bewaffneten Aufstand unter dem Titel „Der Weg
zum Sieg“. Neben den Heften „vom
Bürgerkrieg“ (1923-1925) bzw. deren
Nachfolger „Oktober“ (1925-1932) und
den offenen Diskussionen bzw. Ausführungen in
den unterschiedlichen Presseorganen der KPD kam
dieser Broschüre eine Schlüsselstellung
zu. Vergleichbar mit dem Konzept Stadtguerilla in
den 1970 Jahren in Westdeutschland, als die
RAF-Aktivisten mit dem Büchlein von Carlos
Marighella ihre terroristischen Taten
verübten.
Der Weg zum Sieg“ wurde
herausgegeben mit einem offiziellen Vorwort von
Ernst Schneller (u.a. Herausgeber der
militärpolitischen KPD-Zeitschrift
‘Oktober’). Für den Inhalt
zeichnete „Alfred Langer“
verantwortlich, ein Pseudonym hinter dem sich eine
Autorengruppe in Moskau verbarg. Sie bestand aus
kommunistischen deutschen Militärexperten, wie
u.a. Erich Wollenberg und Hans Kippenberger und
wurde von Ture Lehen, dem Vertreter der Roten
Armee, geleitet.
Das Heft stellt einerseits
eine Art Zusammenfassung der Diskussion und
andererseits eine Anleitung für die
führenden Kader der Partei, des M-Apparats und
des RFB dar. Es gibt die Richtung an, die es zu
gehen gilt, um zum bewaffneten Aufstand zu gelangen
und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den
organisatorischen Veränderungen beim RFB und
der zunehmend aggressiveren Stimmung, die als
Vorstufe zur Eskalation am „Blutmai“
1929 zu sehen ist. Während die zweite Auflage
vom 1. Mai 1931 mit der Erweiterung um den
„Kampf um das Militär“ und die
„Bewaffnung des Proletariats“ einen
eindeutigen Zusammenhang zum Blutsonntag von Altona
aufweist.
Es hat eine Reihe von
Aufarbeitungen, Analysen und Einschätzungen
zum sogenannten „Blutmai“ 1929 und dem
„Blutsonntag“ von Altona im Jahre 1932
gegeben. Dabei wurde viel Wichtiges herausgefunden
und die Fehler der Polizei wurden zu Recht heftig
diskutiert. Was aber fast allen Analysen fehlt, ist
die Betrachtung aller unterschiedlichen
Perspektiven. So fehlt gerade die oben genannte
Betrachtung so weit wir das übersehen
völlig. Doch diese Bürgerkriegsstrategie
der KPD war natürlich der Polizei bekannt und
hat zumindest die Führung in ihrem Handeln
beeinflusst. Das kann natürlich weder eine
Entschuldigung für die Fehlleistungen der
Polizei noch eine Aufrechnung der Verfehlungen
sein, aber eine zusätzliche Erklärung,
die ebenfalls bedacht werden muss. Das Heftchen
„Der Weg zum Sieg“ erschien 1927 und
1931, also in einem überschaubaren Zeitpunkt
vor den jeweiligen Ereignissen. Die Akten der
Staats- und Landesarchive geben deutlich Auskunft
über die jeweilige Zunahme an Aggression von
Seiten der KPD auf der Straße und müssen
somit als direkter Zusammenhang betrachtet werden.
Ausführlicher beschrieben
in: Werner Hinze „Bluttage“.
Dokument:
Bürgerkrieg gegen den Krieg („Vom
Bürgerkrieg“ 3. Jahrgang Mitte Juli
1925, Heft 6/7)