In dem kleinen Oldenburger Land
1. In dem kleinen Oldenburger Land,
Mit dem Naturstenz in der Hand,
Hat sich wieder eingefunden,
Eine Schar von lauter duften Kunden.
Sie talfen, sie zotteln und schmoren ganz charmant
In dem kleinen Oldenburger Land.
2. Und wie jeder dufte Kunde weiß,
Ist es im Oldenburg’schen heiß,
Denn die Herren vom Teckelgeschlechte
Sind fürwahr die reinsten Henkersknechte.
Von oben bis unten wird man dort bespannt
In dem kleinen Oldenburger Land.
3. Der Herr Amtsanwalt er spricht:
Schon wieder ein bekanntes Gesicht.
Das ist sicher einer von den Alten,
In Lumpen eingewickelten Gestalten.
O, welch eine Last für den Beamtenstand,
In dem kleinen Oldenburger Land.
4. Vater Philipp vom Gericht,
Er schont die armen Kunden nicht.
Läßt sie wacker klopfen auf die Steine,
Daß ihn’n wackeln die Arme und Beine,
Denn so nur vergeht die Lust zum Kundenstand,
In dem kleinen Oldenburger Land.
5. Wer hat denn dieses Lied erdacht?
Ein dufter Kunde hats gemacht,
Man nennt ihn den langen Ludewig,
Er sitzt jetzt in Wechte und bessert sich,
Ein Jahr lang ist er auf die Winde verbannt,
Von dem kleinen Oldenburger Land.
Naturstenz - Naturstock.
talfen - Betteln.
zotteln - Stehlen.
schmoren - Trinken.
heiß - Sehr gefährlich.
die Herren vom Teckelgeschlechte - Polizist,
Gensdarmen.
bespannt - aufmerksam gemustert.
Vater Philipp - Gefangenwärter.
Wechte - Landeskorrektionsanstalt in Oldenburg.
Winde - Arbeitshaus.
Geschichte / Kommentar:
„Durch fast alle Lieder, die die Stromer auf
der Walze singen, zittert die Angst um die bedrohte Freiheit“
schreibt 1918 Oskar Wiener in seiner Abhandlung über „Das
deutsche Fuhrmannslied und die Lieder der Landstraße“. Das
zum Ende des 19. Jahrhunderts von Schmidt-Bahrenfeld an Hans Ostwald
mitgeteilte Lied ist ein Beispiel von Gegenden oder Landschaften, in
denen die Kunden nichts zu lachen gab. Solche gab es zu
unterschiedlichen Zeiten offenbar mehrere. Aus den 1920er Jahren
dokumentiert z. B. auch Reinhardt eine Fassung des Liedes, das in dem
Bückeburgerland spielte:
1. In dem kleinen Bückeburger Land,
mit dem Wanderstab wohl in der Hand,
hat sich eine Schar von duften Kunden
schon wieder zusammengefunden
und sie talften und sie schnorten, und sie lebten
scharmant
in dem kleinen Bückeburger Land.
2. In Bückeburg, da ist es heiß
(gefährlich)
Wie ein jeder durfte Kunde weiß.
Die zwölf Männer vom Teckelgeschlechte,
Das sind ganz miserable Knechte.
Und der Kunde wird gleich mit dem Kittchen bekannt
In dem kleinen Bückeburger Land.
3. Und der Staatsanwalt, der spricht:
„Schont die alten Kunden nicht!“
Laß sie brummen, laß sie jammern,
diese alten
In Lumpen gewickelte Gestalten.
Und per Schub werden sie gleich hinausgesandt
Aus dem kleinen Bückeburger Land.
Die Melodie wurde von Reinhardt aus Bückeburg
mitgeteilt und von Peter Roland in den 1960er Jahren leicht
verändert gesungen. Seine Variante fand durch Hein & Oss und
Zupfgeigenhansel Eingang in die westdeutsche Folkloreszene der 1970
Jahre.
Quellen:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein Bd. 3, S.
36f. (3.2.32).
Oskar Wiener (Prag), Das deutsche Fuhrmannslied
und die Lieder der Landstraße. In: Sammlung
Gemeinnütziger Vorträge / herausgegeben vom Deutschen
Verein ... in Prag 1918,
Hans Reinhardt, Der Tippelbruder, Bad Rothenfelde
(Teut. Wald) 1926, Nr. 18 S. 27.
Disco:
Peter Roland, Landstreicherballaden, Thorofon FTH
154 (LC 4775)
Hein u. Oss Kröher